Im Blickfeld

Von Freundsparern zu "Feind"-Sparern

Einst nannte man sie "Freundsparer", weil sie fleißig ihren Bausparvertrag besparten, aber nach Erreichen der Zuteilungsreife das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nahmen, sondern weitersparten. In Zeiten steigender Zinsen sind diese Kunden den Bausparkassen besonders lieb. In Zeiten langanhaltend fallender Zinsen fällt auch der Liebreiz, dann sind diese Kunden doch vor allem teuer. Wurden die Darlehensverzichter in der Vergangenheit noch mit den sogenannten Renditetarifen und Zinsboni gelockt, hätte man sie jetzt gerne wieder raus aus den Kollektiven. Denn für ihre eigenen Anlagen bekommen die Bausparkassen zu wenig, um sich die hochverzinsten Policen weiter leisten zu können oder zu wollen. Wüstenrot hat gerade 15 000 Bausparverträge gekündigt.

Damit sind die Ludwigsburger nicht allein. Bereits im Jahr 2008 hatte das BHW in den achtziger Jahren abgeschlossene und hochverzinste Altverträge einseitig gekündigt. Von der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg wurden alle übersparten Verträge gekündigt. Das waren über alle Tarifvarianten - also nicht nur die sogenannten Renditetarife - hinweg insgesamt rund 5 600 Kontrakte, davon 4 583 Policen bereits im Jahr 2012. Andere Bausparkassen verfahren ähnlich oder überlegen noch, wie sie die kostspieligen Altverträge aus dem Bestand bekommen. Gemessen am Bestand der nicht zugeteilten Verträge handelt es sich jedoch nur um einen relativ kleinen Anteil. Bei der LBS Schleswig-Holstein-Hamburg waren es im vergangenen Jahr 1,2 Prozent und in diesem Jahr 0,3 Prozent. Bei Wüstenrot sind es unter Zugrundelegung der 3,1 Millionen nicht zugeteilten Verträge zum Jahresende 2012 lediglich 0,49 Prozent.

Juristisch scheint es nach mehreren Urteilen so zu sein, dass die Bausparkassen vollbesparte oder übersparte Verträge mit einer Frist von drei Monaten kündigen dürfen. Denn, so heißt es aus dem Verband der Privaten Bausparkassen, Bausparen ist Zwecksparen, um einen Darlehensanspruch zu erwerben. Bei einem bis zur Bausparsumme oder darüber hinaus besparten Vertrag, kann jedoch kein Bauspardarlehen mehr gewährt werden, weil Guthaben und Darlehen zusammen die vereinbarte Bausparsumme nicht übersteigen dürfen. Vom Oberlandesgericht Koblenz sowie den Landesgerichten Stuttgart und Hannover sind deshalb die Vertragskündigungen durch die Bausparkassen bestätigt worden.

Dennoch sind die Kündigungen für die Institute heikel, weil sie fast unweigerlich einen Imageschaden verursachen, der jahrelang den Vertrieb belasten kann. Denn das Vorgehen zerstört Vertrauen, wenn aus ehemals hoch willkommenen nunmehr unliebsame Kunden werden.

Klar ist, dass es den Bausparkassen nach einem Jahrzehnt sinkender Zinsen schwerer fällt, von der Zinsdifferenz zwischen Kollektivguthaben und Kapitalanlage zu leben. Letztlich muss auch jedem Kollektivmitglied daran gelegen sein, dass seine Bausparkasse - also im Kern sein Bausparkollektiv - wirtschaftlich gesund bleibt. Hierfür bedarf es aber offensichtlich noch mehr Aufklärungsarbeit für den Bauspargedanken und die Idee der Solidargemeinschaft - bei den Vertrieben und bei den Kunden. Dass Bausparen von den Kassen wieder eindeutig als Finanzierungsprodukt und eben nicht als Kapitalanlage angeboten wird, ist deshalb richtig.

Rechtlichen Klärungsbedarf scheint es dagegen hinsichtlich der Zulässigkeit der sogenannten "Spargeldabwehr" zu geben. Dabei werden Spargelder zurückgewiesen, wenn nach Erreichen des für eine Zuteilung erforderlichen Mindestsparguthabens mehr als 1050 Euro pro Kalenderjahr auf den Bausparvertrag eingezahlt werden. Genau diesen Betrag brauchte es, um Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage in maximaler Höhe in Anspruch zu nehmen. Wüstenrot war so bei den Tarifen A, 1 und 7 verfahren, hat die Praxis aber bis zur endgültigen rechtlichen Klärung ausgesetzt. Dabei gelten diese Einzahlungsbeschränkungen durchaus als branchenüblich. Auch die Aufsicht hat diese Eingriffe in die Tarife offensichtlich bisher mit dem Verweis auf den Schutz der Kollektive gebilligt.

Doch es sind nicht nur die Bausparkassen, die von ihren Produkten "aus einer anderen Zeit" eingeholt werden. Bekannt geworden ist jüngst der Fall der Sparkasse Ulm, die offensichtlich ihre Kunden aus dem Produkt "Vorsorgesparen Scala" herauszuberaten, das einen Bonuszins von 3,5 Prozent bietet. Dabei werde nach Aussage der Kanzlei Trewius mit einseitiger Vertragskündigung gedroht, um, so vermuten die Verbraucherschützer, mit einem "Versuchsballon" die Kundenreaktion zu testen. Man darf aber annehmen, dass die Betroffenen ähnlich unerfreut reagieren wie die gekündigten Bausparer. L.H.

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