Schwerpunkt: Private Baufinanzierung

Baufinanzierung - steigendes Risiko für Kreditnehmer und Banken

Krise, Krise, Krise - nur auf den Immobilienmärkten in Deutschland scheint die Welt in Ordnung. Denn dank der Finanzund Schuldenkrise gibt es eine anhaltend hohe Nachfrage nach "sicheren" Anlagewerten wie Immobilien. Nicht ohne Folge: Die Immobilienpreise steigen insbesondere in den Metropolen. Der aktuell im Vergleich niedrige Finanzierungszins sowie die finanzierungswilligen Banken sind hier die Erfüllungsgehilfen für viele Kapitalanleger und Eigenheimbesitzer.

Vergessene Bedenken

Doch wo sind die Bedenken aus den Jahren 2008/2009 geblieben, als Banken sich zum Teil kollektiv aus der privaten Immobilienfinanzierung zurückzogen oder ihre Scorecards deutlich verschärften in der Absicht, keine faulen Kredite in die Bücher zu nehmen? Wer erinnert sich an Expertenmeinungen, die aufgrund des bevorstehenden demografischen Wandels und steigender Energiepreise finstere Zeiten für Altimmobilien in Randlagen prophezeiten? Lagen Banken und Experten damals falsch? Ja und Nein. Ja, denn finstere Zeiten für Immobilien in Deutschland sind aktuell nicht nachweisbar. Nein, denn ihre Argumente haben auch heute noch Gültigkeit und werden wahrscheinlich erst in der Nachkrisen-Phase ihre Wirkung entfalten. Unterstellt man diese These, kann abgeleitet werden, dass Banken und Kreditnehmer heute höhere Risiken eingehen als sie es vor vier Jahren bereit waren.

Tatsächlich ist das Risiko für Banken und Kreditnehmer in den letzten 1,5 Jahren deutlich gestiegen. Hierzu hat Immobilien Scout 24 über 12 000 Kreditanfragen in den Regionen Berlin und München ausgewertet. Als Kennzahlen wurden die Entwicklung der Eigenkapitalquote sowie das Verhältnis zwischen Darlehenssumme und Nettoeinkommen herangezogen. Für die Banken bestimmt sich das Verlustrisiko unter anderem über das Verwertungsrisiko bei Kreditausfall. Insofern ist die Dynamik der Preisentwicklung ein wichtiger Indikator für die Risikobewertung. So birgt schnelles Preiswachstum das Risiko, dass dieses Wachstum nicht nachhaltig wiederholbar ist.

Schaut man in die Zahlen der genannten Regionen, so verteuerten sich Eigentumswohnungen (Bestand) in München alleine im letzten Jahr um zwölf Prozent, während der Preisindex in den gesamten vier Jahren zuvor - seit März 2007 - um knapp 20 Prozent stieg. Die Preisdynamik hat sich in dieser Region also mehr als verdreifacht. Parallel dazu sank die Eigenkapitalquote von 27 Prozent im ersten Quartal 2011 auf 17 Prozent im zweiten Quartal 2011. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch für Berlin: Der durchschnittliche Preis für Kaufwohnungen (Bestand) erhöhte sich von Juli 2007 bis Juli 2011 um 14 Prozent, im Folgejahr konnten von den Analysten weitere 15 Prozent Anstieg beobachtet werden - eine Vervierfachung der Teuerungsrate. Die Eigenkapitalquote sank hingegen von 24 Prozent im dritten Quartal 2011 auf zwölf Prozent im zweiten Quartal 2012.

Höhere relative Verschuldung

Und der Kreditnehmer? Hier lautet der Tipp vom Experten häufig: "Nutzen Sie die heute niedrigen Zinsen, um die Tilgung zu erhöhen und die Kreditlaufzeiten zu senken." Bei steigenden Kaufpreisen ist dieser Effekt jedoch aufgrund der höheren Darlehenssummen und gesunkenen Eigenkapitalquoten im Vergleich nicht wirksam. Ein Blick auf das Verhältnis zwischen Nettoeinkommen und angefragtem Darlehensbetrag zeigt die zunehmende Risikobereitschaft der Kreditnehmer. Hat im ersten Quartal 2010 ein Kreditnehmer in der Region München das 50-Fache seines monatlichen Nettoeinkommens als Kredit angefragt, lag im zweiten Quartal 2012 das angefragte Darlehensvolumen schon beim 70-Fachen des monatlichen Nettoeinkommens.

In Berlin betrug die Darlehenssumme im ersten Quartal 2010 im Schnitt das 39-Fache des monatlichen Nettoeinkommens und stieg im zweiten Quartal 2012 auf den 52-fachen Wert an. Vor allem in den letzten zwölf Monate hat sich dieser Trend verschärft. Die gestiegene Verschuldungsbereitschaft in Bezug auf die Immobilie ist erstaunlich aber auch erklärbar, denn Banken und Vertriebe fördern durch niedrige Zinsen und Kreditmarketing den Einstieg in Immobilien und Kredite und dies trotz gestiegener Kreditrisiken auf Seiten der Kreditgeber und -nehmer. So hört man in diesen Tagen immer wieder: "Und, hast du schon gekauft, die Zinsen sind doch so günstig?"

Die gezeigten Ergebnisse bei gleichzeitig sinkenden Kreditzinsen belegen, dass risikoaverses Pricing aktuell nicht stattfindet.

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