Stadtentwicklung

Leere Kasernen - eine Chance für den Städtebau

Der heilige Florian war Schutzpatron gegen Feuer und Dürre. Früher wurde seine Hilfe mit einem ironischen Vers gerufen: Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' andere an. Es ist das bekannte Sankt-Florian-Prinzip. Daneben gibt es auch das Nimby-Phänomen. Es steht für "Not in my Backyard" - sprich: Ich befürworte eine Idee zwar grundsätzlich, sie sollte allerdings nicht in meinem Hinterhof umgesetzt werden. Für beide Beispiele gilt: Sie stehen sinnbildlich dafür, ein Problem auf andere abzuwälzen. Dieses Phänomen ist aktuell im Zuge der geplanten Bundeswehrreform zu beobachten. Grundsätzlich stehen große Teile der Bevölkerung einer Verkleinerung der Bundeswehr zwar offen gegenüber, aber Kasernen sollen doch bitteschön nicht in der eigenen Gemeinde, sondern anderswo geschlossen werden. Dabei müssen Kasernenschließungen nicht zwangsläufig negative Effekte für eine Gemeinde bedeuten.

Chancen in demografisch starken Regionen

Maßgeblich für eine erfolgreiche Umnutzung ist unter anderem die demografische Situation in jenen Gemeinden, in denen Kasernen geschlossen werden. An demografisch starken Standorten - beispielsweise Zuzugsregionen in den Speckgürteln der Großstädte - steigt die Nachfrage nach Wohnraum, wodurch ehemalige Militärflächen je nach Lage in der Gemeinde für Projektentwickler attraktiv sein können. Denn eine Antwort auf diese steigende Wohnraumnachfrage könnte der Umbau der frei gewordenen Kasernen in Wohnungen sein. Vor allem bei älteren Kasernen handelt es sich häufig um städtebaulich oder architektonisch herausragende Komplexe, die Projektentwicklern viele Möglichkeiten eröffnen.

In Osnabrück zum Beispiel werden drei bis 2009 von der britischen Armee genutzte Kasernen derzeit zu Wohnquartieren beziehungsweise in einen Wissenschaftspark oder zu Universitätsgebäuden umgewandelt. Die Liegenschaften befinden sich in unmittelbarer Nähe zu Osnabrücks bevorzugter Wohngegend Westerberg und in Nachbarschaft zum dortigen Hochschulareal. Die Gebäude stammen zum großen Teil aus der wilhelminischen Epoche beziehungsweise aus der Zeit unmittelbar vor dem Zweiten Weltkrieg. Ein Areal hat die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bereits an einen regionalen Investor verkauft. Dieser plant, die vorhandenen Gebäude in Eigentumswohnungen umzuwandeln. Zudem soll die vorhandene Bebauung mit zwei- bis dreigeschossigen Stadtvillen ergänzt werden. Das Konzept gilt als tragfähig, da es in Osnabrück eine verstärkte Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum in ruhiger, aber zentrumsnaher Lage gibt.

Auch in Mainz finden neue Wohnungen schnell einen Nutzer. Das macht die zuletzt von der US-Army genutzte Kaserne Pont du Clair im stark durchgrünten Stadtteil Gonsenheim zu einem besonders attraktiven Konversionsobjekt. In den aus den 1930er Jahren stammenden Gebäuden entstanden 213 Wohnungen im Geschosswohnungsbau. Im rasch wachsenden Mainz ist die Umnutzung eines Bestandsgebäudes von erheblicher städtebaulicher Bedeutung. Wäre die gleiche Zahl an Wohnungen in Form von Einfamilienhäusern auf Freiflächen statt auf einer ehemaligen Militärfläche entstanden, wären bei einer angenommenen Grundstücksgröße von 500 Quadratmetern je Wohnhaus ohne Verkehrsflächen bereits 20 Hektar bislang unbebauten Bodens erforderlich gewesen.

Von demografisch schwachen Standorten werden private Projektentwickler dagegen eher die Finger lassen, da die geringe Wohnraumnachfrage aufwendige Baumaßnahmen nicht rechtfertigt. Dieses Schicksal könnte auch der Stadt Torgelow in Mecklenburg-Vorpommern bevorstehen, in der knapp 10000 Menschen leben. Die Bundeswehr unterhält hier einen Standort mit 2800 Soldaten und Zivilbeschäftigten. Wird die Kasernenschließung amtlich und findet sich keine Nachnutzung, bedeutet das einen beträchtlichen Aderlass für Torgelow. Denn die stationierten Soldaten und ihre Familien sind Wirtschaftsfaktoren. Sie essen vor Ort, kaufen vor Ort ein, sie nutzen die vorhandene Infrastruktur. Ziehen die Soldaten mit ihren Familien ab, könnte es der mecklenburgischen Kommune wie dem nordhessischen Sontra ergehen. Der hiesige Bundeswehrstandort wurde 2004 geschlossen. Knapp 800 Soldaten rückten ab, zurück blieben rund 8200 Einwohner. Die Suche nach Investoren gestaltet sich äußerst schwierig - bis heute.

Sparzwänge

Nicht nur das deutsche, auch das britische Militär schließt Standorte in Deutschland - um Kosten zu sparen. Rund 20000 Soldaten der britischen Rheinarmee sind derzeit noch an zwölf Standorten in Niedersachsen und Nord-rhein-Westfalen stationiert. Bis 2015 soll die Hälfe von ihnen in die Heimat zurückkehren, der Rest bis 2020. Hinzu kommen über 2000 Zivilangestellte und insgesamt rund 30 000 Familienangehörige. Viele Gemeinden zeigen sich besorgt. Denn für die von Kasernenschließungen betroffenen Kommunen bedeutet der geplante Abzug der britischen Rheinarmee den Verlust von Konsumenten und solventen Mietern.

Viele Bürgermeister fürchten ernsthafte Auswirkungen auf die örtlichen Wohnungsmärkte. Nach dem Abzug der Soldaten wird es an den bisherigen Standorten in Niedersachsen und Nord-rhein-Westfalen wahrscheinlich ein Überangebot an Bestandswohnungen geben. Aber auch hier gilt es, zu differenzieren: Zu hohen Leerständen wird es nur in Regionen mit stark rückläufiger Bevölkerung und in peripheren Beständen kommen - vor allem dann, wenn es sich um wenig beliebte Wohnungen aus den sechziger bis achtziger Jahren handelt.

Ein trauriges Beispiel bietet der Stadtteil Detmold-Herberhausen in Nordrhein-Westfalen. Nachdem die britische Armee die Emilienkaserne in Detmold im Jahr 1992 geräumt hatte, standen in der abseits gelegenen Siedlung schnell 800 Wohnungen leer. Diese wurden später zum großen Teil an einkommensschwache russische Spätaussiedler vermietet oder blieben lange ungenutzt. Heute werden die Räumlichkeiten von der Hochschule Ostwestfalen-Lippe genutzt. Studenten haben im Rahmen eines Projektes selbst an der neuen Raumgestaltung mitgewirkt.

Möglichkeiten der Einflussnahme

Insgesamt gilt: Areale in zentraler Lage und mit historischer Bausubstanz lassen sich oftmals leicht umnutzen - vorausgesetzt, dass eine hinreichende Flächennachfrage vorhanden ist. Diese kann beispielsweise aber auch durchaus von den Städten dadurch gesteuert werden, dass die öffentliche Hand für einen bestimmten Zeitraum keine neuen Baugebiete mehr ausweist oder entwickelt und, sofern möglich, bereits laufende Vorhaben minimiert.

In der Praxis trifft ein solcher Vorschlag allerdings oft auf wenig Gegenliebe. Selbst Kommunen mit deutlich negativer Bevölkerungsentwicklung neigen dazu, zusätzliche Baugebiete auszuweisen - in der Hoffnung, damit Einwohner anzuziehen und der Schrumpfungsspirale zu entkommen. Kommunen mit positiver Entwicklung denken letztendlich oft ähnlich und weisen trotz der Möglichkeit, Brachflächen zu nutzen, weiterhin zusätzlich Neubauflächen aus.

Neben dem wünschenswerten Verzicht auf Neubauausweisungen sollten die Kommunen über Instrumente des Stadtmarketings und Maßnahmen zur Quartiersentwicklung dafür sorgen, dass die jeweilige Lage ein möglichst positives Image erhält. Dazu bringen die Kasernen in der Regel eine ganze Reihe von Voraussetzungen mit: Die einzelnen Gebäude befinden sich oft in einer stark durchgrünten Umgebung. Die Bebauung innerhalb der Areale ist vergleichsweise offen und meist ist eine Reihe von Sportstätten vorhanden - manchmal sogar Schwimmhallen. Hinzu kommt die meist bereits vorhandene Infrastruktur.

Die Kunst des Investors besteht dann vor allem darin, für die jeweiligen Gebäude das passende Raumkonzept zu finden. Oft ist es gar nicht so einfach, für die Gebäude mit ihren langen Fluren geeignete Wohnungsschnitte zu entwickeln. Zudem muss eine Sanierung mit Blick auf die Flächenbedürfnisse der künftigen Nutzer erfolgen. Das heißt, im Ergebnis sollten vor allem kleine Wohnungen mit einem mittleren bis gehobenen Ausstattungsstandard geschaffen werden. Denn die Zahl der Ein- und Zweipersonenhaushalte wächst stetig und diese haben zunehmend höhere Ansprüche an den Wohnkomfort. Balkone und Aufzüge sind somit in ehemaligen Kasernen Pflicht - letztere besonders, weil Senioren künftig die einzig wachsende Mietergruppe in Deutschland sein werden.

Florian Lanz , Geschäftsführer, Laborgh Investment GmbH, Berlin
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