MIPIM Special

Gewerbeimmobilie im Wandel - Faktoren und Eigenschaften aus Sicht eines Immobilienfinanzierers

Das Umfeld der Immobilienfinanzierer war in den letzten Jahren deutlichen Änderungen unterworfen. Auf den Immobilienmärkten wechselten sich Boom-Jahre mit einer rezessiven Phase ab, worauf in den letzten beiden Jahren eine Periode der Stabilisierung und Erholung folgte. Technische Neuerungen, ein wachsendes Umweltbewusstsein und demografische Trends verändern das

Umfeld ebenfalls deutlich. Hinzu kommt die Beachtung der jeweils unterschiedlichen Entwicklungen dieser Trends in den verschiedenen Weltregionen.

Immobilienfinanzierer müssen diesen permanenten Wandel bei der Kreditvergabe berücksichtigen und ihre Geschäftsstrategie danach ausrichten. Nur so erreichen sie eine hohe Qualität ihres Immobilienfinanzierungsportfolios und als Folge daraus einen nachhaltigen geschäftlichen Erfolg. Im Mittelpunkt steht die Frage nach dem Einfluss der Veränderungen des Umfelds auf die Einschätzung von Sicherheiten durch Immobilienfinanzierer. Bleibt die Beurteilung von Immobilien für Banken davon weitgehend unberührt oder verändert sie sich dadurch?

Häufig wird postuliert, es gäbe nur drei Faktoren, die für eine Immobilie entscheidend seien, nämlich "Lage, Lage und Lage". Schließlich sei dies das einzige Merkmal, dass man nicht verändern könne. Natürlich ist es unbestreitbar, dass der Lage eine hohe Bedeutung zukommt. Beispielsweise ist das Passantenaufkommen nur ein wenig abseits der Hauptfußgängerzone deutlich niedriger, wodurch der Wert einer Einzelhandelsimmobilie in erheblichem Umfang beeinflusst wird.

Andere Faktoren mögen zwar veränderbar sein, jedoch nur eingeschränkt und mit hohem Zeit- und Kosteneinsatz. Die für die Einschätzung einer Immobilie bedeutenden Determinanten sind in die drei Gruppen objektspezifische Eigenschaften, Vermietungssituation sowie Wirtschafts- und Marktumfeld einzuteilen.

Objektspezifische Eigenschaften

Zu den objektspezifischen Eigenschaften zählen neben der Lage insbesondere

- die Bauqualität und der Objektzustand,

- die Modernität der Immobilie und deren technische Ausstattung,

- die Flächen- und Energieeffizienz sowie Flexibilität,

- die Drittverwendungsfähigkeit.

Je besser die Ausprägung dieser Eigenschaften, desto mehr potenzielle Nutzer und Investoren wird es für die Immobilie geben, was der Drittverwendungsfähigkeit zugute kommt. Einerseits haben einige dieser Kriterien einen dauerhaften Charakter. So sind eine gute Bauqualität und Ausstattung von Immobilien bei deren Beurteilung stets von hoher Bedeutung. Andererseits können sich diese Faktoren über die Jahre aufgrund technischen Fortschritts, aber auch vor allem bei der Ausstattung aus modischen oder ästhetischen Aspekten stark verändern.

Beispielsweise müssen Bürogebäude heutzutage aufgrund des Fortschritts in der Datenverarbeitungs- und Kommunikationstechnik eine hohe Anzahl von Anschlüssen sowie umfangreiche Möglichkeiten zur Kabelführung bieten. Auch eine flexibler werdende Arbeitswelt schlägt sich in der Gestaltung von Büroflächen nieder. Die Räumlichkeiten müssen flexibel aufteilbar sein. Gemeinschaftsflächen, die nicht produktiv genutzt werden können, stellen eine dauerhafte Belastung des Cash-Flow und damit der Wertentwicklung dar.

Ein gewachsenes Umwelt- und Klimaschutzbewusstsein hat dazu geführt, dass das Thema "Green Building" in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Zudem sorgten spürbar gestiegene Energiepreise dafür, dass die Energieeffizienz mittlerweile eine hohe Beachtung findet und entsprechend effiziente Immobilien von Nutzern verstärkt nachgefragt werden. Auch die Gesetzgebung trägt hierzu bei.

Beispielsweise hat Großbritannien in dem Energy Act 2011 geregelt, dass ab April 2018 für die private Vermietung bei Wohnimmobilien und Geschäftsräumen mindestens die Energieeffizienzklasse E vorgeschrieben ist. Gemäß dem Department of Energy & Climate Change hatten 2011 rund 18 Prozent der registrierten Nicht-Wohnimmobilien in Großbritannien eine Energieeffizienzklasse schlechter als E. Vor dem Hintergrund der Attraktivität von Immobilien mit guten Umwelt- und Energiestandards und rechtlicher Vorgaben hierzu ist es für den Investor und die finanzierende Bank unabdingbar geworden, diese Themen bei ihrer Beurteilung zu berücksichtigen.

Ebenfalls eine hohe Bedeutung kommt der Drittverwendungsfähigkeit der Immobilie zu. Hätte die Gewerbeimmobilie keine Drittverwendungsfähigkeit, wären der Investor und die finanzierende Bank letztlich von dem Nutzer der Immobilie abhängig. Die Immobilie hätte keinen von ihm unabhängigen Wert. Aus Sicht der Bank würde es sich ohne Drittverwendungsfähigkeit letztlich um die Finanzierung des nutzenden Unternehmens und damit um einen Unternehmenskredit und nicht um eine Immobilienfinanzierung handeln.

Vermietungssituation

Die hier diskutierten objektspezifischen Eigenschaften stellen eine Grundlage für die Vermietbarkeit und damit auch für die zweite Gruppe der wesentlichen Beurteilungsfaktoren, nämlich der Vermietungssituation dar. Hierzu gehören insbesondere

- der Vermietungs- beziehungsweise Leerstand,

- die Mietpreise, inklusive eventueller Mieteranreize (zum Beispiel mietfreie Zeiten),

- die Laufzeit der Mietverträge, einschließlich der Kündigungsrechte,

- die Bonität der Mieter und

- der Mietermix.

Bei diesen Faktoren geht es letztendlich um die Frage, ob die Immobilie einen stabilen, auskömmlichen Cash-Flow generiert. Was aber ist vorzuziehen, gute objektspezifische Eigenschaften als Grundlage einer guten Vermietbarkeit oder eine gute gegebene Vermietungssituation? Letztlich kann man beide Faktoren nicht losgelöst voneinander betrachten. Ein Mietvertrag mit einem solventen Mieter und einigen Jahren Restlaufzeit ist zwar attraktiv. Es stellt sich jedoch die Frage, was mit dem Objekt nach Ablauf des Mietvertrags geschieht, wenn es technisch veraltet oder in einer nicht gesuchten Nebenlage liegt. Mögliche Maßnahmen könnten Mietauszug oder Mietrabatt sein, um den Mieter zu halten, oder eine umfangreiche Modernisierung. Gute Voraussetzungen für die Vermietung in Form von guten objektspezifischen Eigenschaften sind damit unerlässlich. Eine Immobilie muss aber auch gut vermarktet werden, um den gewünschten Mietstand zu erreichen. Zudem ist ein professionelles Objektmanagement wichtig, das die Attraktivität einer Immobilie für die Mieter im Zeitverlauf hoch hält.

Bei der Beurteilung der Vermietungssituation sind auch länderspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Das gilt vor allem für international aufgestellte Immobilienfinanzierer. So liegt beispielsweise die landesübliche Mietvertragsdauer für Büroflächen in China bei zwei bis drei Jahren, in Deutschland bei fünf bis zehn Jahren. Besonders lang ist diese hingegen in Großbritannien mit zehn bis 20 Jahren. In Frankreich beträgt die Mietdauer neun Jahre, jedoch bestehen hier gesetzliche Kündigungsrechte für den Mieter nach drei und sechs Jahren.

Die aktuelle Vermietungssituation ist für die Beurteilung einer Immobilie zwar von grundlegender Bedeutung, jedoch kann deren Gewichtung variieren. Etwas weniger Gewicht dürfte dem jeweils aktuellen Vermietungsstand in einer konjunkturellen Aufschwungphase zukommen, weil es in dieser leichter ist, einen Mieter zu finden und bei Neuvermietungen Mieterhöhungen vorzunehmen. Dies macht deutlich, dass auch die Entwicklung der Wirtschaft und des Marktumfelds für die Immobilienbeurteilung wesentlich ist.

Wirtschafts- und Marktumfeld

Zu den makroökonomischen Einflussfaktoren zählen insbesondere

- die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (zum Beispiel gemessen am Bruttoinlandsprodukt),

- die Arbeitsmarktsituation und -entwicklung,

- das Zinsniveau und seine Entwicklung und

- die demografische Entwicklung.

Ein Wirtschaftsaufschwung und eine steigende Beschäftigtenzahl wirken auf die Miet- und Wertentwicklung von Immobilien positiv. Währenddessen belastet ein steigendes Zinsniveau die Marktwerte, da zum einen die Finanzierungskosten steigen und zum anderen Investoren als Folge höherer Zinserträge bei anderen Assetklassen auch ihre Renditeanforderungen für Immobilien heraufsetzen. Zinssenkungen wirken umgekehrt positiv auf den Immobilienwert.

Langfristig ist auch die demografische Entwicklung von Bedeutung, da sie Einfluss auf die Nachfrage nach Immobilien hat. Das gegenwärtige sowie künftige Angebot (mitbestimmt durch die aktuelle Bautätigkeit) und die Nachfrage in dem jeweiligen Markt sind als miet- und preisbestimmende Faktoren ebenfalls zu benennen.

Analyse des Kunden

Aus Sicht der Bank sind bei der Immobilienfinanzierung aber nicht nur die Aspekte rund um die Immobilie und das Wirtschafts- und Marktumfeld, sondern ganz besonders der Kunde von herausragender Wichtigkeit.

Langjährige, auf Vertrauen aufbauende Kundenbeziehungen sind für das Geschäftsmodell einer Immobilienbank bedeutsam. Bei der Analyse des Kunden stehen sein immobilienspezifisches Know-how und Erfahrungen sowie seine Bonität im Zentrum.

Bei der Strukturierung von Finanzierungen werden verschiedene Finanzkennziffern diskutiert, insbesondere

- der Loan-to-Value (LTV, Verhältnis des Kredits zum Marktwert),

- die Interest Cover Ratio (ICR, Zinsdeckungsquote: Verhältnis des nachhaltigen Immobilien-Nettoeinkommens zu Kreditzinsen),

- die Kapitaldienstfähigkeit (Verhältnis des nachhaltigen Immobilien-Nettoeinkommens zum Kreditbetrag).

Im Verlauf der Wirtschafts- und Finanzmarktkrise 2008/2009 verschärften die Banken ihre Kreditbedingungen und die von den Banken maximal akzeptierten LTV sanken. In der Folgezeit stabilisierten sich die Anforderungen. Dementsprechend hat sich der Eigenkapitaleinsatz der Investoren erhöht. Für Banken stellt sich oftmals die Frage, ob sie einer Einzelfinanzierung oder einer Portfoliofinanzierung den Vorrang geben. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich viele Banken, aber auch Investoren bei der Portfoliofinanzierung zurückgehalten. Vergleicht man zwei Finanzierungen, die hinsichtlich der Parameter wie LTV oder Kreditbetrag gleich sind, so weist die Portfoliofinanzierung einige Vorteile auf.

Finanzierung von Einzelobjekten versus Portfolios

Vorteile liegen hier in der Diversifikation, da man in einer Finanzierung verschiedene Objekte an unterschiedlichen Standorten finanziert sowie in der Glättung der Mietvertragsausläufe und der Querhaftung der Objekte. Für die deutschen Immobilienfinanzierer ist darüber hinaus die Pfandbrieffähigkeit einer Finanzierung von großer Bedeutung, wurde der Pfandbrief doch auch in der Finanz- und Wirtschaftskrise von den Investoren nachgefragt.

Die Beurteilung von Immobilien und deren Finanzierung ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Viele von ihnen haben bei der Immobilienkreditvergabe langfristig Bestand. Lage und Vermietungssituation beispielsweise werden sicherlich stets für die Einschätzung einer Gewerbeimmobilie eine bedeutende Rolle spielen.

Bei verschiedenen Faktoren wie der Bauqualität oder Ausstattung wandeln sich deren Beurteilungskriterien aufgrund von technischem Fortschritt, Anspruch und Geschmack über die Zeit. Auch die Gewichtung von Faktoren oder die akzeptierte Höhe von Finanzierungskennzahlen verändern sich im Zeitverlauf unter sich wandelnden Rahmenbedingungen. Neben den Aspekten rund um die Immobilie und das Wirtschafts- und Marktumfeld darf die Bedeutung des Kunden nicht vergessen werden.

Beste Voraussetzung ist eine langjährige, auf Vertrauen aufbauende Kundenbeziehung, die ebenfalls den Wandel und neue Entwicklungen in den gemeinsamen Umgang einbezieht.

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