Im Blickfeld

Kaum Not mit notleidenden Krediten

Wo bleiben die Non-Performing Loans? Das fragen sich seit einigen Jahren schon einschlägige Finanzinvestoren und deren Abwicklungsgehilfen. Nachdem der Verkauf von ungewollten oder leistungsgestörten Kreditportfolios in der ersten Dekade dieses Jahrtausends erst seine Hochphase erlebte, geriet er anschließend in Verruf und wird seitdem gescheut. Daran haben auch die zahlreichen Krisen der jüngsten Vergangenheit nichts geändert, obwohl sie in Kreditbüchern auch deutscher Banken Spuren hinterlassen haben müssen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC schätzt, dass sich das Volumen an notleidenden Krediten in Europa seit 2008 auf knapp 1,2 Billionen Euro mehr als verdoppelt hat. Genaue Zahlen zu bekommen ist schwierig. In Deutschland soll der Bestand mit 179 Milliarden Euro jedoch konstant geblieben sein. Lediglich Portfolios im Gesamtvolumen von zehn

Milliarden Euro sind jüngst in Deutschland gehandelt worden. Für die Zukunft wird sogar ein Rückgang auf neun Milliarden Euro erwartet, während europaweit von 60 Milliarden Euro ausgegangen wird.

Dass gerade in Deutschland weniger Darlehen in Not geraten, hat mehrere Gründe. Die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und konjunkturelle Stabilität hierzulande trägt mit Sicherheit dazu bei. Zudem haben deutsche Kreditinstitute ihre große NPL-Welle bereits lange hinter sich. Darüber hinaus mussten und müssen sich die Banken im Zuge regulatorischer Neuerungen intensiver mit der Qualität ihres Forderungsbestands und ihres Neugeschäft befassen. Außerdem erleichtert das niedrige Zinsniveau, erstens dem Schuldner die Kredite zu bedienen und zweitens der Bank auch bei notgedrungenen Umfinanzierungen noch angemessene Margen zu erzielen.

Bezüglich der leistungsgestörten Hypothekarkredite kommt den hiesigen Instituten ferner die hohe Immobiliennachfrage entgegen. Warum eine Forderung mit Abschlag veräußern, wenn sich die Sicherheiten in Eigenregie relativ schnell und mit höheren Erträgen verwerten lassen? Laut Jones Lang Lasalle hat keine andere Investorengruppe ihre Verkaufsaktivitäten in den vergangenen Jahren stärker ausgeweitet als die Banken. Wurden zwischen den Jahren 2008 und 2010 lediglich Liegenschaften im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro in den Markt gegeben, waren es seit 2011 mehr als fünf Milliarden Euro. Damit übertreffen die Geldhäuser sogar die Offenen Immobilien-Publikumsfonds, von denen bekanntlich viele in Auflösung sind und folglich ihr komplettes Portfolio abschmelzen müssen.

Obwohl die Kreditinstitute so viel Immobilienvermögen in Eigenregie vermarkten, haben sie dabei augenscheinlich ein glückliches Händchen im Asset Management bewiesen. Denn es sind weder Notverkäufe in größerem Umfang zu sehen gewesen, noch wurde der Markt mit gewerblichen Immobilien überschwemmt, indes rund 30 Prozent des Transaktionsvolumens auf Portfolioverkäufe entfielen. Abwarten lohnte sich wohl auch, denn Jones Lang Lasalle ordnet 75 Prozent der von Banken veräußerten Gewerbeimmobilien der Kategorie "Core" und neun Prozent "Core plus" zu. Dagegen entfielen auf "Value-Added" und "Opportunistic" nur sieben beziehungsweise neun Prozent. Offensichtlich sind die Banken also auch in der Hochphase des deutschen Immobilienmarktes, zumindest im inländischen Hypothekengeschäft weitgehend überschaubare Risiken eingegangen.

Trotzdem gehen Marktteilnehmer laut einer Analyse der EBS Remi davon aus, dass in deutschen Kreditbüchern noch etwa 25 bis 30 Milliarden Euro notleidender Immobilienfinanzierungen stehen. Und dieses Volumen lässt Special Servicer, NPL-Investoren und Asset Manager doch noch auf lukrative Geschäfte hoffen. Es fragt sich nur, wie lange. Denn die Banken erkennen einerseits, dass sich auch mit problematischen Kunden gutes Geld verdienen lässt. Andererseits können sie aus diesen Erfahrungen für das eigene Risikomanagement mehr lernen als bei einem Forderungsverkauf oder der Abwicklung durch Dritte. L.H.

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