Pro und Kontra

Pro und Kontra mehr Wettbewerb im kooperativen Städtebau

PRO

Mehr Wettbewerb wagen

Prof. Dr. Jürgen Kühling ist Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Immobilienrecht am IRE|BS Institut für Immobilienwirtschaft der Universität Regensburg.

Das EU-Recht und auch das deutsche Recht schützen den Wettbewerb. So werden beispielsweise der freie Dienstleistungsverkehr im Bereich öffentlicher Bauaufträge gefördert und die Märkte im Sinne des Wettbewerbs geöffnet. Dennoch existieren in Deutschland Bereiche, in denen es nur einen eingeschränkten Wettbewerb gibt. Hierzu zählt der direkte Verkauf von Grundstücken der öffentlichen Hand an Private im Rahmen des kooperativen Städtebaus.

Oftmals geht hierbei ein Entwickler mit einem Bebauungsvorschlag für ein öffentliches Grundstück auf eine Gemeinde zu und äußert den Wunsch, das Grundstück zu erwerben. Wenn der Bebauungsvorschlag den städtebaulichen Planungen der Gemeinde entspricht und Einigkeit über die sonstigen Rahmenbedingungen besteht, haben die meisten Gemeinden in der Vergangenheit dem Verkauf zugestimmt. Der Käufer wurde verpflichtet, das Grundstück wie vereinbart zu bebauen. Üblicherweise wurden während der Gespräche zwischen Investor und Gemeinde keine weiteren Interessenten für das Grundstück eingeladen, Alternativangebote für das Grundstück abzugeben oder sich an der Diskussion zu beteiligen. Einen echten Wettbewerb hat es insofern nicht gegeben - die Gespräche waren in vielen Fällen für Außenstehende nicht transparent. Dennoch war dies jahrelange Praxis. Bis zu einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf im Jahr 2007.

Das OLG Düsseldorf hatte zu diesem Zeitpunkt entgegen der gängigen Praxis den direkten Verkauf eines öffentlichen Grundstücks an einen privaten Investor untersagt und auf eine europaweite Ausschreibung gedrängt. Die Begründung: Der Verkauf war an eine Bauverpflichtung gekoppelt, und dies hatte das OLG Düsseldorf als ausschreibungspflichtigen Beschaffungsvorgang für die öffentliche Hand gewertet. Diese Interpretation rief ein zweigeteiltes Echo hervor: Sie traf teilweise auf Zustimmung, aber zum Teil auch auf vehemente Kritik. Denn im vorliegenden Fall galt die Bauverpflichtung keinem Beschaffungsvorgang im klassischen Sinne, also beispielsweise der Bauleistung für ein neues Rathaus, die ein öffentlicher Auftraggeber am Markt nachfragt und die ihm direkt zugute kommt. Vielmehr betraf sie ein städtebauliches Vorhaben - mittels Bauleistung eines privaten Entwicklers sollte lediglich die städtebauliche Entwicklung der Gemeinde vorangetrieben werden. Und bis zu diesem Zeitpunkt wurden solche Grundstücksverkäufe des kooperativen Städtebaus nicht als Beschaffungsvorgänge gewertet.

Die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ist im Ansatz rechtspolitisch durchaus nachvollziehbar. Die Praxis im kooperativen Städtebau hatte bis zu der Entscheidung des OLG Düsseldorf im Jahr 2007 oft nur einen beschränkten Wettbewerb zugelassen. Allerdings hat die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf zu massiver Verunsicherung im Markt geführt. Ein Indiz hierfür ist eine Blitzumfrage des IREBS Immobilieninstituts unter fünf der größten Projektentwickler in Deutschland. Dabei ging es darum, festzustellen, wie sich das Ankaufsvolumen öffentlicher Grundstücke aufgrund der Rechtslage verändert hatte. Vier der fünf befragten Projektentwickler hatten gar keine oder weniger öffentliche Grundstücke seit der Entscheidung des OLG Düsseldorf im Jahr 2007 erworben.

Trotz der verständlichen wettbewerbsorientierten Rechtsprechung handelt es sich im Fall des OLG Düsseldorf um eine zu expansive Auslegung der europäischen Vergaberechtsvorschriften. Folgerichtig hat sich auch der Generalanwalt Mengozzi auf die - sehr späte - entsprechende Vorlage des OLG Düsseldorf im November 2009 hin nicht der Auffassung des OLG Düsseldorf angeschlossen. Eine abschließende Klärung der Frage, wann eine Kommune den Verkauf öffentlicher Grundstücke für kooperative Städtebauprojekte - und allgemein private Investorenprojekte - europaweit

ausschreiben muss und wann sie direkt an einen privaten Investor veräußern darf, ist dies jedoch noch nicht. Vielmehr ist die endgültige Entscheidung des EuGH Mitte des Jahres abzuwarten. Und ob diese dann letztendlich hinreichende Rechtssicherheit bringen wird, hängt nicht nur von dem Urteil selbst, sondern auch von der Klarheit der Begründung ab. Außerdem muss die Entscheidung anschließend noch vom OLG Düsseldorf im weiteren Verfahren umgesetzt werden.

Fest steht aber schon jetzt: Mehr Wettbewerb im kooperativen Städtebau wäre gut, jedoch nicht um jeden Preis. Wenn Ausschreibung und Wettbewerb wie in der jetzigen Situation zum Stillstand bei öffentlichen Grundstücksverkäufen mit Bauverpflichtung führen, ist der Preis zu hoch - denn was nutzt mehr Wettbewerb, wenn sich keiner daran beteiligt? Stattdessen spricht vieles dafür, dass ein verträglicher Mittelweg zwischen den beiden Positionen "Direktverkauf" und "Ausschreibungszwang" möglich ist und dass hierfür weitere gesetzliche Regelungen, auch auf EU-Ebene, erforderlich sind.

KONTRA

Gefährdete Investitionen

Dr. Stefan Best ist Geschäftsführer der HIH Hamburgische Immobilien Handlung GmbH, Hamburg.

Seit fast drei Jahren gibt es in Deutschland kaum noch private Investoren, die Grundstücke der öffentlichen Hand erwerben und zugleich eine städtebauliche Bauverpflichtung eingehen. Hintergrund ist, dass das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf bei solchen Grundstücksverkäufen implizit mehr Wettbewerb gefordert hat und seitdem diskutiert wird, ob das Vergaberecht zur Anwendung kommen muss.

Die Praxis bis dahin: Eine Kommune hat ein Grundstück direkt an einen privaten Investor veräußert. Der Käufer hat sich verpflichtet, es den Stadtentwicklungszielen der Gemeinde gemäß zu bebauen. Oft wurden so städtebaulich wünschenswerte Projekte wie neue Wohn- oder auch ganze Stadtquartiere durch Private finanziert und realisiert. In Eigenregie und auf eigene Kosten wäre dies vielen Kommunen aufgrund der knappen Finanzausstattung nicht möglich gewesen. So wurde trotz Realisierung der gewünschten städtebaulichen Projekte der öffentliche Haushalt nicht nennenswert belastet - und der Grundstücksverkauf spülte sogar noch zusätzlich Geld in die öffentlichen Kassen.

Nun steht eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bevor, der sich mit der Frage befasst, ob solche Grundstücksverkäufe unter das Vergaberecht fallen. Je nach Projekt bedeutet dies, dass der Grundstücksverkauf europaweit ausgeschrieben werden muss. Dies wäre äußerst schädlich für den kooperativen Städtebau. Wie in den vergangenen Jahren würden private Investoren auch künftig eher darauf verzichten, öffentliche Grundstücke für den kooperativen Städtebau zu erwerben. Denn üblicherweise geht die Initiative für den Grundstückskauf vom privaten Investor aus, wodurch er hohe Vorlaufkosten hat.

Das Erarbeiten eines tragfähigen Nutzungskonzepts, das Einschalten eines Architekten für ein Bebauungskonzept und die frühzeitige Nutzeransprache sind nur einige Beispiele der Arbeitsschritte, die vor dem Grundstückskauf erfolgen müssen - die Kosten hierfür liegen selbst bei kleinen bis mittleren Projekten rasch im sechsstelligen Bereich. Wäre nun fortan eine Ausschreibung erforderlich, hätte der Projektinitiator trotz seiner Vorleistungen nicht die Sicherheit, seine Projektidee auch selbst umsetzen zu dürfen - er könnte bei der Ausschreibung unterliegen. Ein Dritter würde dann von der Idee des Entwicklers und dessen Vorleistungen profitieren.

Die logische Konsequenz einer Ausschreibungspflicht: Wenn Entwickler die Wahl haben, für ein Projekt ein privates oder ein öffentliches Grundstück zu erwerben, würden sie bei ähnlichen Rahmenbedingungen eher das private Grundstück erwerben. So ersparen sie sich das Risiko, in einem Ausschreibungsverfahren zu unterliegen. Der Kommune entgehen so nicht nur die Einnahmen aus dem Grundstücksverkauf - es besteht darüber hinaus die Gefahr, dass die kommunalen Grundstücke langfristig brachfallen und städtebaulich unerwünschte Baulücken darstellen.

Eine andere Möglichkeit ist, dass Kommunen öffentliche Grundstücke bewusst ohne Bauverpflichtung veräußern. Die HIH Hamburgische Immobilien Handlung beispielsweise hat seit der Entscheidung des OLG Düsseldorf zwei öffentliche Grundstücke erworben, bei denen die Kommune den Verkauf nicht an eine Bauverpflichtung gekoppelt hat. Sie hatte jeweils darauf vertraut, auch ohne Bauverpflichtung Einigkeit über eine Bebauung herbeizuführen, die den Zielen der Stadtentwicklung entspricht. In beiden Fällen kam diese Einigkeit zustande. Dass ein solches

Vorgehen jedoch für die Kommunen ein größeres Risiko bedeutet, dürfte außer Frage stehen.

Im Markt überwiegt die Hoffnung, dass auch auf europäischer Ebene dem OLG Düsseldorf nicht entsprochen und im kooperativen Städtebau keine europaweite Vergabe erforderlich wird. Bereits der Bundesgesetzgeber hatte sich gegen die Auffassung des OLG Düsseldorf ausgesprochen.

Dies scheint sich nun vor dem EuGH zu bestätigen: In den Schlussanträgen hatte der Generalanwalt die Anwendbarkeit des europäischen Vergaberechts auf kommunale Grundstücksverkäufe mit städtebaulichem Bezug verneint und ist damit ebenfalls von den Vorstellungen des OLG Düsseldorf abgewichen. In den meisten Fällen folgt das EuGH den Schlussanträgen. Mit einer Entscheidung wird etwa ab März gerechnet - ein genaues Datum steht jedoch noch nicht fest. So bleibt es abzuwarten, ob das EuGH auch in diesem Fall dem Generalanwalt folgt. Wünschenswert wäre es.

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