Leitartikel

Risiko

Mancher Filialmitarbeiter in Sparkassen, Volksbanken, Raiffeisenbanken und allen anderen Instituten in Nord, Süd, West und Ost kann die Frage schon nicht mehr hören: "Ist mein Kredit schon verkauft oder noch bei Ihnen sicher?" Die Bundesbürger sorgen sich. Durch eine zweifelhafte Medienkampagne vor allem in den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern wird den Menschen anhand einiger weniger Fälle suggeriert, sie stünden bald ohne Haus und Heim da, weil verantwortungslose Banken die Kredite an herzlose Investorengruppen verkaufen, die die Wohnungsbesitzer dann ohne Rücksicht und mit umstrittenen Methoden aus dem kreditfinanzierten Eigentum drängen, um zu verwerten. Für die Politik ist dies ein wunderbares Feld, um Aktionismus zu zeigen, der am Ende entweder in neuen, meist an der wirtschaftlichen Realität vorbeigehenden Regelungen mündet oder ganz still in einer Schublade verschwindet.

Doch zu den Fakten: Deutsche Banken haben in den vergangenen Jahren zwischen ein und zwei Prozent des gesamten Baukreditvolumens von 1,1 Billionen Euro an meist amerikanische Finanzinvestoren verkauft. So sollen die Bilanzen von nicht mehr lohnenden, weil notleidenden oder nicht mehr strategisch gewünschten, aber in der Betreuung teuren Darlehen gesäubert werden. Das freiwerdende Eigenkapital kann dann für frisches, rentableres Geschäft genutzt werden. Als besonders aktiv haben sich hierbei die Großbanken und die Realkreditinstitute gezeigt. 45 Prozent respektive 41 Prozent aller Darlehensveräußerungen entfallen auf diese beiden Bankengruppen, drei Prozent auf öffentlich-rechtliche Institute und weitere elf Prozent auf die übrigen Bankengruppen.

An einer Handvoll Fälle, in denen mitunter ordnungsgemäß bediente Kredite ebenfalls zu Zwangsversteigerungen geführt haben sollen, wird diese Praxis nun aber hinterfragt. Offensichtlich zu Unrecht, wie Marcel Köchling von Lonestar in seinem Beitrag in diesem Heft ausführt. Denn durch den Kreditverkauf ändere sich die Rechtsposition nicht, Rechte und Pflichten blieben für Darlehensnehmer und Gläubiger die gleichen. Sollte es zu einer ungerechtfertigten Zwangsmaßnahme kommen, kann der Schuldner dagegen Rechtsmittel, beispielsweise den einstweiligen Rechtssschutz, einlegen. Auch der Vorwurf, in Höhe der vollen Grundschuld und nicht der Restschuld zu verwerten, sei haltlos. Investoren hätten aufgrund der Due Dilligence sehr genaue Informationen über Darlehens- und Tilgungshöhe und würden sich verpflichten, die Sicherungszweckerklärung einzuhalten. Vorschriften des § 1157 BGB würden den Darlehensnehmer zudem vor unzulässigen Vollstreckungsmaßnahmen schützen.

Bedarf es also zusätzlicher Regelungen? Das im Rahmen des "Risikobegrenzungsgesetzes" gegenwärtig diskutierte gesetzlich garantierte Sonderkündigungsrecht für den Darlehensnehmer in Falle des Weiterverkaufs seines Kredites würde sich kontraproduktiv auswirken, da es Kreditverkäufe aufgrund der Unwägbarkeit der Zustimmung einer Vielzahl von Kunden nahezu ausschließen würde. Das kann aber weder im Interesse der Wohnungswirtschaft noch in dem der Verbraucherschützer, der Politiker oder der Banken sein. Würde es die Effizienz des Kreditgeschäfts doch erheblich beeinflussen, Risiken in den Bankbilanzen lassen, statt sie an Dritte auszulagern und schließlich zu einer Verteuerung des Darlehensgeschäftes insgesamt führen. Deutsche (Immobilien-)Finanzierer würden sich von einem Großteil des Kapitalmarktgeschäftes abkoppeln müssen.

Während andere Institute aber noch mit der gegenwärtigen Situation hadern, nutzt die Commerzbank die entstandene Verunsicherung beispielhaft für pfiffiges Marketing. Sie bietet ihren Kunden seit einigen Tagen eine "Verkaufsversicherung" an. Für 0,1 bis 0,2 Prozent der Darlehenssumme wird dem Kunden der Verkaufsschutz vertraglich garantiert. Dies entspricht in etwa den Kosten, die auch andere Banken ihren Kunden für den natürlich immer möglichen Wunsch, den Kredit auf den eigenen Büchern halten zu müssen, in Rechnung stellen.

Eine andere Bankengruppe betrachtet die Forderungsverkäufe dagegen mit wachsender Sorge - die Förderbanken. Sie haben keinerlei mittelbaren Einfluss auf den Weiterverkauf von Forderungen, der durch die vermittelnde Bank erfolgt, die für einen eventuellen Ausfall erstrangig besichert ist. Da der Förderbereich vielfach den Schwächeren in der Gesellschaft helfen soll, ist das Ausfallrisiko natürlich potenziell höher. Wird der Kredit weiterveräußert, fehlen den Förderinstituten dann aber die Möglichkeiten, den in Notlage geratenen säumigen Schuldner zu unterstützen, beispielsweise durch die zeitlich befristete Aussetzung von Zinszahlungen. Ausfälle, die aus übereilten Zwangsversteigerungen entstehen, verbleiben somit bei den Förderinstituten beziehungsweise ihren Trägern, den Ländern. Noch ist dies aufgrund der geringen Quantität der Fälle kein Thema, doch sollten sich Zwangsmaßnahmen bei mit Fördermitteln angereicherten Darlehen häufen, könnte hier ein neues Problem für Förderbanken und Steuerzahler entstehen.

Es bleibt zu hoffen, dass sich die politisch Verantwortlichen des Finanzausschusses von der Handvoll kritischer Fälle, bei denen ordnungsgemäß bediente Kredite trotzdem zu Zwangsversteigerung führten, nicht in die Irre leiten lassen. Gefragt ist sehr viel Augenmaß, das Verbraucher ausreichend schützt, den Banken den wirtschaftlichen Spielraum aber nicht zu sehr einengt. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass mit neuen gesetzlichen Regelungen säumige Kunden, die ihren vertraglichen Verpflichtungen auf Rückzahlung nicht nachkommen, nicht ebenfalls geschützt werden. Das wäre ein Freibrief für alle schwarzen Schafe auf der Verbraucherseite, denn nicht nur Banken beziehungsweise Finanzinvestoren verstehen es, Gesetzeslücken zu ihren Gunsten zu nutzen, wie es Verbraucherschützer immer wieder anprangern. Die Banken selbst müssen sich vorwerfen lassen, dass sie es nicht geschafft haben, dieses Thema innerhalb der Branche zu lösen und so wieder mal Vertrauen ihrer Kunden verspielt und den Gesetz geber auf den Plan gerufen haben. Warum beispielsweise wird den Erwerbern von Krediten die Verpflichtung der Einhaltung der Sicherungszweckerklärung nicht deutlich transparenter abgerungen als dies bislang erfolgt? Mehr Transparenz würde Ängste nehmen. P. O.

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