Aufsätze

Anmerkungen zur Rolle und Aufgabe der atypischen Genossenschaftsbanken im Verbund

Dem genossenschaftlichen Finanzverbund gehören auf der Ebene der Primärbanken nicht nur die als Ortsbanken bezeichneten Volksbanken und Raiffeisenbanken an, sondern auch eine ganze Reihe weiterer genossenschaftlicher Kreditinstitute, wie beispielsweise Kirchenbanken, Sparda-Banken, PSD-Banken, die Deutsche Apotheker- und Ärztebank und die BB-Bank, um nur die größeren Häuser zu nennen. Diese letztgenannte Gruppe, deren Anteil an der Bilanzsumme aller Primärbanken übrigens bei über 23 Prozent liegt, ist in den genossenschaftlichen Strukturen genauso verankert und im genossenschaftlichen Finanzverbund ebenso beheimatet, wie die Ortsbanken.

Ganz normale Verbandsmitglieder

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) ist für alle Genossenschaftsbanken und somit auch für diese weiteren genossenschaftlichen Kreditinstitute das zentrale Interessenvertretungsorgan bei ordnungspolitischen Fragestellungen beispielsweise gegenüber Politik, Zentralbank und Regulierungsbehörde.

Mit Ausnahme der Sparda-Banken und PSD-Banken, die in jeweils eigenen Verbänden organisiert sind, sind neben den Volksbanken und Raiffeisenbanken auch alle anderen Genossenschaftsbanken in die regionalen Genossenschaftsverbände eingebunden und integriert. Die BB-Bank beispielsweise ist schon immer ordentliches Mitglied im Badischen Genossenschaftsverband. Selbstverständlich ist auch die Gruppe der Nichtortsbanken Mitglied und Beitragszahler der genossenschaftlichen Solidarsysteme, wie der Sicherungseinrichtung des BVR.

Dennoch werden die genossenschaftlichen Primärbanken, die nicht Volksbanken oder Raiffeisenbanken sind, häufig als atypische Genossenschaftsbanken bezeichnet. Dies hängt aber, wie oben dargelegt, nicht damit zusammen, dass eine von den Ortsbanken unterschiedliche Organisationsstruktur vorläge. Diese Bezeichnung lässt sich auch nicht dadurch herleiten, dass der Zweck der Banken per se ein anderer wäre. Der gemäß Genossenschaftsgesetz definierte wirtschaftliche Förderauftrag der Mitglieder gilt für alle Genossenschaftsbanken.

Berufsständige Herkunft als gemeinsame Wurzel

Die Bezeichnung atypisch hat demnach andere Wurzeln. Eine Ursache mag darin begründet liegen, dass von Teilen der Ortsbankenvertreter gelegentlich das Argument zu hören ist, die anderen Genossenschaftsbanken seien ein Fremdkörper im Verbund, da sie sich nicht an den vom BVR verabschiedeten strategischen Grundsatz "ein Markt - eine Bank" beziehungsweise das Regionalprinzip halten und somit als direkte Wettbewerber anzusehen seien. Möglicherweise ist damit die Implikation verknüpft, dass der Zugang zu wesentlichen und häufig mit Skaleneffekten ausgestatteten Verbundleistungen exklusiv den Ortsbanken offen stehen sollte. Plakativ ausgedrückt, könnte es einzelnen Vertretern dieser Gruppe im Kern vermutlich darum gehen, die Existenzberechtigung der Nichtortsbanken in Frage zu stellen.

Die formal juristische Unzulässigkeit dieser Argumentation hat der BVR schon mehrfach betont. Zuletzt hatte er beispielsweise im April 2006 darauf hingewiesen, dass ein angeblicher Verstoß gegen das Regionalprinzip keine Pflichtverletzung darstellt, da es dieses Prinzip rechtlich überhaupt nicht gibt. Als verpflichtendes Organisationsprinzip wäre es überdies ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Verbot von Gebietsabsprachen. Ebenfalls aus kartellrechtlicher Sicht nicht zulässig wäre eine Isolation einzelner Genossenschaftsbanken oder ein Ausschluss aus der Mitgliedschaft des BVR, da Letzterer in der genossenschaftlichen Bankengruppe ein Monopolverband ist.

Historisch bedingte Strukturen

Die BB-Bank hat sich in der Debatte um die Rolle der atypischen Genossenschaftsbanken schon immer für eine sachliche Auseinandersetzung ausgesprochen und dabei stets darauf verwiesen, dass die bestehende Struktur der Primärbanken historisch bedingt und legitimiert ist, und zwar aus folgenden Gründen:

Alle Genossenschaftsbanken haben eine berufsständige Herkunft. Dies ist bei den Volksbanken die gewerbliche Wirtschaft sowie der Handel und bei den Raiffeisenbanken der ländliche Bereich. Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank versteht sich beispielsweise bis heute als Bank für die Heilberufsangehörigen. Die Sparda-Banken haben ihre Wurzeln bei den Beschäftigten der Deutschen Eisenbahnen und die PSD-Banken bei den Postbediensteten.

Die BB-Bank ist die einzige genossenschaftliche Privatkundenbank in Deutschland, die in der Historie der deutschen Beamtenbanken steht. In der Bank sind neben der Badischen Beamtenbank, die im Jahre 1921 als Selbsthilfeeinrichtung für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes von Beamten gegründet wurde, auch die vormals eigenständige Hessische Beamtenbank, die Südwestdeutsche Beamtenbank, die Beamtenbank zu Köln, die Bayerische Beamtenbank und die Schleswig-Holsteinische Beamtenbank aufgegangen.

Ein überregionales oder bundesweites Geschäftsgebiet

Während sich die Volksbanken und Raiffeisenbanken grundsätzlich dem Regionalitätsprinzip verpflichtet sehen und der BVR Strategie "ein Markt - eine Bank" folgend, Doppelvertretungen an einem regionalen Standort aus eigenem Antrieb heraus vermeiden, galt dieser Ansatz für die Gruppe der anderen genossenschaftlichen Kreditinstitute noch nie. Die atypischen Genossenschaftsbanken hatten schon immer ein überregionales oder bundesweites Geschäftsgebiet und haben es bis heute.

Die berufständische Herkunft der verschiedenen genossenschaftlichen Primärbanken zeigt sich auch heute noch in den unterschiedlichen Zielkundensegmenten, die diese Banken ansprechen, den darauf aufbauenden individuellen Geschäftspolitiken im Rahmen des genossenschaftlichen Förderauftrages und den besonderen Marktauftritten.

Innersektorale Wettbewerber?

Schon immer war und ist beispielsweise die BB-Bank eine reine Privatkundenbank, zunächst nur zugänglich für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, aber bereits seit Ende der sechziger Jahre auch für die abhängig Beschäftigten der anderen Wirtschaftszweige in Deutschland geöffnet; viel früher übrigens als dies bei den Volksbanken und Raiffeisenbanken der Fall gewesen ist, die diese Öffnung beziehungsweise Hinwendung zu den privaten Bankkunden mit den Jahren ebenfalls vollzogen haben.

Dass die Rolle der atypischen Genossenschaftsbanken in der jüngeren Vergangenheit von Seiten der Ortsbankenvertreter erneut hinterfragt wurde, dürfte vermutlich daran liegen, dass der Bankenmarkt in Deutschland sich schon lange von einem Verteilungswettbewerb zu einem Verdrängungswettbewerb gewandelt hat. Insbesondere in den letzten Jahren hat die Wettbewerbsintensität im Privatkundengeschäft nochmals deutlich zugenommen. Zusätzlich zu den etablierten Privatkundenbanken, haben mittlerweile säulenübergreifend alle Bankengruppen die privaten Bankkunden wieder als Zielgruppe identifiziert. Aus Sicht der Volksbanken und Raiffeisenbanken scheinen daher die atypischen Genossenschaftsbanken ein innersektoraler Wettbewerber, auf den man möglicherweise lieber verzichten würde.

Die Zahlen zur Kundenbewegung hingegen sprechen eine andere Sprache. Aktuelle Auswertungen des BVR zeigen beispielsweise deutlich, welche Institute die Kunden der Genossenschaftsbanken als Alternative ansehen: Es sind in erster Linie die Direktbanken ohne eigenes Filialnetz, und es sind eben nicht andere Genossenschaftsbanken einschließlich der BB-Bank oder der Sparda-Banken.

Die Trends in der Bankenbranche sind dabei unstreitig und wurden von einer aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts gerade nochmals bestätigt:

- Die zentrale Herausforderung für die Kreditwirtschaft stellt der zunehmende Preiswettbewerb bei Standardprodukten dar.

- Den strategischen Herausforderungen begegnen die Banken vor allem durch Vertriebsmaßnahmen.

- Die vertrieblichen Investitionen zielen vorrangig auf eine Intensivierung des persönlichen Kundenkontakts ab.

- Bei den Vertriebsmaßnahmen gewinnt die Zielgruppenorientierung weiter an Bedeutung.

Für diese Herausforderungen gilt es, die passenden und zukunftsfähigen Antworten zu finden. Der genossenschaftliche Verbund ist hierfür gut gerüstet, denn Zielgruppenorientierung war immer schon eine Maxime aller Beteiligten und insbesondere der Primärbanken, da diese auf ein berufständisches und damit zielgruppenspezifisches Fundament blicken können.

Eine in sich tragfähige Solidargemeinschaft

Ein weiterer wichtiger Wettbewerbsvorteil der genossenschaftlichen Bankengruppe ist es, eine in sich tragfähige Solidargemeinschaft zu bilden und aufgrund ihrer aggregierten Marktposition Skalenvorteile und Diversifikationseffekte erzielen zu können. Diese Kräfte gilt es zu stärken, ohne dabei die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Banken in Frage zu stellen.

Die vertikale Arbeitsteilung innerhalb des genossenschaftlichen Verbundes hat im Vergleich zu anderen Bankengruppen bereits ein effizientes Niveau erreicht. Zentral von den Verbundunternehmen zur Verfügung gestellte Leistungen, die sich durch einen hohen Fixkostenblock auszeichnen und gleichzeitig Grenzkosten von nahe null haben, sichern vertretbare Kostenstrukturen auf allen Verbundebenen. Beispiele sind die zwei noch vorhandenen Rechenzentralen, die Produktentwicklung im Fonds- und Zertifikatebereich oder auch Servicefabriken unter anderem für den Zahlungsverkehr.

Systematische Überprüfung der Aufstellung

Für die Vertriebspolitiken und den Marktauftritt sind die Primärbanken hingegen selbst zuständig. Um den vertrieblichen Herausforderungen wirksam begegnen zu können, muss die Geschäftspolitik jeder Primärgenossenschaft konsistent auf die Entwicklung des gesamten Bankensektors abgestimmt sein. Es wäre zu kurz gegriffen, sich auf das Kritisieren von tatsächlichen oder vermeintlichen Wettbewerbern zu beschränken. Für die BB-Bank bedeuten die herrschenden wettbewerblichen Rahmenbedingungen, dass die Verbesserung der bankindividuellen Ausgangslage eine Daueraufgabe ist; anders würde im Übrigen keine Bank dem Anspruch gerecht, für Mitglieder und Kunden ein attraktiver Partner rund um das Thema Finanzdienstleistungen zu bleiben.

Die BB-Bank hat daher ihre strategische Ausgangslage im letzten Jahr einer systematischen Überprüfung unterzogen. Dabei hat sich bestätigt, dass die Kunden mit dem Beratungs- und Serviceangebot des Hauses zufrieden sind. Allerdings wurde deutlich, dass der Name BB-Bank nicht unbedingt selbsterklärend ist, vor allem aber nicht automatisch mit der Historie einer Beamtenbank in Verbindung gebracht wird. Daher blieb auch die Neukundengewinnung insbesondere im öffentlichen Dienst hinter den Erwartungen zurück. Da aber die Margen aufgrund des wettbewerblichen Druckes branchenweit sinken und die Kosten gleichzeitig tendenziell eher wieder steigen als zumindest konstant zu bleiben, kann die Ertragskraft und damit der Erfolg einer Bank nur über ein qualifiziertes Neukundenwachstum und/oder eine verbesserte Ausschöpfung des bestehenden Kundenpotenziales sichergestellt werden.

Bewusste Betonung der emotionalen Bindung

Das Ergebnis der strategischen Analyse ist, dass die Bank an ihrer Positionierung als preiswerter Qualitätsanbieter von Finanzdienstleistungen für alle privaten Bankkunden in Deutschland festhält. Das Haus wird sich aber zukünftig auch wieder explizit den Beschäftigten im öffentlichen Sektor als bevorzugte Bank präsentieren und sich jetzt wieder mehr als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist dem Anspruch stellen, die Bank für Beamte und den öffentlichen Dienst zu sein. Ganz bewusst soll die emotionale Bindung zu dem Verständnis, nämlich Selbsthilfeeinrichtung für die Angehörigen des Öffentlichen Dienstes zu sein, wieder stärker betont werden.

In einer globalisierten Welt will die Bank ihren Kunden damit auch ein Stück Heimat geben, nicht zuletzt im genossenschaftlichen Finanzverbund. Hierzu wird die Bank zwar nicht zu ihrem historischen Namen "Beamtenbank" zurückkehren, allerdings wird sie ihre Herkunft gleichwohl durch einen erklärenden Kompetenzzusatz deutlich hervorheben. Während die Bank im allgemeinen Privatkundenmarkt mit dem Slogan "BBBank - So muss meine Bank sein" arbeitet, verwendet sie bei ihrem speziellen Marktauftritt im öffentlichen Sektor seit kurzem den Ausdruck "BBBank - die Bank für Beamte und den öffentlichen Dienst".

Mobiler Vertrieb für die Beschäftigten im öffentlichen Sektor

Diese beschriebene Zielgruppenfokussierung schlägt sich neben der soeben dargelegten Kommunikationspolitik auch in der Produkt- und Preispolitik nieder. Ein Beispiel hierfür ist das mit umfangreichen und attraktiven Leistungen ausgestattete kostenlose Bezügekonto, das die Bank exklusiv den Beschäftigten im öffentlichen Sektor anbietet. Die Zielgruppenfokussierung hat zudem Auswirkungen auf die Vertriebsstrategie und regionale Präsenz der Bank. Durch einen mobilen Vertrieb speziell für die Beschäftigten im öffentlichen Sektor will die Bank, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen, die zielgruppengerechte Beratung und Bedienung auch für Kunden sicherstellen, die außerhalb des Einzugsgebietes des bestehenden Filialnetzes wohnen beziehungsweise das Bankhaus während der normalen Öffnungszeiten nicht besuchen können.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass innerhalb der genossenschaftlichen Bankengruppe unterschiedliche Geschäftsmodelle beheimatet sind, die jedoch alle berufsständische Wurzeln haben und deren Legitimation daher aus der Gruppe selbst heraus nicht angezweifelt werden sollte. Für alle Genossenschaftsbanken gilt, dass eine eindeutige und konsequente Zielgruppenausrichtung eine notwendige Voraussetzung dafür ist, die Prozesse und Strukturen so zu gestalten, dass innerbetriebliche Reibungsverluste minimiert und die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Vertriebsleistung optimiert werden.

Abweichende Konditionsgestaltung

Dabei legt jede Primärbank ihre Strategie unter Berücksichtigung ihrer historischen Wurzeln und des genossenschaftlichen Förderauftrages selbst fest, und deswegen ist es auch völlig normal, dass es so zum Teil zu deutlich voneinander abweichenden Konditionsgestaltungen bei der Produkt- und Dienstleistungspalette einzelner Banken kommt, je nach dem auf welche Art und Weise auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse eingegangen wird.

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