Deutschland ist ein Wissens- und Dienstleistungsstandort, daran besteht kein Zweifel. Aber: Der Stärke des tertiären Sektors zum Trotz ist Deutschland auch immer noch eine Industrienation. Die Frage ist nur, wie lange dieser Fakt noch Gültigkeit besitzt. Denn Flächen für die Industrie sind vielerorts knapp. Somit droht die Abwanderung expansionswilliger Unternehmen. Exemplarisch wurde die Flächensituation für den Süden Deutschlands untersucht. Grundstücke ab 1,5 Hektar, die von den Kommunen für industrielle Zwecke ausgewiesen werden, gibt es beispielsweise im Wirtschaftraum Stuttgart fast überhaupt nicht mehr. In anderen Regionen Deutschlands ist eine ähnliche Tendenz zu beobachten, obwohl nicht immer im gleichen dramatischen Ausmaß.
Einer der Gründe: Die kommunalen Kapazitäten, Flächen baurechtlich vorzubereiten, werden eher für andere Nutzungsarten eingesetzt. Vor allem Flächen für Büros oder den Wohnungsbau haben oft die Nase vorn, Stichwort Wohnungsknappheit und steigende Mieten. Dass die Ausweisung neuer Flächen im Wohnungssegment wichtig und richtig ist, steht außer Frage. Allerdings gilt es, die Balance zu halten. Die Attraktivität Deutschlands als Industriestandort könnte durch die bereits entstandene Flächenknappheit schon kurzfristig - spätestens jedoch in den kommenden fünf bis zehn Jahren - nachhaltigen Schaden nehmen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eines der größten deutschen Automobilunternehmen wollte sein deutsches Werk spiegeln - es fanden sich keine geeigneten Flächen in der Region. Flächen fanden sich hingegen in Ungarn und China. Dort wird mittlerweile produziert. Die Diskussion um die Verlagerung von Standorten ist nicht neu. Die Frage, welche Rolle das regionale Flächenangebot dabei spielt, ist jedoch bislang noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Spätestens dann, wenn wertvolle Arbeitsplätze verloren gehen, sollte die Frage mehr als nur gestattet sein.
Markus Knab, Leiter Industrie- und Logistikimmobilien, Bankhaus Ellwanger & Geiger KG, Stuttgart