Wohnstandards

Barrierefrei für die Zukunft bauen

Unsere Gesellschaft wird immer älter. Selbstständig in den eigenen vier Wänden leben zu können, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, trägt maßgeblich zur Lebensqualität im Alter bei. Barrierefreier Wohnraum kann dabei helfen, dies zu ermöglichen. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung prognostiziert in einer Studie "Wohnen im Alter" einen Bedarf von etwa drei Millionen barrierefreien Wohnungen im Jahr 2020. Angesichts der aktuell verfügbaren 500 000 barrierefreien Wohnungen ergibt sich daraus ein erhebliches Wachstumspotenzial.

Uneinheitliche rechtliche Grundlagen

Das Thema Barrierefreiheit wird somit auf dem Immobilienmarkt zunehmend an Bedeutung gewinnen. Neben Faktoren wie dem energetischen Standard wird Barrierefreiheit in Zukunft entscheidend für den Wert einer Immobilie sein. Wohnungen, die unabhängig von körperlichen Beeinträchtigungen uneingeschränkt nutzbar sind, werden künftig stärker nachgefragt werden und leichter zu vermieten und zu verkaufen sein. Es lohnt sich daher, schon heute in Barrierefreiheit zu investieren, sei es bei der Planung neuer oder bei der Modernisierung bestehender Immobilien.

Bereits heute gibt es rechtliche Vorgaben dazu, in welcher Form und in welchem Umfang Barrierefreiheit in Wohnungen zu gewährleisten ist. Für diese Vorgaben sind die Bundesländer zuständig, die barrierefreies Bauen in den jeweiligen Landesbauordnungen regeln. Das bedeutet, dass sich Bauherren, Planer, Finanzierer et cetera je nach Bundesland unterschiedlichen Rahmenbedingungen gegenüber sehen. Diese Bedingungen können wiederum erhebliche Auswirkungen auf die konkrete Planungs- und Baupraxis haben.

Ein Beispiel: In Berlin müssen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei über den üblichen Hauptzugang erreichbar sein, wenn ein Gebäude über mehr als vier Wohnungen verfügt (BauO Bln, § 51 Abs. 1). In Bayern muss bereits in Gebäuden mit mehr als zwei Wohnungen gewährleistet sein, dass die Wohnungen in einem der Geschosse barrierefrei zu erreichen sind. Darüber hinaus muss in Gebäuden von mehr als dreizehn Meter Höhe ein Drittel der Wohnungen barrierefrei erreichbar sein (BayBO, Art. 48, Abs. 1).

Unterschiedliche Vorgaben der Landesbauordnungen

Die Landesbauordnungen regeln auch, in welchem Umfang Barrierefreiheit in den einzelnen Wohneinheiten sicherzustellen ist. In Bayern müssen Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad, die Küche oder Kochnische sowie der Raum mit Anschlussmöglichkeit für eine Waschmaschine - der auch die Küche sein kann - barrierefrei gestaltet sein (BayBO, Art. 48, Abs. 1). Die Barrierefreiheit von Balkonen und Terrassen wird hingegen nicht erwähnt. Entsprechend müssen nur die erwähnten Räumlichkeiten barrierefrei gestaltet werden.

Hinzu kommt, dass die Landesbauordnungen nicht nur unterschiedliche Regelungen enthalten, sondern in bestimmten Fällen auch Interpretationsspielräume zulassen. Zwar ist zum Beispiel eindeutig definiert, wie viele Wohneinheiten eines Gebäudes von bestimmter Größe barrierefrei zu gestalten sind. In der Praxis sind unter bestimmten Umständen aber Ausnahmen und Alternativen möglich, besonders wenn es sich um Umbaumaßnahmen im Bestand handelt.

Spielräume für Interpretationen

Wenn beispielsweise schwierige Geländeverhältnisse, eine ungünstige vorhandene Bebauung oder Sicherheitsrisiken zu einem unverhältnismäßigen Mehraufwand für die Herstellung von Barrierefreiheit führen würden, kann dies alternative Lösungen rechtfertigen. Diese Alternativlösungen müssen allerdings sachverständig beurteilt werden und sind dann den zuständigen Behörden zur Genehmigung vorzulegen.

Wie Barrierefreiheit konkret in technischbaulicher Form umzusetzen ist, lässt sich unter anderem der DIN 18040 entnehmen. Der erste Teil der Norm (DIN 18040-1) enthält Vorgaben zur barrierefreien Gestaltung in öffentlich zugänglichen Gebäuden. Der zweite Teil (DIN 18040-2) bezieht sich auf die Barrierefreiheit im Wohnungsbau. Ein dritter Teil zur Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrs- und Freiraum liegt bisher nur als Entwurf vor.

Die Landesbauordnungen unterscheiden sich wiederum darin, ob und in welcher Form die DIN 18040-2 darin Anwendung findet. In Baden-Württemberg, Bremen und Rheinland-Pfalz wurde die Norm noch nicht in Landesbaurecht umgesetzt. Nordrhein-Westfalen wird nach derzeitigem Stand ganz auf die Einführung der Norm verzichten. Die übrigen Länder haben die Norm in ihre Bauordnungen aufgenommen. Sie gehen dabei allerdings verschiedene Wege, sodass sich die rechtlichen Bedingungen auch hier unterscheiden.

Die niedersächsische Bauordnung etwa geht im Gegensatz zu den anderen Bauordnungen darauf ein, dass die DIN 18040 eine Differenzierung zwischen Barrierefreiheit und uneingeschränkter Nutzbarkeit mit dem Rollstuhl (R-Anforderung) vornimmt. Denn in Niedersachsen muss jede achte Wohnung in Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen nicht nur barrierefrei, sondern mit dem Rollstuhl uneingeschränkt nutzbar sein (NBauO, § 49). In der Bauplanung und -umsetzung bedeutet diese Unterscheidung zum Beispiel eine Differenz von jeweils 30 Zentimetern in der Länge und Breite von Bewegungsflächen - etwa vor Sanitärobjekten. Denn für barrierefreie Wohnungen sieht die Norm hier ein Mindestmaß von 120 Zentimeter mal 120 Zentimeter für diese Flächen vor.

Uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbar ist eine Wohnung nach der DIN 18040-2, wenn Bewegungsflächen mindestens 150 Zentimeter mal 150 Zentimeter betragen. Diese Unterscheidung spiegelt sich somit auch im Grundriss von Wohnungen wider und schlägt sich folglich auch in den Planungs- und Baukosten nieder.

Schutzziele erschweren und erleichtern zugleich

Anders als ihre Vorgängerinnen, die DIN 18024-1 und -2 sowie die DIN 18025-1 und -2, enthält die DIN 18040 nicht nur konkrete technisch-bauliche Vorgaben, sondern auch Schutzziele als Voraussetzung für Barrierefreiheit. Diese Schutzziele müssen bei Neubauten gewährleistet sein. Auch bei Sanierungen und Modernisierungen von Bestandsbauten sollten sie umgesetzt werden.

Auf welche Weise die Schutzziele realisiert werden sollen, legt die Norm dabei nicht zwingendfest. Sie illustriert lediglich beispielhaft mögliche Lösungswege, etwa die Realisierung einer leichten Erkennbarkeit eines Eingangs für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen durch eine kontrastreiche Gestaltung oder angemessene Beleuchtung. Das Schutzziel der leichten Erkennbarkeit kann aber auch auf andere Weise erreicht werden. Die DIN 18040 lässt folglich auch Ausführungen barrierefreier Gestaltung zu, die von den Vorgaben abweichen. Sie schafft damit ein gewisses Maß an Flexibilität. Auf der anderen Seite stellt der damit einhergehende Interpretationsspielraum auch eine Erschwernis dar, denn er ist mit Aufwand und Unsicherheit verbunden: Die Alternativlösungen müssen beurteilt und begründet werden. Es muss gezeigt werden, dass sie zur Gewährleistung der Schutzziele auch tatsächlich geeignet sind.

Voraussetzung bei Förderprogrammen

Für Bau- und Umbaumaßnahmen, die der Herstellung von Barrierefreiheit dienen, gibt es zahlreiche Förderprogramme. Die Einhaltung der Vorgaben aus der DIN 18040-2 stellt dabei häufig eine Förderbedingung dar. So können Träger von Investitionskosten, etwa Wohnungsunternehmen, Wohnungsgenossenschaften, Bauträger und so weiter das Förderprogramm "Altersgerecht Umbauen" der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Anspruch nehmen, wenn sie barrierereduzierende Maßnahmen im Gebäudebestand vornehmen lassen. Voraussetzung dafür ist aber, dass diese Maßnahmen der DIN 18040-2 entsprechen beziehungsweise an diese angelehnt sind und dies auch von einem unabhängigen Sachverständigen bestätigt wird. Dies kann zum Beispiel durch einen Experten von TÜV Süd erfolgen.

Auch die einzelnen Bundesländer unterhalten Programme, die barrierefreies Bauen finanziell unterstützen. Auch hier müssen in der Regel die Vorgaben der DIN 18040-2 erfüllt werden. Darüber hinaus können auch Wohn-Riester, die Eigenheimrente oder die Pflegekassen Fördermöglichkeiten bieten, wenn die entsprechenden Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind.

Wertsteigerung durch höhere Attraktivität für Nutzer

Barrierefreiheit trägt schon heute zur Wertsteigerung von Immobilien bei und wird in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen. Zukunftsorientiertes Bauen sollte die Potenziale nutzen, die sich durch diese Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt ergeben. Förderprogramme können bei der Finanzierung entsprechender Vorhaben helfen.

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