Schwerpunkt Immobilien in der Förderung

Aufwertung von Quartieren durch Zusammenarbeit von Grundeigentümern und öffentlicher Verwaltung

Die Stadtentwicklung mit Unterstützung von privaten Immobilieneigentümern vorantreiben - diese Chance nutzt Hamburg als Vorreiter in Europa neuerdings auch in Wohnvierteln. Mit solchen Partnerschaften möchte man für sogenannte Housing Improvement Districts (HID) - in Hamburg als Innovationsquartiere bezeichnet - Grundeigentümer, Baugenossenschaften und Wohnungsbaugesellschaften in die Finanzierung und Planung einbeziehen. Um dieses Konzept in der Praxis umzusetzen, verabschiedete Hamburg bereits im Jahr 2007 auf Basis des Baugesetzbuches (BauGB) ein entsprechendes Landesgesetz zur Stärkung von Wohnquartieren durch private Initiative.

Innovationsquartier Steilshoop

Das erste Gebiet, das jetzt in Hamburg zu solch einem Innovationsquartier wird, ist die im Nordosten Hamburgs gelegene Großwohnsiedlung Steilshoop mit über 15 000 Einwohnern. Hier entstand in den siebziger Jahren neben Alt-Steilshoop die neue Satellitenstadt nach dem Leitsatz "Urbanität durch Dichte". Die Plattenbauten mit bis zu 14 Geschossen bilden Straßenringe. Grüne Innenhöfe und moderne Wohnungen setzten damals neue Maßstäbe im Städtebau. Heute kämpft das Quartier mit einem schlechten Image. Zudem haftet der Siedlung der Ruf von Kriminalität an, wobei die tatsächliche Kriminalitätsrate des Stadtteils spürbar unter dem Durchschnitt der Hansestadt liegt. Entsprechend teilen die negative Einschätzung weniger die Anwohner als eher Hamburger anderer Stadtteile.

Auch die förmliche Festlegung Steilshoops zum Sanierungsgebiet zwischen den Jahren 1991 und 2000 und die damit verbundenen Umbau- und Sanierungsprojekte brachten zwar kurzfristigen Erfolg, aber keinen nachhaltigen Aufwärtstrend. Eine neue Chance soll jetzt die Zusammenarbeit mit den Grundeigentümern im Rahmen des Innovationsquartiers eröffnen. Mehr als vier Millionen Euro werden sie für die Steigerung der Attraktivität des Wohnumfeldes über eine Abgabe für selbst gewählte Maßnahmen ausgeben.

Gute Erfahrungen verbucht man in Hamburg bereits mit dem Vorläuferinstrument. Zur Entwicklung und Erneuerung räumlich klar abgegrenzter zentraler Einzelhandelsstandorte, sogenannter Business Improvement Districts (BID), schließen sich die Grundeigentümer in Hamburg seit einigen Jahren zusammen und haben solche Projekte mehrfach erfolgreich abgeschlossen. Auch hier werden Eigentümer weit stärker als zuvor in die Stadtentwicklung eingebunden, indem sie Verbesserungen vor Ort nicht nur in Eigenregie organisieren, sondern auch aus eigener Tasche finanzieren. Das Spektrum reicht von der Gestaltung attraktiver Fußwege oder der Pflanzung von Bäumen über eine Extra-Straßenreinigung bis zum schlagkräftigen Standort-Marketing. Um ihre Pflichtaufgaben zur Daseinsversorgung kümmert sich die Stadt weiterhin, BID-Mittel fließen nur in darüber hinausgehende Maßnahmen.

Finanziert werden die Ideen zur Aufwertung über eine Abgabe, die alle Eigentümer im Gebiet leisten müssen. Von der Stadt eingezogen geht sie komplett an die jeweiligen Verantwortlichen. Voraussetzung für die BID-Umsetzung ist, dass weniger als ein Drittel der ansässigen Grundeigentümer ein Veto einlegt.

Überbrückung von Finanzierungslücken

Problematisch: Das Finanzierungsmodell weist eine Lücke auf, die sich zum Marktversagen ausweiten kann - sowohl bei den Initiativen der Einzelhandelslagen als auch der Wohngebiete. Denn Investitionen fallen bereits in der Planungsphase an, etwa für Architekten, Landschaftsplaner oder Gutachter. Etwa fünf Prozent des Gesamtbudgets lassen sich im Schnitt für solche Vorbereitungskosten ansetzen. Die Abgaben für deren Deckung stehen in dieser Phase aber noch aus. Weiter kommt erschwerend hinzu, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Sicherheit zur Umsetzung des Projekts gibt. Unter Umständen fallen also Ausgaben ohne konkreten Gegenwert an. Auch treten die verschiedenen Eigentümer nicht gemeinsam als juristische Person auf.

Später in der Umsetzungsphase, während den bis zu fünf Jahre dauernden Baumaßnahmen, kann es zeitweise zu einer Unterdeckung kommen, aufgrund der erst über die Zeit anwachsenden Einnahmen. Diese Kluft muss der Aufgabenträger, der das BID für die Eigentümer umsetzt, durch eine Zwischenfinanzierung überbrücken. Im Sinne des klassischen Kreditgeschäftes fehlen die Sicherheiten für die Gewährung des nötigen Kredits. Obendrein schwebt immer die Eventualität einer Klage über dem Projekt, die sogar zur Rückabwicklung zwingen kann. Um das sich anfänglich abzeichnende Marktversagen in diesen beiden Phasen zu verhindern, springt die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt (WK Hamburg) hier mit einer speziellen Förderung ein und gewährt, wenn nötig, einen Zwischenkredit, angepasst an die jeweiligen Besonderheiten der BID und Innovationsquartiere. Zur Finanzierung der Planungszeit erfolgt nach Abschluss dieser Phase die Tilgung in einer Summe. Zur Finanzierung der Ausführungskosten wird hingegen nach bis zu einem tilgungsfreien Jahr in vierteljährlichen Raten innerhalb der Kreditlaufzeit getilgt, angelehnt an den eingezogenen Abgaben.

Der erste Antrieb für die Investitionen ins Umfeld ist die Erwartung höherer Einnahmen. An den Einzelhandelsstandorten etwa lautet das große Ziel der BID mehr Käufer, Umsatzsteigerungen und bessere Vermietbarkeit. Und tatsächlich scheint diese Rechnung aufzugehen - sogar mit Hebelwirkung. Ein aktuelles Gutachten der Stadt Hamburg belegt die positiven Effekte und auch Gespräche mit Eigentümern und Mietern lassen den Schluss zu, dass das attraktivere Umfeld mehr Kunden anzieht und die Nachfrage nach Büros und Einzelhandelsflächen im Gebiet antreibt, woraus wiederum weitere Sanierungen und Investitionen in Gebäude und Umfeld resultieren. Auch beantragen viele Initiativen nach der ersten Erfahrung ein Folge-BID - was ebenfalls für eine positive Bilanz spricht.

Beteiligung der Wohnungswirtschaft

Die ursprüngliche Idee aus Nordamerika stammt bereits aus den siebziger Jahren. In Deutschland zeigte sich Hamburg schon hier als Vorreiter und initiierte im Jahr 2005 die ersten Pilotprojekte für die innerstädtische luxuriöse Flaniermeile Neuer Wall und die Einkaufsstraße Sachsentor im südöstlich gelegenen Stadtteil Bergedorf. Inzwischen sind zehn weitere solcher BID-Projekte in der Hansestadt nachgezogen - mit einem Investitionsvolumen von aktuell insgesamt 28 Millionen Euro. Sechs Projekte mit einem Gesamtbudget von 17 Millionen Euro stecken zudem in der Vorbereitung. Und auch andere Bundesländer haben inzwischen gesetzliche Grundlagen für die Business Improvement Districts gelegt.

Die nötige Zustimmung für Innovationsquartiere in Wohnquartieren zu erreichen, dürfte grundsätzlich schwieriger sein als für BID in Einzelhandelsstandorten - auch wegen der erfahrungsgemäß schlechteren Vernetzung. In Steilshoop kam sie auch zustande, weil Hauptakteure wie das städtische Wohnungsunternehmen Saga GWG, einige Genossenschaften und die Wohnungsgesellschaft Gagfah einen Großteil der Wohnungen vor Ort besitzen und sich zusammengeschlossen haben. Aber auch kleinere Unternehmen, Einzeleigentümer und die Betreiber des zentral gelegenen Einkaufszentrums beteiligen sich.

In Steilshoop läuft die Detailplanung zurzeit auf Hochtouren, 2014 werden die Baumaßnahmen beginnen und der Stadtteil wird unter Federführung der Eigentümer attraktiver. Die Stoßrichtung steht: Angestrebt ist eine langfristige Imageverbesserung für die Siedlung und damit auch eine bessere Vermietbarkeit der 6 400 Wohnungen. Unter den Anwohnern gilt das Negativimage als eines der größten Probleme.

Weiterhin geplant sind eine verbesserte Nahversorgung, die attraktivere Gestaltung der Wege, Plätze und Grünflächen sowie eine übersichtlichere Orientierung in der Siedlung. Der Schwerpunkt liegt auf der zentralen, autofreien Mittelachse, die die Ringstraßen verbindet. Mit kleinen Plätzen, Bänken, Skulpturen, Spielplätzen und einer Schachecke - einst als Treffpunkt und Kommunikationsraum für die Anwohner entworfen - wirkt sie inzwischen ungepflegt. Das Potenzial der Fußgängerzone will man durch eine umfassende Sanierung und neue Anpflanzungen aufleben lassen. Insgesamt 2,5 Millionen Euro fließen in die Maßnahmen, weitere 1,5 Millionen Euro in das Marketing für den Stadtteil und die Pflege der Anlage.

Ein Lenkungsausschuss aus Grundeigentümern, Stadtteilbeirat, Bezirksamt und Stadtentwicklungsbehörde kontrolliert die Ausführung der Maßnahmen. Daneben wurde ein Bauunternehmen zum Aufgabenträger bestellt, das die Umsetzung aller Bau-, Service- und Marketingleistungen verantwortet und als Bindeglied zwischen öffentlichen und privaten Akteuren agiert.

Kontrolle der Maßnahmen

Als Kontrollorgan für den Aufgabenträger ist hier die WK Hamburg zuständig. Sie stellt sicher, dass die Einnahmen gemäß Wirtschaftsplan investiert werden und legt dies dem Lenkungsausschuss regelmäßig dar. Zudem überwacht die WK Hamburg, die als Förderinstitut und Partner der Wohnungswirtschaft langjährige Erfahrungen sowohl in der Finanzierung als auch in der Bauüberwachung hat, dass die Kosten die Abgaben nicht überschreiten, etwa durch unvorhergesehene Preissteigerungen bei Baustoffen.

Die Investitionen werden wie üblich auch in Steilshoop über eine Abgabe aufgebracht, die über fünf Jahre nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel erhoben wird. Eine Deckelung sieht höchsten zehn Prozent des Einheitswertes der Immobilie vor. Unterm Strich bringt so etwa die Wohnungsbaugesellschaft Gagfah, der rund ein Drittel der Wohnungen gehören, rund 1,5 Millionen Euro dafür auf. Eigentümer mit einer Wohnung im Schnitt hingegen nur etwa 1 000 Euro.

Aber auch die Stadt selbst investiert in die Siedlung. Für die Umgestaltung des zentral gelegenen Gebiets um das Einkaufszentrum zahlt sie 3,3 Millionen Euro. Zudem errichtet sie in der Nähe ein neues Schulzentrum, bestehend aus einer Grund- sowie einer Stadteilschule und einem Stadtteilzentrum. Kostenpunkt: rund 27 Millionen Euro. Wenn das Innovationsquartier Steilshoop so erfolgreich umgesetzt wird wie bisher die BID, dürften am Ende alle von diesen Investitionen profitieren.

Die WK Hamburg vergrößert ihr Leistungsspektrum um die Förderfelder Wirtschaft, Innovation und Umwelt und wird zum 1. August 2013 zur Hamburgischen Investitions- und Förderbank weiterentwickelt.

Ralf Sommer , Vorsitzender des Vorstands, Hamburgische Investitions- und Förderbank
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