Leitartikel

Selbstverordnete Neutralität

PO - Die Ursprünge sind ein wenig unklar. Zwar wurde 1327 erstmals das Hawala-System der islamischen Länder erwähnt, doch gab es wohl schon Jahrhunderte zuvor Verrechnungen von Forderungen und Verbindlichkeiten über größere räumlich Distanzen hinweg. Damit hatte die Bundesbank nichts zu tun. Doch mit Gründung der Reichsbank im Jahre 1876 rückte die Aufgabe, für einen reibungslosen Ablauf des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu sorgen, in ihren Einflussbereich. So trafen sich damals zunächst die Boten der Kreditinstitute in größeren Ortschaften und verrechneten die gesammelten Schecks und Überweisungen miteinander. Überschüssige Mittel aus diesen Salden wur den über die Reichsbankkonten, die von allen Banken zu unterhalten waren, ausgeglichen. Nach Gründung der Bank deutscher Länder wurde die direkte Verrechnung zwischen den Kreditinstituten 1949 abgeschafft. Alles sollte fortan über die Landeszentralbanken abgewickelt werden. So der Plan: Doch da hatte die Bundesbank die (Ver-) Rechnung ohne die Banken gemacht. Denn um die Überweisungsbeträge während der Postlaufzeiten zinsbringend anlegen zu können, wollten diese vor allem größere Beträge unbedingt so lange wie möglich in der eigenen Gruppe halten. Das ging bei Sparkassen, die das Spargironetz der Girozentralen/Landesbanken nutzten, und bei den Genossenschaftsinstituten, die auf den Ringgiroverkehr ihrer Zentralbanken zugreifen konnten, wunderbar. Und auch das Postgironetz, der Vorläufer der Deutschen Postbank, eignete sich hervorragend. Nur die privaten Banken hatten nichts Vergleichbares. Deren Klagen erhörte die Deutsche Bundesbank und stellte ihnen die Kapazitäten ihres Netzes zur Verfügung, um so die Nachteile zu beseitigen. Es ist also keinesfalls eine Entwicklung der jüngeren Zeit, dass die Zentralbanken es als ihre Aufgabe betrachten, den Zugang und den Umgang mit Zahlungsverkehrssystemen stets für alle offen zu halten.

"Wenn Sie morgens aus dem Haus gehen und in Ihr Auto, die Bahn oder den Bus steigen, um zur Arbeit zu fahren, verläuft dies in der Regel ohne größere Probleme. Die Straßen sind auch im Winter frei von Schnee, der öffentliche Nahverkehr ist pünktlich und preiswert. Und solange das zutrifft, machen Sie sich darüber morgens vermutlich auch keine großen Gedanken. Doch was ist, wenn wie in diesem Winter das Streusalz zu Ende geht, Busse und Bahnen wegen Streik ausfallen oder die Ticket-Preise erneut erhöht werden? Dann wird Ihnen vermutlich bewusst, dass eine funktionierende und preiswerte Infrastruktur wichtig, aber nicht unbedingt selbstverständlich ist. Mit dem unbaren Zahlungsverkehr verhält es sich ganz ähnlich." So umschreibt Jochen Metzger, Zentralbereichsleiter Zahlungsverkehr und Abwicklungssysteme den Anspruch an sein Haus.

Dieses jederzeitige Funktionierenmüssen gilt dabei längst nicht mehr nur für nationale Netze, sondern mit der zunehmenden Ausbreitung der Tätigkeitsfelder der Banken in steigendem Maße auch international. Das reicht vom indirekten Einflussbereich Sepa bis hin zum direkt von der Bundesbank betriebenen Großbetragszahlungssystem Tar -get-2, das um Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld ergänzt die nächste Stufe Tar get- 2-Securities erreicht hat. Die Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs ist also zweifelsfrei ein Zukunftsfeld für die nationale Zentralbank. Doch noch dominiert Bargeld. Während im Bereich Bargeld 61 Prozent des Personals und auch der Kosten anfallen, sind es im unbaren Zahlungsverkehr gerade einmal neun Prozent des Personals und 13 Prozent der Kosten. Im Bargeldhandling will sich die Bundesbank stückchenweise zurückziehen, private Unternehmen stärker einbinden und stattdessen für diese Unternehmen wie damals bei den Bankboten nur die Girokonten zur Verrechnung bereitstellen. Bei allem Einsatz der Notenbank im baren wie unbaren Zahlungsverkehr gilt: Für die Freiheit des Zahlungsverkehrs zu sorgen muss oberstes Ziel sein, darauf muss sie Einfluss nehmen. Dafür bedarf es Menschen wie Hans Georg Fabritius, die spürbar unaufgeregt mit der entsprechenden Distanz zur Branche die Kreditwirtschaft jedoch ob ihres Fachwissens überzeugen und mit ihrer Beharrlichkeit bewegen.

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