Schwerpunkt: Rating und Bewertung

Aktuelle Nachbewertungen muss ein Abschlag wirklich sein?

Die Stimmung in der Immobilienwirtschaft ist aufgrund der Prognosen für die Mietmärkte und die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise scheinbar auf einem Tiefpunkt. Schlagzeilen wie "20 Prozent Wertverlust bei europäischen Büros", "Immobilienrezession wird vorerst anhalten", "Investoren erwarten Preisverfall bei Büros von 25 Prozent" oder "Europas Büroimmobilienpreise fallen weiter" sind pauschaliert und sagen wenig über die tatsächlichen Entwicklungen der Werte aus.

Viele Finanzierungsengagements stehen derzeit auf dem Prüfstand und die Banken wollen Einfluss auf die Wertentwicklung nehmen. Hier ist scheinbar ein "Wettbewerb der Abwertungen" entstanden: Pauschalisierte Abschläge auf Portfolios oder starke Abwertungen bei Einzelobjekten von sieben bis 15 Prozent liegen im Zielkorridor der Banken.

Passt die Definition des Marktwertes zum aktuellen Markt?

Die am häufigsten genannten Gründe sind der zu teuere Einkauf der Immobilien und der Verkaufsdruck, dem die Eigentümer teilweise unterliegen. "Daher muss abgewertet werden". Wohlgemerkt, hier ist nur von Deutschland die Rede. Nicht von Großbritannien, Frankreich oder gar den USA, in denen es gravierende Marktunterschiede gibt. Aus diesem Grund haben viele Investoren ihre Immobilienkäufe unter Risikoaspekten international gestreut.

Wie steht es tatsächlich um den Immobilienmarkt in Deutschland? Das Thema kann von zwei Seiten aus betrachten werden: erstens aus der Definition des Marktwertes und zweitens aus der Differenzierung nach Marktsegmenten und Zeitreihen.

Rufen wir uns zunächst die Definition des Marktwertes/Verkehrswertes in Erinnerung. Hierzu sagt § 194 BauGB: "Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre."

Übrigens sind die Definitionen des Marktwertes in allen einschlägigen Vorschriften und Richtlinien gleich gehalten (RICS Red Book, IVSC, Tegova). In diesem Texten finden sich nicht "Zwangsverkauf", "kein Markt vorhanden" oder "besondere wirtschaftliche Situationen" wider. Dies eben deshalb, weil die Definition des Marktwertes/Verkehrswertes von normalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und einem funktionierenden Markt ausgeht.

Weiter verdeutlicht wird dies in § 3 (3) der Wertermittlungsverordnung - WertV: "Die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt bestimmen sich nach der Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag für die Preisbildung von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für Angebot und Nachfrage maßgebenden Umstände, wie die allgemeine Wirtschaftssituation, der Kapitalmarkt und die Entwicklungen am Ort. Dabei bleiben ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse außer Betracht."

Wie soll der vor seiner Aufgabe stehende Wertermittler also den Marktwert feststellen, wenn die dafür wesentlichen Grundlagen nicht vorhanden oder ausgehebelt sind? Ist es dann richtig, pauschale Abwertungen vorzunehmen?

Was ist in den letzten Jahren passiert?

Nähern wir uns dem Thema von der zweiten Seite, der Differenzierung nach Marktsegmenten und Zeitreihen. Im Gegensatz zu Ländern wie zum Beispiel Großbritannien oder den USA sind in der Vergangenheit die Immobilienmärkte in Deutschland in weiten Teilen sehr stabil gewesen. Es gab bis auf geringe Ausnahmen weder bei Miet- noch bei Kaufpreisen überhöhte Ausschläge nach oben oder unten. Natürlich hat auch Deutschlands Immobilienbranche Marktänderungen erlebt.

Bei einer Betrachtung insbesondere des Investmentmarktes kann deutlich festgestellt werden, dass seit Ende des Jahres 2006 die Renditen in nahezu allen Marktsegmenten mehr oder weniger deutlich gesunken sind. Das Eintreten der vor allem amerikanischen und britischen Investmentgesellschaften in den deutschen Markt hat zu stark steigenden Investmentumsätzen und damit einhergehend stark fallenden Renditen geführt. Angesichts des hohen Kapitaldrucks und niedriger Zinsen wurden Immobilien vielfach unter maximaler Ausnutzung des Leverage-Effektes erworben.

Dies zog noch mehr Kapital nach sich - und schon drehte sich die Spirale weiter nach oben. In einem kurzen Zeitfenster traf eine große Nachfrage auf ein geringes Angebot an großen Investitionsvolumina. Das führte im Übrigen auch zu Besonderheiten wie "Portfolio-Aufschläge", den die Investoren beim Ankauf von Portfolios gezahlt haben (negativer Rabatt). In anderen Branchen kaum vorstellbar!

Getreu der Definition des Marktwertes hat der beauftragte Wertermittler die Werte bei jedem Ankauf weiter anheben können oder müssen, da aktuelle Vergleichstransaktionen (Comparables) dies unterlegt haben. Der kritischen Frage, ob denn ein Vervielfältiger der Jahresnettomiete (Kaufpreisfaktor) in Höhe des 15, x-fachen für einen Discounter/SB -Markt ein nachhaltiger Wert sei, wurde vielfach mit dem Argument "Marktwerte sind Zeitwerte und keine nachhaltigen Werte" entgegnet.

Zeitwert versus nachhaltiger Wert

Doch dann kamen die Subprime-Krise, daraus resultierend die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise. Die Banken verleihen plötzlich kein Geld mehr und stellen fest, dass sie in den letzten Jahren Objekte zu hoch beliehen haben. Der Investmentmarkt bricht scheinbar zusammen, da potenzielle Käufer zunächst ausbleiben, da sie jetzt auf sinkende Preise hoffen oder - was noch häufiger der Fall ist auf eine Finanzierung warten.

Nachbewertungen stehen an und von Seiten der Banken werden starke Abwertungen erwartet. Die Wertermittler, die in den letzten Jahren die hohen Werte mit dem Argument "Marktwerte sind Zeitwerte und keine nachhaltigen Werte" begründet haben, argumentieren heute, dass die Märkte eingebrochen sind und daher Abwertungen unumgänglich sind.

Hierzu betrachten wir die Entwicklung der Renditen in verschiedenen Marktsegmenten im Verlauf einer längeren Zeitreihe. Zunächst zeigt die Entwicklung der Renditen bei den größten Segmenten im Bereich von Handelsimmobilien (Fachmarktzentren, Geschäftshäuser und Shoppingcenter), dass mit dem massiven Eintritt der genannten Investoren in den deutschen Markt die Renditen im Vergleich zum langjährigen Trend stark gefallen sind, bei gleichzeitig stark gestiegenen Umsätzen (Abbildung 1).

Wie hoch müssen die Korrekturen sein?

Ähnlich sieht der Verlauf bei den Bürogebäuden aus. Hierzu zeigen wir die Entwicklung der Renditen in den sechs wichtigsten Büromärkten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, München und Stuttgart (Abbildung 2).

Es kann festgestellt werden, dass mit Eintritt der Finanzkrise und dem Einbruch des Investmentmarktes die Renditen wieder gestiegen sind - und wohl auch noch weiter steigen werden. Der Markt spekuliert natürlich auf das möglichst höchste Niveau der Renditen! Aus Sicht von NAI Apollo Valuation Advisory ist zu erwarten, dass die Renditen wieder das Niveau erreichen werden, welches sie im langjährigen Trend hatten - wahrscheinlich mit einem kurzen Ausflug in etwas höhere Bereiche. Was heißt das konkret in Zahlen?

Auch die Meldungen über einen "Einbruch am Investmentmarkt" relativieren sich bei genauerer Betrachtung. Natürlich ist es richtig, dass das Investitionsvolumen im Jahr 2008 - und sicher auch noch im Jahr 2009 - gemessen an dem der Jahre 2006 und 2007 dramatisch gesunken ist. Jedoch handelt es sich bei den Volumina dieser beiden Jahre nicht um durchschnittliche Werte. Auch hier zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass in Deutschland jetzt wieder ein normales Niveau erreicht wird - nach den Boomjahren 2006 und 2007. Der Investmentmarkt in Deutschland ist also durchaus stabil, auch wenn bedingt durch die derzeitigen Probleme im Finanzierungsbereich weniger Transaktionen vermeldet werden.

Muss abgewertet werden?

Für Objekte, welche ab Mitte des Jahres 2007 zu Höchstpreisen in einzelnen Segmenten erworben und bewertet wurden, ist eine entsprechend starke Abwertung unumgänglich. Müssen jedoch Objekte, welche zum Beispiel im Jahr 2006 mit Renditen im langjährigen Trend gekauft wurden ebenso stark abgewertet werden?

Hier muss im Rahmen von Nachbewertungen - unerheblich ob von Einzelobjekten oder von Portfolios - immer das einzelne Objekt betrachtet werden unter Berücksichtigung des ursprünglichen Kaufpreises/Marktwertes, dem Marktsegment, dem Mietmarkt und natürlich der Lage.

Bei entsprechend kurzen Restlaufzeiten von Mietverträgen besteht das Risiko, dass Anschlussvermietungen mit Mietpreisreduzierungen einhergehen. Bei längeren Restlaufzeiten ist aber auch die Chance vorhanden, dass die wirtschaftliche Lage sich bis zum Auslaufen der Mietverträge soweit gebessert hat, dass die Mietpreise stabil bleiben oder sogar wieder steigen.

Solider Markt ohne pauschalen Abwertungsbedarf Im Zuge der Nachbewertung werden Abwertungen für viele Objekte unabdingbar sein, wenn beispielsweise in Boomzeiten Objekte in B- oder C-Lagen mit kurzlaufenden Mietverträgen zu hohen Preisen eingekauft wurden. Auch gezahlte Portfolioaufschläge haben in der Konsequenz eine Reduzierung der Marktwerte bei einzelnen Objekten zur Folge. Im Wege der Einzelfallbetrachtung müssen aber die zu bewertenden Objekte differenziert betrachtet werden. Eine pauschale Abwertung ganzer Portfolios ist jedenfalls fundamental nicht gerechtfertigt.

Der deutsche Immobilienmarkt stand in der Vergangenheit für solide und langfristige Immobilieninvestitionen. Dies wird auch zukünftig so sein. International agierende Investoren suchen weiterhin stabile Mieteinnahmen in den Top-7-Städten sowie Wohn- und Einzelhandelsobjekte. Sofern spekulative Investitionen, die auf Preisverfall und erneute Stabilisierung ausgerichtet sind, nicht im Vordergrund stehen, sind die soliden Alternativen in Europa rar.

Der Markt in Deutschland wird sich in diesem Jahr voraussichtlich konsolidieren. Viele ursprünglich opportunistisch geprägte Investitionen werden durch die aktuelle Lage zu Bestandshaltern. Die Investoren werden ihre Bestände optimieren und pflegen, sodass Panikverkäufe vermieden werden können.

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