Im Blickfeld

Richtige Entscheidung 1

Kontoführungsgebühren für Darlehensverträge hat der Bundesgerichtshof (BGH) für unzulässig erklärt. Mit ihrem Urteil vom 7. Juni 2011 unter dem Aktenzeichen XI ZR 388/10 untersagen die obersten Zivilrichter eine Praxis, die nach Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in der Kreditwirtschaft weit verbreitet ist, sei es bei Konsumentenkrediten oder Immobilienfinanzierungen. Stellvertretend für die gesamte Branche war das Internationale Bankhaus Bodensee AG, das für die Führung eines solchen Kontos den Kreditnehmern monatlich zwei Euro in Rechnung stellte, von den Verbraucherschützern verklagt worden. Nachdem die Vorinstanzen jeweils der Beklagten Recht gaben, entschied der Elfte Zivilsenat des BGH gegen die Bank.

Ihren Spruch begründeten die Richter damit, dass der Kontoführungsgebühr keine vertragliche Gegenleistung oder eine zusätzlichen Sonderleistung der Bank gegenüberstehe. Vielmehr führe das Kreditinstitut das Darlehenskonto ausschließlich im eigenen Interesse zum Zwecke seiner Buchhaltung und Abrechnung. Wohingegen der Kreditnehmer seine regelmäßigen Zahlungspflichten in der Regel aus dem Kreditvertrag oder einem eigenständigen Zins- und Tilgungsplan entnehmen könne, sodass er auf das Führen eines gesonderten Darlehenskontos nicht angewiesen sei.

Zwar argumentierte die beklagte Bank, dass sie ihren Kunden am Ende eines Kalenderjahres eine Zins- und Saldenbestätigung zur Vorlage bei der Finanzverwaltung ausstellt, doch begründete sie die strittige Gebühr nicht damit. In der Vertragsklausel wurde als Zweck der monatlichen Kontoführungsgebühr ausdrücklich die Abgeltung der Kontoführung angegeben. Darin aber sahen die Bundesrichter eine unangemessene Benachteiligung des Kunden.

Ob dieses Urteil branchenweit gültig ist, wie die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hofft, wird sich zeigen müssen. Denn es kommt auf die konkrete Vertragsklausel an, in der die Erhebung einer Kontoführungsgebühr begründet wird. Entsprechend genau werden die Rechtsabteilungen der Banken und Sparkassen in den nächsten Wochen die Urteilsbegründung studieren. Auf Nachfrage teilte der Verband deutscher Pfandbriefbanken bereits mit, dass der Richterspruch für seine Mitgliedsinstitute keinen Handlungsbedarf hervorrufe, da Kontoführungsgebühren in dieser Form nicht erhoben würden. Beispielsweise verzichtet Wüstenrot - sowohl die Bausparkasse als auch die Bank seit Juni 2010 bei neu abgeschlossenen Vorausdarlehen und Zwischenkrediten beziehungsweise Bankdarlehen auf Kontoführungsgebühren.

Trotzdem will Wüstenrot die schriftliche Urteilsbegründung zu dem Verfahren abwarten und dann eingehendprüfen, um etwaigerechtliche Folgen abschätzen zu können. Denn nach Auffassung der Verbraucherschützer können Kunden, denen Kontoführungsgebühren für Darlehensverträge in Rechnung gestellt wurden, die gezahlten Beträge zurückverlangen. Wie weit das rückwirkend möglich ist, hängt jedoch davon ab, wann die dreijährige Verjährungsfrist beginnt. Ausgehend vom Datum der Urteilsverkündigung verjähren Erstattungsansprüche auf die Zahlungen, die im Jahr 2008 und davor geleistet wurden. Nach Meinung der Verbraucherzentrale setzt die Verjährungsfrist jedoch erst mit Beendigung des Darlehensverhältnisses ein.

Ob es für die Kreditnehmer ein erfreuliches Urteil ist, bleibt abzuwarten. Denn zweifellos ist das Führen und Pflegen eines Kreditkontos - auch wenn es nur der bankinternen Buchhaltung dient - mit Aufwand verbunden, den sich die Bank in dem ohnehin margenarmen, weil wettbewerbsintensiven Geschäft nach Möglichkeit vom Kunden bezahlen lässt. Das konnte sie bislang ungestört über separate Gebühren tun. Künftig wird sie versucht sein, diese Kosten anderweitig zum Beispiel im Darlehenszins, im Agio oder im Disagio unterzubringen. Damit entfällt nach dem BGH-Urteil zwar ein Element der Konditionsgestaltung bei Kreditverträgen, doch den Variantenreichtum in der Produktgestaltung schränkt das kaum ein. Daher mag man glauben, dass das Urteil die Darlehensangebote besser vergleichbar macht, tatsächlich aber dürfte die Transparenz nur marginal zunehmen. Trotzdem sollten die Banken den Richterspruch nicht allein von ihren Juristen auswerten lassen, sondern auch als moralischen Fingerzeig annehmen. Im Zuge der Finanzmarktkrise und der massiven Staatshilfe hat das Image der Branche ohnehin gelitten. Auf entsprechend wenig Gegenliebe darf die Kreditwirtschaft in der Politik hoffen, zumal die Volksseele auf vermeintliche Gebührentricks und Abzocke äußerst ungehalten reagiert. Daher sind die Institute sicherlich gut beraten, sich auch in der Preisgestaltung als redlich und ehrlich zu empfehlen. L. H.

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