Schwerpunkt: Genossenschaften in der Immobilienwirtschaft

Die Münchener Hypothekenbank zwischen eigenem Marktauftritt und Partnerschaft im Verbund

Für Außenstehende erscheint es widersprüchlich: Da tritt die Münchener Hypothekenbank neben den Primärbanken des genossenschaftlichen Finanzsektors selbstständig als Anbieter von Immobilienfinanzierungen auf, und gleichzeitig vermitteln diese Banken Darlehen an diese Hypothekenbank. Dabei können die Volksbanken und Raiffeisenbanken anders als etwa bei Bausparverträgen oder Fonds Immobilienfinanzierungen, insbesondere für Wohnimmobilien, selbst vergeben und in die eigenen Bücher nehmen.

Neugeschäft im Verbund ausgebaut

Getreu dem genossenschaftlichen Prinzip "was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele" hat sich die Zusammenarbeit vor allem in der privaten Immobilienfinanzierung in den letzten Jahren sogar deutlich intensiviert. Zwischen 2007 und 2011 erhöhte sich das Neugeschäftsvolumen im Verbundgeschäft mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken um fast 50 Prozent. Die Delle im Jahr 2009 war allein der Finanzmarktkrise geschuldet. Bereits im Folgejahr wurde dies durch das Neugeschäft zu einem großen Teil kompensiert.

Auch im laufenden Jahr setzt sich die Entwicklung fort, denn bereits zur Jahresmitte hat die Hypothekenbank drei Viertel des Vorjahresvolumens im Verbundgeschäft erreicht. Ein Teil dieses Wachstums mag auf die deutlich gestiegene Nachfrage seit dem Ausbruch der europäischen Staatsschuldenkrise zurückzuführen sein. Doch dabei ist zu bedenken, dass sich nach den Angaben der Bundesbank das Marktvolumen an Wohnungsbaukrediten im selben Zeitraum lediglich um 1,2 Prozent ausgeweitet hat. Die steigenden Neugeschäftsvolumina dürften also vor allem auf die Kooperation mit den genossenschaftlichen Partnerbanken zurückzuführen sein.

Eigenständiger Marktauftritt

"Selbständigkeit ist das Lebenselixier der Genossenschaften", postulierte Herrmann Schulze-Delitzsch, einer der Gründungsväter des deutschen Genossenschaftswesens im 19. Jahrhundert. Dies ist bis heute die Grundlage des Verbundgeschäfts geblieben. Darauf aufbauend hat sich ein effizientes System der Arbeitsteilung entwickelt: die genossenschaftliche Finanzgruppe. Durch die freiwillige Zusammenarbeit selbstständiger Unternehmen innerhalb der Verbundstrukturen können die Volksbanken und Raiffeisenbanken mit ihren spezialisierten Partnern als schlagkräftige Einheit auftreten und damit Größenvorteile internationaler Bankkonzerne wettmachen. Der Vorteil liegt dabei gerade in den eigenständigen Marktauftritten. Die Münchener Hyp und ihre Partnerbanken müssen sich jeweils selbstständig am Markt und im Wettbewerb behaupten können. Damit erfolgt die Arbeitsteilung im Verbund auf der Grundlage von Marktmechanismen. Das ist effizienter als eine zentrale Steuerung in Konzernstrukturen.

So sind die Volksbanken und Raiffeisenbanken aufgrund ihrer regionalen Verwurzelung viel näher bei ihren Kunden, als es eine bundesweit agierende Hypothekenbank sein kann, selbst wenn sie eigene Filialen unterhalten würde. Gerade in der privaten Immobilienfinanzierung ist dies von Bedeutung, da für viele Menschen der Kauf eines Hauses oder einer Wohnung eine Entscheidung von großer Tragweite ist. Nähe, Vertrauen, Kompetenz und das Eingehen auf die persönlichen Bedürfnisse spielen deshalb bei der Finanzierungsentscheidung oft eine zentrale Rolle. Die Kundenkenntnis der Bank vor Ort und die Expertise der Hypothekenbank als Spezialanbieter ergänzen sich daher sehr gut.

Zudem wird durch die Selbstständigkeit der Partner die Marktposition der Primärbanken in ihrem Geschäftsgebiet gestärkt. Durch die Vermittlung von Darlehen können sie mehr Neugeschäft in der privaten Immobilienfinanzierung aufnehmen und dabei die Risiken - auch im Verhältnis zur Größe der Primärbank - in einem verträglichen Rahmen halten. Die Hypothekenbank wiederum kann die vermittelten Finanzierungen bündeln und über die Ausgabe von Hypothekenpfandbriefen refinanzieren, wobei die hohe Diversifizierung der Darlehen der Qualität ihrer Deckungsmassen zugute kommt. Umgekehrt profitieren die Primärbanken von der höheren Fristenkongruenz und hohen Liquidität des Pfandbriefs bei der Vergabe von Finanzierungen mit Laufzeiten von 20 Jahren und mehr. In der gewerblichen Immobilienfinanzierung erschließt die Münchener Hyp dem Verbund durch ihren eigenständigen nationalen und internationalen Marktauftritt zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten. Gerade Kreditgenossenschaften in Verdichtungsräumen mit einem großen Einzugsgebiet erhalten oft Anfragen nach Finanzierungen, die ihre vertretbaren Finanzierungsvolumina überschreiten oder über das Regionalprinzip hinausreichen. In diesen Fällen übernimmt die Hypothekenbank als bundesweit agierender Immobilienfinanzierer die Finanzierung direkt oder als Konsortialpartner. Dadurch bleiben diese Kunden den Primärbanken und dem Verbund erhalten.

Refinanzierungsvorteile durch Renommee

Auf der Refinanzierungsseite kommt den genossenschaftlichen Partnerbanken der Hypothekenbank das hohe Renommee, das diese als Pfandbriefemittent weltweit bei den Investoren genießt, zugute. Je besser sie sich an den Kapitalmärkten refinanzieren kann, desto attraktivere Konditionen können die Volksbanken und Raiffeisenbanken ihren Kunden bei der Finanzierung der eigenen vier Wände bieten. Das gute Standing der Hypothekenbank an den Märkten beruht dabei ebenfalls auf dem Zusammenwirken von Eigenständigkeit und Kooperation. So schätzen die Investoren insbesondere das langfristig orientierte und risikobewusste Geschäftsmodell der Bank und daraus resultierend die hohe Qualität der Deckungsmassen ihrer Pfandbriefe. Darüber hinaus wünschen sich Investoren auch eine Kontinuität in der Geschäftstätigkeit des Emittenten. Diese Kontinuität wird durch die hohe Stabilität des Verbundgeschäfts gefördert. Die Bündelung eines Teils der Finanzierungsanfragen ermöglicht es zudem, die für viele Investoren erforderliche Liquidität in den Pfandbriefen zu erreichen. Einzelne Volksbanken und Raiffeisenbanken könnten dies mit Eigenemissionen nicht erzielen. Und schließlich ist auch die Zugehörigkeit der Hypothekenbank zur genossenschaftlichen Finanzgruppe ein wichtiger Faktor. Das gute und solide Image der Gruppe und ihre Bonität stärken ebenfalls das Standing der Hypothekenbank bei den Investoren.

Die genossenschaftliche Rechtsform der Münchener Hyp ist ein weiteres Element, das das Miteinander eigenständiger Unternehmen im Wettbewerb fördert. Als eingetragene Genossenschaft ist die Bank für die Primärbanken ein Partner auf Augenhöhe, der ähnlich denkt und handelt. Wie die Volksbanken und Raiffeisenbanken ist sie durch ihre Rechtsform mittelständisch geprägt. Kurze Entscheidungswege, flache Hierarchien sorgen für schnelle Entscheidungen und eine hohe Beweglichkeit im Markt. Gerade dies sowie eine nachhaltige Strategie machen den dauerhaften Erfolg und die Kundennähe der Volksbanken und Raiffeisenbanken aus.

Was bedeutet das in der Praxis? Die Volksbanken und Raiffeisenbanken benötigen in der Immobilienfinanzierung einen Partner, der sie dabei unterstützt, ihre örtliche und regionale Vertriebskraft zu festigen und auszubauen. Ihre Domäne ist der Vertrieb, hier können sie ihre spezifischen Stärken voll ausspielen. Deshalb geht die Hypothekenbank innerhalb des Verbundes auch nicht direkt auf die Kunden zu. Das wäre wenig effizient im Sinne der verbundinternen Arbeitsteilung und Marktbearbeitung.

Ausgestaltung der Zusammenarbeit

Um den Markterfolg der Primärbanken zu stärken, richtet sich die Unterstützung vor allem darauf, Angebot und Service der Primärbanken in der Immobilienfinanzierung zu erweitern. Das geschieht auf drei Wegen:

1. Produkte: Als bundesweiter Anbieter kann die Hypothekenbank die gesamte Bandbreite an Finanzierungslösungen rentabel vorhalten und zu attraktiven Preisen anbieten. Ihr Produktangebot ist dazu nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Dessen Grundlage ist ein preisattraktives Standardangebot, das durch zusätzliche Ausstattungsvarianten - wie etwa besonders lange Kreditlaufzeiten von 30 Jahren oder eine Reverse-Option zur Rückauszahlung bereits geleisteter Sondertilgungen - individualisiert wird. Der Kunde erhält auf diese Weise ein individuelles Angebot, das trotzdem standardisiert ist und daher kostengünstig bearbeitet werden kann. Für die genossenschaftlichen Partnerbanken hat dies den Vorteil, dass sie ihren Kunden ein breit gefächertes Angebot an Immobilienfinanzierung anbieten können, ohne diese selbst entwickeln zu müssen. Gerade bei Finanzierungsvarianten, die weniger häufig nachgefragt werden, bedeutet dies eine spürbare Entlastung. Die Primärbank kann sich somit auf die Beratung konzentrieren. Dies ist ihre Stärke, weil sie durch ihre lokale und regionale Verankerung die Bedürfnisse der Kunden sehr genau kennt.

2. Marketingunterstützung: Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben ein positives Markenimage in der Baufinanzierung. Sie gelten als Qualitätsanbieter von hoher Kompetenz und Verlässlichkeit. Mit einem umfangreichen Angebot an Marketingaktionen, von Agenturleistungen über Mailings bis zum Online-Marketing stärkt die Hypothekenbank diesen Anspruch. Das ist vor allem für kleinere Volksbanken und Raiffeisenbanken wichtig, die nicht fest mit einer Agentur zusammenarbeiten. Aber auch größere Kreditgenossenschaften profitieren vom Know-how der Hypothekenbank, da sie als bundesweiter Anbieter Marketing-Aktionen mit deutlich größeren Volumina durchführen kann.

3. Bearbeitung und Abwicklung: Für die Kunden ist es ein entscheidendes Kriterium, die Finanzierung auch zuverlässig zu erhalten. Eine reibungslose und unkomplizierte Kreditbearbeitung und -abwicklung stellt daher einen wichtigen Service dar. Die Hypothekenbank hatte sich vor einigen Jahren bewusst dafür entschieden, die Darlehensbearbeitung in der Bank zu behalten. Drei Gründe sprachen dafür: feste Ansprechpartner in der Kundenbetreuung, schnelle Darlehensentscheidungen sowie Gewährleistung einer hohen Qualität im Service, von der Zusage bis zur Rückzahlung. Dazu wurde ein IT-gestützter Prozess installiert, der vom Vertrieb vor Ort in der Primärbank bis hin zur Kreditbearbeitung in der Hypothekenbank reicht. Zusammen mit dem Baukasten-Prinzip ist so eine effiziente Abwicklung der Kreditanträge möglich. Darüber hinaus sind auf der Vertriebsseite elf Regionalbüros dafür zuständig, vor Ort Schulungen für das Kreditbearbeitungssystem durchzuführen und mit ihrer regionalen Marktkenntnis auch bei komplexen Kreditentscheidungen unterstützend zur Seite zu stehen. In der Marktfolge liegt ebenfalls eine regional differenzierte Struktur vor. So hat jede Partnerbank ihren Ansprechpartner, was die Basis für hohe Service-Levels ist.

Stärkere Ausschöpfung der Kooperationsvorteile

Im Zuge der neuen bankaufsichtsrechtlichen Regulierungen wird künftig die Teilung von Risiken in der Zusammenarbeit an Bedeutung gewinnen. Hierbei wird es insbesondere um die Frage gehen, wie das Kreditvergabepotenzial der Partnerbanken unter höheren aufsichtsrechtlichen Anforderungen, etwa an die Eigenkapitalausstattung oder eine fristenkongruente Refinanzierung, erhalten und weiterentwickelt werden kann. Ein Ansatz dabei kann es sein, Darlehensbestände einer längerfristigen Refinanzierung zugänglich zu machen.

Auch diese Entwicklungen unterstreichen den Vorteil eines eigenständigen Marktauftritts der Hypothekenbank als Verbundpartner der Volksbanken und Raiffeisenbanken. Durch ihre Eigenständigkeit stärkt sie die Kompetenz und damit die Wettbewerbskraft ihrer genossenschaftlichen Partnerbanken. Für die Zukunft wird es die Aufgabe sein, die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Dies bietet die Chance, den jeweiligen Wachstumskurs fortzusetzen. Denn der Wettbewerb in der Immobilienfinanzierung wird an Intensität eher noch zunehmen. Die Herausforderung liegt deshalb darin, die Vorteile der Kooperation noch stärker auszuschöpfen. Gemeinsames Ziel muss es dabei sein, die Effizienz über den gesamten Finanzierungsprozess immer weiter zu verbessern.

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