Genossenschaften in der Immobilienwirtschaft

Sind Qualitätszertifikate für Banken mehr als ein Werbe-Etikett?

Früher kannte man sie nur vom Nummernschild - heute klebt sie auf den unterschiedlichsten Produkten: die TÜV-Plakette. Das "Siegel für geprüfte Qualität" hat seinen Wirkungskreis in den vergangenen Jahren erheblich ausgeweitet. Ähnlich bekannt und anerkannt wie die Testurteile der Stiftung Warentest genießen die Zertifikate bei Verbrauchern und Konsumenten eine hohe Glaubwürdigkeit - und sind deshalb für Unternehmen, die erklärungsbedürftige Leistungen oder Produkte anbieten, eine begehrte Trophäe.

Zu diesem Kreis zählen neuerdings auch immer mehr Banken. Seit einigen Jahren nimmt die Zahl der zertifizierten Kreditinstitute, die die Beurkundung ihres Qualitätsstandards publik machen, deutlich zu. Waren es zunächst die bekannten ISO Normen der 9 000-Kategorie, die auch in Unternehmen der Realwirtschaft für das Qualitätsmanagement eingesetzt wurden, so sind es heute vermehrt TÜV-Zertifikate für (meist kundenrelevante) Prozesse in der Bank.

Beim TÜV Saarland haben beispielsweise in den vergangenen drei Jahren über 120 Kreditinstitute ihren Baufinanzierungsprozess und ungefähr 40 Banken ihre Kundenfreundlichkeit zertifizieren lassen. Auch die WL Bank hat sich in jüngster Vergangenheit gleich zweimal dem zeit- und arbeitsintensiven Audit des TÜV unterzogen, um 2007 ihren Immobilienfinanzierungsprozess und 2008 ihre Finanzbetreuung öffentlicher Kunden zertifizieren zu lassen.

Ist dieses offensichtlich wachsende Interesse an solchen Zertifizierungen aber schon ein Beweis für ihre substanzielle Wirksamkeit jenseits des reinen "Marke-ting-Gags"? Was sagen sie wirklich über die behauptete Qualität der testierten Leistung? Sind sie belastbar, wenn es um die Umsetzung in der individuellen Kundenbeziehung geht? Lassen sie sich überhaupt überprüfen? Diese Fragen sollen hier unter der Berücksichtigung besonderer bankspezifischer Gesichtspunkte und kommunaler Anforderungen beantwortet werden.

Wie funktionieren Qualitätszertifikate überhaupt?

Dass Testate wie die der Stiftung Warentest in der Werbung funktionieren, haben wohl die meisten Menschen schon beim eigenen Konsumverhalten festgestellt. Ob Rasenmäher, Sommerurlaub oder Versicherung - wer vor einer größeren Anschaffung steht, sucht nach Ratgebern, deren Urteil die eigene Entscheidung leitet oder absichert. Eine Reihe von unabhängigen Studien hat die Wirksamkeit solcher Qualitätsbestätigungen überprüft. Eine Marktstudie von Marketing Essentials, einem Netzwerk selbstständiger Marketingdienstleister, befasste sich schon 2004 dezidiert mit dem Einfluss von Gütesiegeln auf die Wahrnehmung, Glaubwürdigkeit und Erinnerbarkeit von Werbebotschaften in Printmedien.

Die Studie belegte, dass die in Produkt- und Imageanzeigen sowie Mailings eingesetzten Qualitätssiegel die inhaltliche Aufmerksamkeit der Nutzer deutlich steigerten. Und dies erstaunlicherweise, obwohl die Visuals als Eye-Catcher nicht funktionierten! Denn bei kurzer Betrachtung fielen die Erinnerungswerte der Anzeigen mit und ohne Siegel nur geringfügig unterschiedlich aus. Erst dann, wenn Qualitätsaussagen erinnert wurden, war eine relevante Stärkung dieser Aussagen durch den Einsatz des Güte-Zeichens ablesbar.

Die (unterbewusste) Qualitätsvermutung des Kunden wird durch das Visual offenbar so wirkungsvoll bestätigt, dass sie den Recall der Werbeaussagen dominiert - der Kunde erinnert sich nachträglich vor allem an die Botschaften zur Qualität des beworbenen Gegenstandes. Wesentlich ist dabei, dass das Qualitätstestat vor allem Vertrauenswürdigkeit und Seriosität des Absenders verstärkt. Erst dadurch werden die erinnerten Qualitätsaussagen auch glaubwürdig und die Werbung entfaltet ihre gewünschte Wirkung. Andere Studien haben sich mit der Auswirkung von Gütesiegeln auf das Kundenverhalten befasst. Dabei stellte sich beispielsweise heraus, dass positive Testergebnisse nachweislich in vielen Fällen einen konkreten Handlungsimpuls geben: Sei es, dass der Kunde sich eigeninitiativ um mehr Informationen zu dem beworbenen Produkt- oder Dienstleistungsangebot bemüht, oder sogar, dass in unmittelbarer Folge ein Kauf beziehungsweise ein Vertrag zustande kommen. Die Vertrauenswürdigkeit von Gütesiegeln wird interessanterweise besonders von Neukunden geschätzt. Hier ist offenbar der Bedarf an einer externen Bestärkung der eigenen, noch nicht durch persönliche Erfahrung gestützten Entscheidung besonders groß. Demnach eignen sich TÜV- oder Warentest-Siegel besonders gut als Akquisitionsinstrument.

Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gütesiegeln

Selbstverständlich funktioniert eine Qualitätszertifizierung nur, wenn sie bestimmte Kundenerwartungen erfüllt. In der Marketingforschung werden vier Erfolgskriterien für das Erzielen einer marktbezogenen Wirkung definiert:

- Die Zertifizierung muss von einem neutralen Gutachter durchgeführt werden, der über fachliche Kompetenz und hohe öffentliche Glaubwürdigkeit verfügt. Das macht den entscheidenden Unterschied zu sogenannten Testimonials zufriedener Kunden aus, die vor allem in puncto (öffentlicher) Glaubwürdigkeit nicht an etablierte Institutionen wie TÜV und Stiftung Warentest heranreichen zu wahrscheinlich sind hier Gefälligkeitsabsprachen.

- Eine Zertifizierung muss überdurchschnittliche Leistungen auszeichnen und nicht nur den gesetzlichen Mindeststandard bestätigen. Das setzt allerdings voraus, dass solche Mindeststandards überhaupt existieren und bekannt sind. Bei einer Reihe von Dienstleistungen und Prozessen - auch, aber nicht nur im Finanzdienstleistungsbereich - bildet bereits die freiwillige Einhaltung von extern definierten Standards eine testierwürdige Ausnahme und damit auch ein positives Alleinstellungsmerkmal.

- Die Begutachtungskriterien, welche der Zertifizierung zugrunde liegen, müssen in der Öffentlichkeit hinreichend bekannt und akzeptiert sein. Dieses Kriterium bleibt bei komplexen Produkten und Prozessen - wie etwa solchen einer Bank - eher wirkungslos, weil die Öffentlichkeit sie nicht in der Tiefe versteht und daher auch nicht beurteilen kann, ob die angesetzten Kriterien wirklich greifen. Umso entscheidender ist hier die Glaubwürdigkeit der begutachtenden Institution.

- Das Zertifikat muss in der kunden- und öffentlichkeitsgerichteten Kommunikation einsetzbar sein. Eine selbsterklärende Voraussetzung, denn wem nutzt schon eine "heimliche" Qualitätszertifizierung? Trotzdem sei dieser Hinweis gestattet: Die motivierende Binnenwirkung etwa eines TÜV-Audits sollte auf keinen Fall unterschätzt werden. Wer sich einer wie auch immer gearteten Leistungsprüfung ausgesetzt sieht, wird immer bemüht sein, diese möglichst gut zu bestehen - zumindest, wenn die Latte in erreichbarer Höhe hängt. Es liegt dann in den Händen der Verantwortlichen, das so erreichte Leistungsniveau nachhaltig zu sichern und zu standardisieren.

Qualitätszertifikate für Banken

Für die Wirksamkeit von Gütesiegeln bei bankspezifischen Leistungen bestehen offensichtlich besondere Regeln. Das liegt natürlich an der Spezialität dieser Leistungen: Die Produkte sind meistens besonders erklärungsbedürftig, die Prozesse oft fallspezifisch individualisiert und daher nicht immer standardisierbar. Das macht die Zertifizierung zu einer schwierigen und manchmal auch langwierigen Prozedur, der sich nicht jeder unterziehen möchte.

Das TÜV-Siegel der WL Bank für die Finanzbetreuung öffentlicher Kunden ist denn auch das erste, das in dieser Kategorie an eine Bank vergeben wurde. Die Zertifizierung bezieht sich ausdrücklich auf den spezifischen Beratungsansatz der Bank, die als Tochter der WGZ Bank innerhalb ihres Konzerns als Kompetenzcenter für öffentliche Kunden fungiert. Der Bericht des TÜV-Auditors hebt die besondere Berücksichtigung der "speziellen Erfordernisse und Möglichkeiten öffentlicher Auftraggeber, insbesondere die Vermeidung von Risiken, das zeitliche Management von Fälligkeiten sowie die Unterstützung von Entwicklungskonzepten" durch die Bank hervor.

Zum Zertifizierungsverfahren gehörte neben der Prüfung von Organisationsvorgaben, Prozessabläufen und Qualitätssicherungen auch ein mehrtägiges Audit vor Ort. Vorab war eine repräsentative Kundenbefragung verlangt, die Auskunft über das Vertrauen und die Zufriedenheit der kommunalen Kunden geben sollte. Insgesamt zog sich das Verfahren über mehrere Monate hin und kostete einiges an Zeit und Geld. Geschenkt bekommt das TÜV-Siegel niemand. Lohn all dieser Mühen ist eine Urkunde sowie die Erlaubnis, das TÜV-Siegel für werbliche Zwecke einsetzen zu dürfen. Lohnt sich das wirklich? Sprechen die Kunden aus dem öffentlichen Sektor tatsächlich darauf an?

Selbstverständlich unterscheidet sich die Kundenbeziehung zum kommunalen Auftraggeber fundamental von derjenigen zum Privatkunden. Hier steht der Bank ein professioneller Entscheider gegenüber, der in der Regel kaufmännisch handelt und entsprechende Verantwortung trägt. Entscheidungen können nicht delegiert werden, anders als der Privatmann genießt ein Kämmerer keinen besonderen Rechtsschutz, wenn er dem Rat oder der Empfehlung eines Dritten folgt. Entsprechend hoch sind Rechtfertigungsdruck und Transparenzvorschriften für Entscheidungen im kommunalen Raum. Ein Kämmerer kann und darf sich nicht allein auf ein TÜV-Siegel verlassen, wenn er sich für eine Bank als Berater entscheidet.

Wie entscheiden Kommunen?

Gleichzeitig verändern sich Rahmenbedingungen und Zielsetzungen, aber auch Produkte und Dienstleistungen in der Kommunalfinanzierung so rasant, dass selbst ausgebildete Fachleute in den kommunalen Verwaltungen mit dieser dynamischen Entwicklung nicht immer Schritt halten können. Oft geht es gar nicht ohne externe Beratung und das Vertrauen in deren Kompetenz und Verlässlichkeit. Komplexe Aufgaben oder besser Herausforderungen, wie sie ein effizientes Schuldenmanagement oder innovative Zinssteuerungsstrategien darstellen, können nur die wenigsten Kommunen heute noch ohne die Hilfe von Spezialisten bewältigen. Folglich muss es Entscheidungskriterien für die Auswahl solcher Spezialisten geben.

Da kann die Berücksichtigung externer Empfehlungen (wie es im Prinzip auch ein TÜV-Siegel ist) eine Rolle spielen. Mit der Zertifizierung wird ja nicht bloß eine Momentaufnahme festgehalten, sondern mit ihr geht eine freiwillige Selbstverpflichtung zur dauerhaften Einhaltung des dokumentierten Niveaus einher. Für die WL Bank bedeutet das zum Beispiel, dass sie sich jährlichen

Wiederholungsaudits zu unterziehen hat und nach Ablauf der dreijährigen Gültigkeit der aktuellen Zertifizierung gegebenenfalls ein neues Verfahren beauftragt. Ziel ist dabei, dass sich die Bank jederzeit und von jedem Kunden an den zertifizierten Standards messen lassen kann. Wer das publik macht, geht ein Risiko ein. Er gewinnt aber auch die Chance, nach überprüfbaren Qualitätskriterien und nicht nur -versprechungen beurteilt zu werden. Nur dann lohnt sich ein Qualitätssiegel.

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