Pro und Kontra

Altschuldenentlastung für stdeutsche Wohnungsunternehmen

PRO

Dr. David Eberhart, Sprecher des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e. V. (BBU), Berlin.

Vom volkswirtschaftlichen Schaden der Altschulden

Bei der Wiedervereinigung wurde den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen der neuen Bundesländer ein Mühlstein als Startgeschenk überreicht: die Altschulden. Nach derzeitigem Stand werden sie noch für mindestens weitere 20 Jahre die wirtschaftliche Integrität der ostdeutschen Wohnungsunternehmen bedrohen und ihre Investitionskraft untergraben. Der volkswirtschaftliche Schaden ist beträchtlich. Deshalb muss zumindest die Altschuldenhilfe konsequent fortgeführt werden.

Unerwartete Erblasten

Die wohnungswirtschaftlichen Altschulden sind Erblasten aus der ehemaligen DDR. Mit ihnen wurden ausschließlich die kommunalen Wohnungsgesellschaften und die Wohnungsgenossenschaften belastet. Bei den Altschulden handelte es sich zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nur um fiktive Schulden. Sie beruhen auf Finanzzuweisungen aus dem Staatshaushalt der DDR zur Finanzierung des Wohnungsbaus. Diese wurden bei der Staatsbank der DDR zwar als Kredite gebucht; sie waren jedoch nicht zur Bedienung vorgesehen. Im marktwirtschaftlichen Sinn handelte es sich bei ihnen also nie um tilgungspflichtige Schulden. Erst mit dem Einigungsvertrag wurden diese Altverbindlichkeiten als tatsächliche Schulden zunächst auf die Kommunen und dann zusammen mit dem ehemals volkseigenen Wohnungsvermögen auf die kommunalen Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften beziehungsweise deren Wohnungen übertragen.

Zum Zeitpunkt der Wende waren diese Wohnungen vielfach bereits mehr als 25 Jahre alt und dringend modernisierungsbedürftig. Ihre plötzliche Belastung mit hohen Krediten war deshalb ein dreifach harter Schlag für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft. Sie musste erstens nicht nur die Altschulden, sondern zweitens in wachsendem Umfang auch Sa-nierungs-Neuschulden bedienen, ohne dass sie drittens die Mieten in dem für diesen explodierenden Kapitaldienst erforderlichen Umfang und Tempo anpassen konnte.

Allein der Altschulden-Kapitaldienst zehrte bei vielen Wohnungsunternehmen in den neuen Ländern rund 40 Prozent ihrer Mieteinnahmen auf. Die Bedienung dieser völlig unproduktiven und unvorgesehenen Kredite band auf diese Weise erhebliche Ressourcen. In Folge war den ostdeutschen Wohnungsunternehmen die Bildung von Rücklagen massiv erschwert. Die Auswirkungen dieser Schock-Therapie wirken bis heute nach.

Wachsender Leerstand, wachsende Probleme

Trotz der bislang von den Wohnungsunternehmen unternommenen großen Tilgungsanstrengungen belaufen sich die Altschulden nach wie vor auf rund 65 Euro pro Quadratmeter. Insgesamt dürften sich die wohnungswirtschaftlichen Altschulden in den neuen Bundesländern noch auf schätzungsweise mindestens sieben Milliarden Euro summieren.

Bei der Übertragung der Altschulden auf die Wohnungsunternehmen wurde davon ausgegangen: Mit den Wohnungsbeständen gingen ertragreiche Vermögenswerte auf die Unternehmen über. Sie würden ihnen in den nächsten 30 bis 40 Jahren die Bedienung des Altschulden-Kapitaldienstes ermöglichen.

Mit der Explosion des Leerstands in den neuen Bundesländern ab etwa 2000 hat sich diese optimistische Annahme jedoch in ihr Gegenteil verkehrt. Statt Einnahmen bringen die zahlreichen leer stehenden Wohnungen den Wohnungsunternehmen hohe Kosten. Für den teuren Altschulden-Kapitaldienst stehen bei ihnen keine Mieten zur Verfügung. Zusammen mit weiterhin zu tragenden Betriebskosten verursacht ein leer stehender durchschnittlicher Wohnblock einem Wohnungsunternehmen so einen jährlichen Verlust von jeweils rund 25 000 Euro. Angesichts rund einer Million leer stehender Wohnungen im Osten Deutschlands kommen hier beträchtliche Summen zusammen.

Folgewirkungen

Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Geld, das für die Bedienung der Altschulden verwendet werden muss, steht deshalb nicht für Modernisierungsprojekte zur Verfügung. Das heißt: Kredite aus der Vergangenheit, deren Gegenwert nie wirklich produktiv eingesetzt werden konnte, behindern Investitionen in Gegenwart und Zukunft. Aus wirtschaftlich ohnehin schon benachteiligten Gebieten fließt auf diese Weise Kapital ab, das dann vor Ort fehlt.

Das benachteiligt nicht nur heutige und spätere Mietergenerationen. Schwerer noch wiegt der volkswirtschaftliche Schaden. In vielen Regionen der neuen Bundesländer gehören die Wohnungsunternehmen zu den größten Auftraggebern. Ihre Investitionsmöglichkeiten haben deshalb ein großes Gewicht innerhalb der lokalen Wirtschaft. Je eingeschränkter ihre Investitionsspielräume sind, desto weniger können sie einen positiven Einfluss auf die regionale Wirtschaft nehmen

Altschuldenhilfe muss weitergehen

Im Hinblick auf die durch die Altschulden verursachten Verwerfungen und Härten kann kein Zweifel daran bestehen, dass zumindest die Altschuldenhilfe konsequent fortgesetzt werden muss. Durch sie können die Altschulden auf im Rahmen des Stadtumbau Ost-Programms abgerissenen Wohnungen erlassen werden. Das hierzu vom Bund bereit gestellte Geld ist mittlerweile allerdings fast aufgebraucht. Soll eine verhängnisvolle wirtschaftliche Abwärtsspirale vermieden werden, muss er hier deshalb so bald wie möglich nachlegen.

KONTRA

Torsten Weidemann, Referent Wohnungswesen und Stadtentwicklung, Haus & Grund Deutschland, Berlin.

Prämiertes Marktversagen

Im Zuge der deutschen Einheit sind Wohnimmobilien, die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen übertragen wurden, mit sogenannten Altschulden belastet worden. Aber auch Wohnimmobilien privater Eigentümer wurden - zum Beispiel im Wege zwangsweiser Instandhaltung oder Modernisierung - noch zu DDR-Zeiten gegen ihren Willen mit Schulden belastet. Im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes konnten Hilfen bei der Bewältigung dieser finanziellen Lasten in Anspruch genommen werden. Privaten stand dafür in den neunziger Jahren eine Zeitspanne von sechs Monaten zur Verfügung. Wohnungsunternehmen hingegen profitieren bis heute von diesem Instrument. Zwischenzeitlich erleichterte der Gesetzgeber den Unternehmen den Zugang zu diesen Hilfen und trug dafür Sorge, dass sie bis 2013 in Anspruch genommen werden kann.

Von 1993 bis heute gewährte der Bund rund 17 Milliarden Euro Altschuldenhilfe. Diese floss fast ausschließlich an kommunale und genossenschaftliche Unternehmen. Trotz der hohen Summe fällt die Bilanz dieser Hilfe ernüchternd aus. Die durchschnittlichen Leerstandsquoten dieser Unternehmen sanken in den Stadtumbaukommunen von 17,2 Prozent im Jahr 2002 auf 12,0 Prozent im Jahr 2007. Private Vermieter, deren Mietwohnungsbestände häufig in den Innenstädten liegen, haben dagegen nicht profitiert.

Der durchschnittliche Leerstand im Altbaubestand der Stadtumbaukommunen beträgt weiterhin knapp 20 Prozent. Dabei erzielt ein Wohnungsunternehmen beim Abriss von Wohnraum in sogenannten Plattenbauten bereits durch die Rückbaumittel des Stadtumbaus Ost einen Gewinn, da die Kosten dafür unter der pauschalen Förderung liegen. Dies haben mehrere ostdeutsche Landesrechnungshöfe vorgerechnet. Die im Rahmen der Altschuldenhilfe gewährte Entlastung stellt ökonomisch somit eine darüber hinausgehende Vergütung des Rückbaus dar.

Günstige Ausgangslage

In Bezug auf die Schuldenbelastung der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbestände in Ostdeutschland sind dabei zwei Tatsachen in Erinnerung zu rufen. Erstens war die Höhe der Altschulden im Vergleich zum Marktwert der Immobilien angemessen. Es bestand keineswegs eine hohe, untragbare Belastung. Zweitens wurde die Grundmietenverordnung, die den Rahmen zur Preisgestaltung auf dem ostdeutschen Wohnungsmarkt festlegte, in besonderer Weise auf Plattenbauten ausgerichtet. Dies hatte zur Folge, dass die Ertragssituation von Vermietern solcher Wohnungen deutlich besser war als die anderer Vermieter.

Zusammengefasst war die Ausgangslage von kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen nach der Wiedervereinigung im Vergleich zu der anderer Wohnungsanbieter häufig durch geringere Schulden und höhere Mieten geprägt. Diese gute Ausgangslage hat dann auch eine Vielzahl von Unternehmen genutzt, um sich von den Altschulden zu befreien. Ermöglicht hat dies ein einfaches Vorgehen. Den Teil des Bestandes, der letztendlich für den Rückbau vorgese-

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