Schwerpunkt: Bewertungsfragen

Fair Value - quo vadis?

Das Bewertungskonzept nach IAS 40 soll den aktuellen Markt widerspiegeln. Volatile Märkte führen zu volatilen Periodenergebnissen. Dies ist nicht überraschend. Das Unbehagen setzt ein, wenn nicht transparent gemacht wird, anhand welcher Prämissen und mit welchen Methoden der Marktwert ermittelt wird. Es ist keine Frage, dass die mit jeder Bewertung verbundene Prognoseunsicherheit gerade auch aus subjektiver Sicht das Unbehagen noch verstärkt. Nur wenn nachvollziehbar vermittelt werden kann, dass die Ermittlung des Fair Value willkürfrei erfolgt, ist es möglich, das erforderliche Vertrauen in die Rechnungslegung von börsennotierten Im-mobilien-Aktiengesellschaften zu erhöhen.

Seit Januar 2005 müssen börsennotierte Unternehmen ihren Konzernabschluss nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) aufstellen. Zu den wichtigsten, aber auch kontroversesten Neuerungen gehört dabei die Fair-Va-lue-Bewertung von Finanztiteln und Immobilien. Grundgedanke der Fair-Value-Bilanzierung ist es, nicht - wie nach HGB - mit einer vorsichtigen Bewertung der Vermögensgegenstände die Gläubiger zu schützen, sondern für die Anteilseigner und Investoren ein realistisches, an den aktuellen Marktwerten orientiertes Abbild der Vermögenswerte zu zeichnen.

Berechtigte Methodenkritik?

In letzter Zeit ist die Fair-Value-Bewertung von Immobilien jedoch von verschiedenen Seiten in die Kritik geraten. Die Erwartungen von Investoren und Analysten an die Periodenergebnisse von börsennotierten Immobilien-Aktiengesellschaften werden nicht erfüllt. Insbesondere beim Vergleich mit den Vorjahresergebnissen ist festzustellen, dass im laufenden Geschäftsjahr mit dem Wertzuwachs der Immobilien eine wesentliche "Ertragskomponente" weggefallen ist. Zum besseren Verständnis der Wirkungsweise von Wertveränderungen auf die Bilanzierung sei in Erinnerung gerufen, dass Wertveränderungen sich sofort im Periodenergebnis niederschlagen. Dabei kann es sich sowohl um Wertsteigerungen als auch um Wertminderungen handeln - Märkte sind keine Einbahnstraße!

Aktuell sind die Erwartungen an den Immobilienmarkt in Deutschland deutlich abgeschwächt. Dies hat unmittelbar zur Folge, dass der Wert von Immobilien tangiert wird. Bei unverändert stabilem Vermietungsgeschäft treten die Prognosen des Managements dennoch nicht ein, da Werterhöhungen nicht realisierbar sind. Einer kritischen Betrachtung bedarf die Entwicklung der Werte im Hinblick auf erforderliche ergebniswirksame Abwertungen. Aktuell tauchte mitunter die Forderung auf, beim alten Cost-Modell zu verbleiben, da hier objektivierbare fortgeführte Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten die Grundlage bilden und die Klarheit des Modells kaum infrage gestellt wird.

Die auf die Bilanzierung von als Finanzinvestitionen gehaltenen Immobilien beispielsweise Vermietvermögen nach IAS 40 anzuwendenden IFRS- Regelungen haben ihren Ursprung bei der Bewertung von Finanzinstrumenten. Die IFRS-Regel IAS 39 schreibt vor, dass Finanzinstrumente, die sich im Handelsbestand eines Unternehmens befinden, mit dem beizulegenden Zeitwert zu bilanzieren sind. IAS 39.48A gibt eine fünfstufige Bewertungshierarchie vor. Auf den ersten beiden Stufen werden vergleichbare Marktpreise auf aktiven und homogenen Märkten zugrunde gelegt. Sind derlei Vergleichsdaten nicht verfügbar, werden auf Stufe drei und vier die Preise vergleichbarer Transaktionen oder Produkte herangezogen. In einem letzten Schritt kann die Bewertung anhand von anerkannten Modellen wie dem Discounted-Cash-flow-Verfahren (DCF) erfolgen.

Bilanzierung von Investment Properties

Mit der IAS-40-Regelung wurde die Fair-Value-Bilanzierung über die Bewertung von reinen Finanzinstrumenten auf "als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien" ausgedehnt. Es wurde zu Recht argumentiert, dass auch langfristig vermietete Immobilien Renditeobjekte darstellen, da mit ihnen über die Mieteinnahmen ständige Cash-Flows erwirtschaftet werden sollen. Im Sinne der International Accounting Standards (IAS) gelten sie somit als zu Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien, sogenannte Investment Properties, die als den Finanzanlagen ähnlich angesehen werden. Mit Anwendung der IAS-40-Regelung unterscheidet sich ein IFRS-Abschluss damit von einem HGB-Abschluss, indem auf Investment Properties keine gesonderten Ausweis-, Bewertungs- und Angabepflichten anzuwenden sind.

IAS 40 eröffnet Unternehmen allerdings auch ein Wahlrecht - nämlich, die als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien entweder nach dem alten Cost-Modell, mit den um Abschreibungen verminderten Anschaffungs- beziehungsweise Herstellungskosten, oder dem Fair Value zu bilanzieren (IAS 40.30). Mit der Wahl einer dieser beiden Alternativen ergeben sich aber unterschiedliche gravierende Auswirkungen auf die Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung. Zum einen sind die Wertänderungen der Periode sofort ergebniswirksam in der Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (IAS 40.35), zum anderen können planmäßige und außerplanmäßige Abschreibungen auf die Immobilie nicht mehr vorgenommen werden.

Ermittlung des Fair Value

Der beizulegende Zeitwert einer Immobilie, der Fair Value, ist der Betrag, zu dem das Objekt zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnte (IAS 40.36) - also der realistische Marktwert. Auch für die Immobilienbewertung ist die festgelegte Bewertungshierarchie wie bei den Finanzinstrumenten anzuwenden.

Bei Immobilien nach IAS 40, die bei Immobilienunternehmen in der Praxis die größte Rolle spielen, sind zunächst aktuelle Preise auf aktiven Märkten heranzuziehen. Bei Immobilien existieren aber in der Regel keine aktiven Märkte, da sie die Voraussetzung des Vorliegens homogener Güter nicht erfüllen. Deshalb sind auf einer zweiten Stufe modifizierte Marktpreise für Immobilien abweichender Art, anderen Zustands oder Standorts, die gegebenenfalls auch bereits vor einiger Zeit veräußert wurden, sowie Barwertverfahren heranzuziehen. Das ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass die Zahl der Marktteilnehmer im Vergleich zu den Finanzmärkten gering ist und in vielen Fällen keine näheren Informationen über vergleichbare Immobilientransaktionen veröffentlicht sind.

Blickt man auf die gegenwärtigen Abschlüsse der im Deutschen Immobilien Index (Dimax) zusammengefassten Immobilienunternehmen, so zeigt sich, dass die Anwendung von Bewertungsmodellen der Regelfall für die Fair-Value-Bewertung nach IAS 40 ist. Im Rahmen von DCF-Verfahren werden die zukünftigen Mieterträge aus gegenwärtigen sowie aus prognostizierten Mietverhältnissen und die zukünftigen Mittelabflüsse abgezinst (IAS 40.46C).

In der Praxis wird die Ermittlung der Fair Values aufgrund der Vielzahl der relevanten Parameter sowie aus Objektivierungsgründen durch einen externen Gutachter durchgeführt. Im Rahmen der gesetzlichen Jahresabschlussprüfung werden die bilanzierten Werte einer kritischen Kontrolle durch den Wirtschaftsprüfer - insbesondere auf Willkürfreiheit unterzogen.

Praktische Bedeutung und Auswirkung von Fair Values

Eine Analyse von (ausgewählten) Di-max-Unternehmensabschlüssen des Geschäftsjahres 2007 durch Deloitte offenbart eine Reihe von praktischen Herausforderungen. Sie zeigt, dass das Modell des beizulegenden Zeitwerts im Gegensatz zum Anschaffungskostenmodell bei der Folgebewertung der Investment Properties weit verbreitet ist: Rund neunzig Prozent der untersuchten Immobilienunternehmen nutzen bei der Bewertung ihrer Investment Properties das Modell des beizulegenden Zeitwerts an. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle werden zur Bewertung nicht die Marktpreise verwendet, sondern es werden Bewertungsverfahren wie das DCF-Modell beziehungsweise das Ertragswertverfahren angewandt. In der Gewinn- und Verlustrechnung der betroffenen Unternehmen nimmt das Ergebnis der Änderung des beizulegenden Zeitwertes der als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien einen erheblichen Anteil am Jahresergebnis ein. Diese Ergebniskomponente ist im Einzelfall sogar um ein Vielfaches höher als der im Geschäftsjahr realisierte Umsatz aus Vermietungstätigkeit.

Das Bewertungskonzept nach IAS 40 soll den aktuellen Markt widerspiegeln. Volatile Märkte führen zu volatilen Periodenergebnissen. Dies ist nicht überraschend. Das Unbehagen setzt ein, wenn nicht transparent gemacht wird, anhand welcher Prämissen und mit welchen Methoden der Marktwert ermittelt wird. Es ist keine Frage, dass die mit jeder Bewertung verbundene Prognoseunsicherheit gerade auch aus subjektiver Sicht das Unbehagen noch verstärkt. Nur wenn nachvollziehbar vermittelt werden kann, dass die Ermittlung des Fair Value willkürfrei erfolgt, ist es möglich, das erforderliche Vertrauen in die Rechnungslegung von börsennotierten Immobilienaktiengesellschaften zu erhöhen.

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