Leitartikel

Beständig trotz Wandel

"Herzlichen Glückwunsch zum Kauf der aktuellen Ausgabe von "Immobilien & Finanzierung - Der Langfristige Kredit". Sie haben weitsichtig ein ausgesprochenes Qualitätsprodukt erworben, das Ihre Chancen in den Märkten signifikant um ein Vielfaches erhöht."So ähnlich kennt es jeder, der einen Staubsauger, eine Stereoanlage, ein Bett oder ein Auto erworben hat. Doch passt eine solch aggressive Ansprache zu Immobilien im Allgemeinen oder einer Immobi-lien-Fachzeitschrift im Speziellen? Nein, wohl eher nicht. Denn bei allem Marketinggeschrei der Verkäufer von (privaten) Immobilienobjekten ist die Immobilienbranche doch eher ein Hort der ruhigen Töne.

Welche Rolle spielt da eine unabhängige Fachzeitschrift über Immobilien und ihre Finanzierung? "Der Langfristige Kredit fördert den Meinungs- und Gedankenaustausch zwischen Fachleuten. Er wird gelesen von Kreditgebern und -nehmern, Hypothekenbanken, Sparkassen, Universalbanken, Bausparkassen, Versicherungen, Investmentgesellschaften und maßgeblichen Gruppen der Exekutive und Legislative", so haben es die Gründerväter dieser Zeitschrift ins Programm geschrieben. Dem kann auch die aktuelle Redaktion nicht viel hinzufügen, außer dass sich natürlich alle in den vergangenen mehr als sechzig Jahren für die Immobilienwirtschaft wichtig gewordenen Spezialitäten stets wiederfinden sollen. Hier sei beispielsweise an die Lesergruppen der Facility Manager, der Bewerter und Gutachter oder der Projektentwickler gedacht. Dass ein anderer Gründungsgedanke, nämlich die "Förderung der Langfristkultur", ob der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Immobilie auch im Investmentbankgeschäft nicht mehr die Bedeutung hat wie bis hinein in die neunziger Jahre, wir nehmen es hin, sehen I&F aber auch unbedingt als nützlich und nötig für allerlei Kurzweiliges an.

Auch weil es der Branche insgesamt wieder besser geht? Die Aufsätze der vorliegende Ausgabe zur alljährlichen Bestandsaufnahme an der Côte d´Azur versprühen sehr viel mehr Zuversicht, als dies noch vor einem Jahr zu spüren war. Denn gerade die Solidität und Beständigkeit lockt wieder mehr Investoren in die Immobilienmärkte. Die Allianz beispielsweise will ihre Immobilienquote in den kommenden Jahren deutlich aufstocken. Es gibt auch wieder Opportunitäten, sowohl im Bestand, wo durch Verhandlungen "Upside-Potenziale" erschlossen werden können, als auch im Neugeschäft. Zwar finden sich anziehende Vermietungsquoten sowie steigende Miet- und Immobilienpreise zwar noch nur in den Core-Lagen, doch blickt auch der ein oder andere schon wieder in die europäische Peripherie. Vor allen Osteuropa sei erwähnt. Die krisenbedingte Atempause hat zweifelsfrei gut getan und beruhigt. Normalität ist immer gut.

Bleibt zu hoffen, das die Gesetzgeber und Regulierer Augenmaß walten lassen. Das Bündel ist vielfältig. Die Pläne des Restrukturierungsgesetzes, Käufer und Besitzer ungedeckter Papiere künftig im Insolvenzfall ebenfalls an den Verlusten zu beteiligen, mögen keinem so richtig schmecken, hat doch das Außerdeckungsgeschäft nicht nur bei den Hypothekenbanken in den vergangenen Jahren kontinuierlich und spürbar zugenommen. Mit Sorge darf auch die Bilanzierung von langfristigen Mietverhältnissen unter dem angelsächsisch geprägten IFRS-Regime betrachtet werden, sorgt sie doch für eine spürbare Verlängerung der Bilanz und damit auch zu veränderten Eigenkapitalbedürfnissen. Oder Solvency II: Weder die Anhebung der Eigenkapitalunterlegung für Immobilieninvestitionen auf 25 Prozent noch die Überlegungen zu einer Gleichstellung von Pfandbriefen nicht mehr mit Staatstiteln, sondern mit Unternehmensanleihen behagt. Bleibt die Verteufelung des Verbriefungsmarktes vor allem in Deutschland. Banken und Immobilienwirtschaft brauchen dieses nützliche, wenn vernünftig betriebene Instrument ganz unbedingt, doch wird es noch einige Zeit dauern, bis Worte wie ABS oder CMBS wieder aussprechbar sind. Braucht es all das? Die Immobilienwirtschaft hat ihre Beständigkeit im Wandel oder die Beständigkeit trotz Wandel stets bewiesen.

Immobilien & Finanzierung auch. Nicht ganz zufällig präsentiert sich das Heft im 62. Jahrgang pünktlich zur MIPIM - der Kreativität des Layouts im Hause sei Dank - "facegeliftet". Die Côte d´Azur gilt schließlich als die Hochburg der Schönen und Reichen. Ein wenig Moderneres tut zweifelsfrei auch so wohl etablierten Fachzeitschriften ab und an gut. Der Inhalt bleibt, wie ihn unsere Leser kennen und schätzen. Fachkundig, neugierig, fragend. Neue Rubriken wie "Rating kurz notiert" und "Neues vom Pfandbrief" schaffen Übersichtlichkeit. Schwerpunkte zu allen erwähnenswerten Gebieten aus der Städte- und Wohnungsbaupolitik, den Spezialbanken, der Investitionsfinanzierung, der Bewertung und des Kapitalmarkts sollen Leserkreise binden und erschließen - auch mehr als sechzig Jahre nach der Gründung immer aktuell.

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