Leitartikel

Falsche Signale

Der Aufschrei ist gewaltig. In seltener Einmütigkeit empört sich die deutsche Wohnungswirtschaft über die ersten Eckpunkte in den Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD für eine neue Bundesregierung. Vor allem die geplanten Maßnahmen zur "Entspannung" auf den Mietwohnungsmärkten treffen schon jetzt auf massive Gegenwehr der Vermieter. Speziell die vorgesehene "Mietpreisbremse", nach der Bestandswohnungsmieten künftig höchstens um 15 Prozent in vier statt in drei Jahren steigen dürfen und die Miete bei Neuvermietung höchsten zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, bringt die Branche auf die Palme. "Enteignung durch Mietpreisbremse" schimpft beispielsweise Haus & Grund. "Der Wohnungsbau wird kaputt gemacht", klagt die Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Immobilienverbände und auch der GdW warnt: "Mietpreisbremse verhindert Neubau". Etwas zahmer formuliert es der ZIA: "Bauen ist besser als regulieren". Frohlocken kann einzig der Deutsche Mieterbund, der seine Forderungen weitgehend berücksichtigt sieht.

Die Wohnungswirtschaft echauffiert sich zu Recht. Denn was bei den Gesprächen für eine künftige Regierungsbildung in Sachen Wohnungsmarktpolitik formuliert wurde, ist problematisch und kann durchaus den relativ ausgewogenen deutschen Wohnungsmarkt nachhaltig stören und zu Schieflagen und Verzerrungen führen. Zwar war man sich in der Koalitionsarbeitsgruppe "Verkehr, Bau und Infrastruktur" scheinbar sehr schnell einig, die Mietpreiserhöhungen deckeln zu wollen, doch konnte man nicht die Augen davor verschließen, dass damit eine Investitionsbremse geschaffen wird. Aber statt das Vorhaben dann fallen zu lassen, sollen vermeintliche Kompensationen geschaffen werden. Geplant ist, die steuerliche Abschreibung (AfA) für Immobilien von derzeit zwei auf voraussichtlich vier Prozent anzuheben und auch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für energetische Modernisierungsmaßnahmen - wie vom ZIA gefordert - könnten kommen. Während also an einer Stelle gebremst werden soll, will die künftige Koalition an anderer Stelle aufs Gas treten. Den Wohnungsmarkt wird das nicht voranbringen, aber den Steuerzahler viel Geld kosten.

Fraglich ist, ob der Wohnungsmarkt überhaupt eine Mietpreisbremse braucht. Erst seit 2010 steigen die Wohnungspreise und Mieten in Deutschland wieder stärker als die Inflationsrate, nachdem sie aber etwa ein Jahrzehnt lang deutlich unterhalb der allgemeinen Preisentwicklung geblieben waren. Zwar konstatiert die Deutsche Bundesbank, dass in einigen lokalen Märkten von einer Überbewertung im Vergleich zu den demografischen und wirtschaftlichen Perspektiven vor Ort von bis zu 20 Prozent vorliegen, doch trifft das nur auf ausgewählte Lagen in den gefragten Groß- und Mittelstädten zu. Der weit überwiegende Teil des deutschen Wohnungsmarktes dürfte tendenziell das Problem zu geringer und einer tendenziell weiter sinkenden Nachfrage haben. So registrieren zwar die deutschen Universitäts- und Millionenstädte eine hohe Zuwanderung, diese geht jedoch zulasten anderer Städte und Gemeinden, in denen die Wohnungsleerstände zunehmen. Im Großteil der Kommunen geht es also eher um eine attraktive Gestaltung der Innenstädte und einer Anpassung der Infrastruktur.

Dass sich die Wohnsituation in den gefragten Groß- und Mittelstädten verschärft, hat jedoch Gründe, für die weder Steueranreize noch eine Mietpreisbremse geeignete Lösungen darstellen. Da sind zum einen die Zunahme der Single-Haushalte und zum anderen die wachsenden Wohnansprüche zu nennen. So stieg der durchschnittliche Wohnflächenkonsum pro Kopf zwischen 1991 und 2011 von 34,9 auf 43,0 Quadratmeter. Außerdem fehlt es oft an Bauland und nicht selten bremst die kommunale Verwaltungspraxis den Neubau aus. Hinzu kommt, dass ein wesentlicher Teil des Preisanstiegs für Wohnungen derzeit durch Kapitalanleger getrieben ist. Diese suchen neben Sicherheit angesichts einer noch immer nicht ausgestandenen Eurokrise auch nach wenigstens halbwegs rentierlichen Investitionsmöglichkeiten. Dabei geraten jedoch die ohnehin schon relativ niedrigen Anfangsrenditen deutscher Wohnungen weiter unter Druck. Selbst bei wohlwollender und langfristiger Kalkulation gelten Verzinsungen von unter vier Prozent als wirtschaftlich nicht nachhaltig. Will der Investor also kein Geld verlieren, führt an Mietsteigerungen kein Weg vorbei. Dass die Politik an dieser Stelle regulierend eingreifen will, ist verständlich. Doch wird hier nur an Symptomen herumgedoktert, während ein entscheidender Ursprung des Übels die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist, mit der den Eurostaaten, also auch Deutschland, bei der Haushaltskonsolidierung und Entschuldung geholfen werden soll. Deshalb ist die jüngste Zinssenkung der EZB um 25 Basispunkte auf den historischen Tiefstand von 0,25 Prozent ein schlechtes Signal für den deutschen Wohnungsmarkt.

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