Im Blickfeld

Gastronomie als neuer Anker

Die Deutschen sind nicht unbedingt als große Gourmets bekannt. In Frankreich oder Italien beispielsweise geben die Menschen mehr Geld fürs Essen aus. Sie schätzen eine gute Mahlzeit - zumindest lassen sie sich eine gute Mahlzeit mehr kosten. Dennoch hat gutes Essen in gemütlicher Atmosphäre auch in Deutschland Zukunft und für Shoppingcenter-Betreiber sogar eine große Zukunft. Denn speziell designte Bereiche, in denen die Besucher eines Centers zum Essen verweilen können, werden künftig deutlich mehr in den Blickpunkt rücken.

Das hat mehrere Gründe. Einer ist beispielsweise der demografische Wandel. Die Zahl der Single-Haushalte wächst. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass die Menschen vereinsamen - vielmehr treffen sie sich weiterhin, möglicherweise sogar häufiger als früher. Hier kann eine ansprechend gestaltete Food Area in einem Shoppingcenter eine Option darstellen. Dafür braucht es allerdings ein besonderes Wohlfühlambiete. Die bisherige Centerlandschaft in Deutschland wartet hier eher mit Kantinenfeeling als mit einem ansprechenden Ambiente auf.

Gefragt ist ein ganzheitlicher Ansatz: Sieht das Lichtkonzept natürliches Licht, Kunstlicht oder beides vor? Die Bestuhlung muss für unterschiedliche Zielgruppen gewählt werden, denn Familien mit Kindern brauchen andere Sitzgelegenheiten als Manager, die sich zum Business-Lunch treffen. Die gewählten Materialien sollten anspruchsvoll und ansprechend, aber dennoch pflegeleicht sein. In jedem Fall muss der Anspruch nicht nur hoch sein, sondern auch in die Breite gehen. Nur wenn die Food Area insgesamt ein Erlebnis darstellt, eine Erfahrung vermittelt, zu der auch das Gesamtdesign beiträgt, wird der Gast den Raum als Lieblingstreffpunkt in Erwägung ziehen.

Ein weiterer Grund, den Fokus künftig stärker auf Food Courts zu legen, ist das Essen an sich. In Zeiten des Internets und des Einkaufens per Mausklick muss das physische Einkaufen dort Akzente setzen, wo das Internet keine Konkurrenz darstellt. Und das ist eben Nahrung. Ein Mittagessen kann man nicht downloaden. Zumindest ist dies kein Modell, das mit dem Download eines MP3-Songs oder dem Buchkauf im Internet vergleichbar ist.

Die Verpflegung im Center darf dabei aber nicht als bloße Ware gesehen werden, die zum Verkauf steht. Analog zum Ambiente muss vielmehr auch das Essenangebot seinen Teil dazu beitragen, dass der Aufenthalt zu einem Erlebnis wird, das im Gedächtnis bleibt. Das heißt: gute, frische Zutaten, schnell zubereitet, und dennoch nicht zu teuer. Das Angebot sollte abwechslungsreich sein. Hieraus folgt, dass Centerbetreiber auch Gastronomen abseits der "üblichen Verdächtigen" eine Chance geben sollten. Oft gibt es lokale Player, kleine Szene-Restaurants, die es vor Ort zu einiger Berühmtheit geschafft haben. Warum nicht die Inhaber ansprechen und vorschlagen, einen Ableger im Center zu eröffnen?

Hier muss teilweise unkonventioneller gedacht werden, als dies bislang oft der Fall ist. Nur auf solche Gastronomen zu setzen, die ohnehin auf Center spezialisiert sind, führt zu einem langweiligen, weil immer gleichen Essensangebot. Centerbetreiber legen bei der richtigen Mischung der Geschäfte hohe Maßstäbe an, während die Messlatte beim Mix der Gastronomen bislang niedriger liegt. Das sollte sich ändern.

Die hier dargestellten Punkte stellen nur einen kleinen Ausschnitt der Herausforderungen, aber auch Chancen dar, die sich für Gastronomie im Shoppingcenter künftig bieten werden. Ein weiterer Aspekt: Neben Ambiente und Angebot spielt natürlich auch die Lage im Center eine wichtige Rolle. Noch werden die Food Courts oft als "Restflächen" gesehen, die anders nicht vermietet werden können. Sollte ihnen nicht vielmehr Raum gegeben werden, zu dem die Menschen strömen? Insgesamt gilt: Bislang liegt der Schwerpunkt vieler Shoppingcenter nicht auf einer attraktiven Food Area, sondern eher auf einem attraktiven Textilangebot. Attraktive Food Areas könnten allerdings zukünftig einen weiteren Besuchermagneten darstellen. Das gastronomische Angebot sollte nicht mehr nur Beiwerk im Shoppingcenter, sondern ein neuer Schwerpunkt sein.

Johan Bergenthal, Head of Leasing, Corio Deutschland GmbH, Duisburg

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