Mobile Payment und Mobile Ticketing

Wirtschaftliches M-Payment braucht ein offenes Kooperationsmodell

Mobiltelefonie gilt weltweit als großer Wachstumsmarkt. Der Handynutzer bevorzugt Dienstleistungen, die ihm - jeder zeit und überall - einen persönlichen Nutzen bringen. Bequem unterwegs bestellen und direkt dem Konto belasten lassen, unterwegs Kontoinformationen abrufen oder an der Ladenkasse mobil bezahlen: Das Handy verspricht das Zahlungsmittel der Zukunft zu werden. Noch weist der Markt aber eine Vielzahl von Hemmnissen auf, die einen raschen Durchbruch von innovativen Zahlungslösungen mit dem Handy verhindern.

Wie sieht der Schweizer Markt fürs mobile Bezahlen heute aus?

Für das Bestellen und Bezahlen mit dem Mobiltelefon existiert ein Markt für Mehr wertdienste (zum Beispiel Klingeltöne, Wirtschaftsinformationen), die heute allerdings fast ausnahmslos über die Telefonrechnung beglichen werden. Die Marktentwicklung hat in den letzten Jahren aufgrund von verschärften Fernmeldegesetzbestimmungen und besserem Konsumentenschutz eher stagniert. Die von Postfinance Ende 2007 eingeführte Handyzahlungslösung ist die erste massentaugliche Zahlungsart im M-Commerce in der Schweiz, die unabhängig von der Art des Mobiltelefons, des Mobilfunknetzes und des Abonnements funktioniert und direkt mit dem Konto verknüpft ist. Innovative Händler fragen diese Neuheit im Distanzgeschäft nach, weil sie damit einen neuen, attraktiven Absatzkanal erschließen können. In der Schweiz beträgt das jährliche Marktvolumen für die Bezahlung von Mobile Services rund 640 Millionen Schweizer Franken (Quelle: Publicom Studie 2007).

Beim mobilen Bezahlen am Verkaufspunkt (Präsenzgeschäft) ist der Schweizer Markt heute von individuellen Bemühungen und Insellösungen geprägt. Das Interesse des Handels ist noch ziemlich differenziert. Die First Mover werden die neuen Technologien als Treiber für Zusatzverkäufe erkennen und aktiv investieren. Der größere Teil der Händler - darunter die Großverteiler - wird sich erfahrungsgemäß passiv ver halten und erst aus der Notwendigkeit heraus mitmachen.

Bedürfnisse und Rollen der Marktakteure

Marktbefragungen zeigen, dass Menschen lieber ohne Portemonnaie als ohne Handy die Wohnung verlassen. 84 Prozent der erwachsenen Schweizerinnen und Schweizer haben heute ein Handy. Gerade bei den unter 30-Jährigen genießt das Handy eine überdurchschnittliche Akzeptanz. Gestützt auf Versuche von Mobilfunknetzbetreibern und Finanzinstituten in den Jahren 2005 und 2006 haben die Kunden zwar kein unmittelbares Bedürfnis nach neuen

Zahlungsmitteln, zeigen aber Interesse an neuen Zahlungsfunktionen auf dem Handy. Der Handel erwartet im M-Payment tiefe Transaktionskosten und standardisierte Abläufe. Gleichzeitig profitiert er von der Substitution des teuren Bargeldhandlings und davon, seine Umsätze unmittelbar dem Konto gutschreiben zu lassen.

Banken und Kreditkartenfirmen verfügen über reiche Erfahrungen im Risiko-Management sowie im Zahlungs- und Transaktionsgeschäft. Die etablierten Finanzinstitute genießen bei den Endkunden großes Vertrauen, im Gegensatz zu den neuen und noch unbekannten Mobile- Payment-Schemes. Mit dem Ziel, zusätzliches Wachstum zulasten des Bargelds zu erzielen, stufen sie das Mobiltelefon als Zahlungsdatenträger im Mobile Payment und als Kommunikationskanal im Mobile Banking als strategisch bedeutend ein.

Die Mobilfunknetzbetreiber sind seit mehreren Jahren an M-Commerce interessiert und wären in der Lage, die Entwicklung von mobilen Zahlungslösungen entscheidend mitzuprägen. Sie besitzen die direkte Kontrolle über die SIM-Karte, und im Fokus stehen Zusatzgeschäfte über die NFC-Applikationen wie M-Payment und M-Ticketing. Mangels Kompetenzen bei der Transformation von Geld im M-Payment-Kreislauf läge ein Schulterschluss mit der Finanzindustrie auf der Hand.

Mobile Payment reduziert Bargeld-Handling

Der Einsatz des Mobiltelefons an der Ladenkasse und an Automaten ergänzt die herkömmlichen Zahlungsmittel Bargeld, Debit- und Kreditkarten. Für die dienstleistungserbringenden Unternehmungen bringt der Einsatz des Mobiltelefons im Präsenzgeschäft aber nur dann Vorteile, wenn das teure Bargeld-Handling reduziert werden kann. Im Präsenzgeschäft wurde das Mobiltelefon deshalb bisher primär dort eingesetzt, wo heute Kleinbeträge bar bezahlt werden - in Parkings und an Getränkeautomaten. Zahlungsarten, die für das Handy konzipiert sind, sind meistens auch im E-Commerce einsetzbar. Hier bringt der mobile Kanal den Vorteil der zusätzlichen Identifikation über seine Mobilfunknummer.

Investitionen ins Mobile Banking sind profitabel

Im M-Commerce lassen sich durch die Verwendung des Mobiltelefons als Zahlungsmittel Kanalbrüche vermeiden. Das ist für den Kunden bequemer und für den Händler effizienter. Heute fehlen aber weitgehend die Zahlungsarten im M-Commerce, die zu vergleichbaren Konditionen wie im E-Commerce eingesetzt werden könnten. Die Ausnahme ist Handyzahlung von Postfinance.

Mobile Banking umfasst die Kontobewirtschaftung, das Brokerage und das Abrufen von Finanzinformationen. Bei der Kontobewirtschaftung wie auch beim Brokerage wird zwischen transaktionsbezogenen und administrativen Dienstleistungen, im Bereich Finanzinformation zwischen kontobezogenen sowie generellen Finanzmarkt-Informationen differenziert.

Das Mobiltelefon erlaubt den Kunden einen einfachen und standortunabhängigen Zugang zur Bank ("anywhere"). Die Dienstleistungen sind rund um die Uhr verfügbar ("anytime"). Durch SMS-Alarmdienste kann sich der Kunde besser über seine finanzielle Situation informieren und dank der GPS-Technologie kann der Finanzdienstleister dem Kunden standortbezogene Services anbieten. Dies alles führt in der Summe zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit und verbessert das Image des Unternehmens. Daneben profitiert der Finanzdienstleister von Kostensenkungen im Call-Center und in der Kommunikation sowie von Zusatzerträgen aus gezielten Mobile-Marketing-Aktionen. Das wirkt sich wiederum positiv auf das Ergebnis aus. Verschiedene Experten gehen deshalb davon aus, dass Investitionen ins Mobile Banking profitabel sind.

Nach dem Schritt des klassischen Bankings zum E-Banking ermöglicht das Mobiltelefon durch seine zusätzlichen Ausprägungen einen weiteren Entwicklungsschritt im Finanzgeschäft. Kunden können neu überall - und spontan - mit ihrem Finanzinstitut Kontakt aufnehmen und einzelne Dienstleistungen nutzen.
Entwicklungsstufen der mobilen Finanzdienstleistungen

Experten empfehlen die schrittweise Entwicklung von mobilen Finanzdienstleistungen um die Kundinnen und Kunden langsam an die neuen Möglichkeiten und Technologien heranzuführen.

Am Anfang liegt der Fokus auf einfachen Kontoauskünften.

Die zweite Stufe soll Kontoüberträge und Überweisungen ermöglichen.

Danach folgen das M-Payment und das Mobile Marketing.

Am weitesten bei der Entwicklung des Mobile Kanals sind die asiatischen Länder, die sich bereits auf Stufe drei befinden, also beim M-Payment. In der Schweiz sind die mobilen Finanzdienstleistungen noch nicht etabliert. Einzig Postfinance führte bislang einzelne Angebote auf den verschiedenen Stufen ein.

Stufe 1 - Mobile Banking

Das Abfragen von Kontobewegungen und Kontosalden via SMS ist in der Schweiz seit Ende der neunziger Jahre bei einzelnen Finanzinstituten möglich. Sie haben diese Funktion seinerzeit als Zusatzdienstleistung zum Phone Banking für die damals noch kleine Gruppe der Mobiltelefonnutzer eingeführt. Die Abfrage war sehr kompliziert und aufwändig. Postfinance hat diesen Service nun stark vereinfacht: Hat sich der Kunde einmalig mit seiner Handynummer registriert, genügt eine SMS mit dem Schlüsselwort Saldo, um die Auskunft umgehend zu erhalten.

Stufe 2 - Mobile Banking: Überweisung per SMS

In den Jahren 2000 und 2001, kurz vor dem Platzen der Internet-Technologieblase, haben zahlreiche Mobilfunknetzbetreiber WAP-Dienste propagiert, um mit dem Mobiltelefon auf Kontoinformationen zuzugreifen und Überweisungen auszuführen. Einzelne Schweizer Finanzinstitute starteten entsprechende Versuche, die Technologie setzte sich jedoch nicht durch. Ein Grund dafür war, dass WAP für die damals monochromen Handy-Bildschirme ausgelegt war und die Darstellung und Navigation kaum mit der vertrauten Benutzung von Internetseiten zu vergleichen war.

In den Folgejahren führten verschiedene Finanzinstitute interne Pilotversuche durch, um das Mobile Banking mittels Browser oder dem Herunterladen einer Applikation zu testen. Dabei erwiesen sich die her kömmlichen Identifikationsverfahren wie Teilnehmer- und Zugangsdaten für das Eingeben auf dem Mobiltelefon als wenig kundenfreundlich.

Als erstes Finanzinstitut in der Schweiz führt Postfinance diesen Frühling eine neue, einfache und schnelle Dienstleistung im Mobile Banking ein: Geld überweisen per SMS. Kunden, die für die Dienstleistung "Handyzahlung Postfinance" angemeldet sind, können innerhalb eines frei definier baren Monatslimits und bis zu einem Maximalbetrag von 100 Schweizer Franken je Empfänger und Tag Geld per SMS überweisen. Es genügt, folgenden Text in einer SMS an die Kurzwahlnummer 474 zu senden: Zahle CHF (Betrag) an (Postkonto- oder Mobiltelefonnummer). Das Geld wird sofort gebührenfrei gutgeschrieben. Ist der Empfänger ebenfalls registriert, erhält er eine sofortige Gutschriftsbenachrichtigung per SMS.

Stufe 3a - Mobile Payment: Der Trend heißt NFC

In der Schweiz hat Postfinance im Jahr 2005 die ersten Gehversuche für das Bezahlen mit dem Mobiltelefon an der Ladenkasse gemacht. In einem halbjährigen Versuch in der Stadt Bern testete das Finanzinstitut, wie die Kunden und Händler, darunter Migros, Coop, McDonald's und die Schweizerischen Bundesbahnen, diese Zahlungslösung akzeptieren und nutzen.

Diese Lösung war zwar mit fast jedem Mobiltelefon nutzbar, das Picture-SMS empfangen konnte, sie ging aber in die falsche Richtung. Der Test zeigte nämlich, dass sich die Technologie für das Bezahlen an der Ladenkasse eher Richtung kontaktlose Kommunikation (NFC - Near Field Communication) weiterentwickelt. Er lieferte wichtige Erkenntnisse für die Zukunft des M-Payments.

In der zweiten Hälfte 2008 haben dann Credit Suisse, Postfinance, Swisscard, Swisscom, Telekurs Multipay und Visa Europe in einem Pilotversuch die technische und betriebliche Machbarkeit sowie die Nutzerfreundlichkeit der neuen NFC-Funktechnologie für das kontaktlose Bezahlen mit Mobiltelefon und Kreditkarten getestet. Eine Kommerzialisierung hängt aber von verschiedenen Faktoren ab, auf die später näher eingegangen wird.

Stufe 3b - Mobile Payment im Distanzgeschäft

Das Mobiltelefon scheint prädestiniert, um spontan auf Kaufangebote reagieren zu können. In der Schweiz gab es im Jahr 2006 erste Lösungen, die sich aber bis heute nicht durchsetzen konnten. Sie basierten auf dem Internetprotokoll und der Idee, dass der Käufer wie zuhause am Computer mit Internetverbindung in einem Browser auf dem Handy einen Artikel auswählt und mittels SSL-verschlüsselter Verbindung seine Zahldaten via Onlineshop dem Zahlkartenherausgeber über mittelt. Diese Einsatzmöglichkeit wird von den Kunden jedoch kaum genutzt: Das Navigieren auf dem Mobiltelefon ist zu umständlich, und die Datenkommunikationskosten sind für die Konsumenten und Konsumentinnen heute vielfach kaum einschätzbar.

Seit Sommer 2007 existiert für M-Payment im Distanzgeschäft eine neue Möglichkeit: Postfinance-Kunden können ihre Mobiltelefonnummer mit ihrem Postkonto verknüpfen und per Telefonanruf oder SMS über ihre Handynummer bargeldlos bezahlen. Der Kaufbetrag wird auf dem Postkonto autorisiert und dem Verkäufer am Folgetag gutgeschrieben. Gerade innovative Händler erkennen in dieser mobilen Zahlungsmöglichkeit einen neuen, attraktiven Absatzkanal. In der Schweiz beträgt das jährliche Marktvolumen für die Bezahlung von Mobile Services rund 640 Millionen Franken (Quelle: Publicom Studie 2007).

Stufe 4 - Mobile Marketing

Mobile Marketing steckt in der Schweiz erst am Anfang der Entwicklung. Die Finanzinstitute wendeten es bis heute nur vereinzelt an. Postfinance beispielsweise nutzte im vergangenen Jahr auf ihren Plakatkampagnen SMS als spontane Reaktionsmöglichkeit. Personen, die ein Postkonto eröffnen wollten, konnten per SMS "Konto auf", gefolgt von Name und Adresse, Kontoeröffnungsunterlagen nach Hause senden lassen. Die Finanzindustrie scheint sich (noch) auf ihre Kompetenzen im Mobile Banking und Mobile Payment zu fokussieren.

Die mangelnde Kooperationsbereitschaft zwischen Mobilfunkanbietern und den Finanzinstituten ist der Hauptgrund dafür, dass der Durchbruch einer flächendeckenden, plattformübergreifenden und nutzerfreundlichen Implementierung des M-Payments bis heute ausgeblieben ist. Eine Erfolg versprechende Kundenakzeptanz ist abhängig von der Vereinbarkeit der Kauf- und Bezahlgewohnheiten, der Einfachheit und Bequemlichkeit des Einsatzes sowie von Zeit- und Kostenerspar nissen. Zudem: Eine Studie der finnischen Notenbank über Veränderungen im Zahlverhalten der Käufer belegt, dass Sicher heit und Vertrauen in das Instrument und in den Serviceanbieter die wichtigsten Eigenschaften für neue Zahllösungen sind.

Das Mobiltelefon dürfte sich als Kommunikationskanal für das Mobile Banking und Träger von Zahlfunktionen für das Mobile Payment durchsetzen. Die Herausforderung für ein wirtschaftliches M-Pay-ment-System in der Schweiz liegt indes im Zusammenwachsen von Payment und Mobilkommunikation. Der Schlüssel dazu ist die Bildung eines marktfähigen, offenen Kooperationsmodells zwischen den Händlern, Finanzinstituten und Mobilnetzbetreibern. Auf dieser Basis ist der Durchbruch in etwa fünf Jahren zu erwarten. NFC-fähige Handys dürften dann verbreitet sein und könnten den physischen Zahlkarten Konkurrenz machen.

Begünstigt durch die wachsende Konsu-menten-Generation mit einem stark entwickelten digitalen Selbstverständnis, wird die mobile Zukunft im Zahlungsverkehr Realität werden.

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