Perspektiven im Zahlungsverkehr

Grußwort von Axel A. Weber für Hans Georg Fabritius - Die Bedeutung des Zahlungsverkehrs für die Deutsche Bundesbank

Nach fast einer Dekade verlässt Dr. Hans Georg Fabritius Ende April die "Kommandobrücke" im Zahlungsverkehr der Deutschen Bundesbank. Während dieser Zeit hat er die strategische Ausrichtung dieses Geschäftsbereichs gesteuert und die Bundesbank im Zahlungsverkehr maßgeblich geprägt. Dies ist ein guter Anlass, einen genaueren Blick auf die Bedeutung dieses in der Öffentlichkeit bisweilen immer noch unterschätzten wichtigen Aufgabenbereichs der Bundesbank zu werfen.

Als Teil des Europäischen Systems der Zentralbanken fördert die Bundesbank das reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme. Der Zahlungsverkehr ist daher eines ihrer fünf Kerngeschäftsfelder. Seine Bedeutung zeigt sich auch in der Wechselwirkung zu den anderen Geschäftsfeldern der Bundesbank.

Durchführung der Geldpolitik: Die Geldpolitik bedient sich des unbaren Zahlungsverkehrs insbesondere bei der raschen und reibungslosen Bereitstellung von Zentralbankgeld auf den Konten der Banken sowie bei dessen Verteilung und Handel auf dem Geldmarkt. Das Target-2-System der Eurosystem-Zentralbanken bildet insoweit die infrastrukturelle Grundlage für einen einheitlichen europäischen Geldmarkt und eine effiziente Geldmarktsteuerung. Entsprechend könnten Verwerfungen im unbaren Zahlungsverkehr er hebliche Auswirkungen auf monetäre Aggregate und die Nachfrage nach Zentralbankgeld haben.

Sicherung der Finanzstabilität: Störungen im Zahlungsverkehr können das Vertrauen in die Währung erschüttern und die reale Wirtschaft beeinträchtigen. Dies gilt insbesondere für Zahlungs- und Abwicklungssysteme mit systemischer Relevanz, die durch hohe Umsätze gekennzeichnet sind und aufgrund ihrer starken Vernetzung mit anderen Infrastrukturen bei Störungen als "Ansteckungskanal" dienen können. Aber auch im Massenzahlungsverkehr besteht wegen der großen Anzahl der Transaktionen die Gefahr erheblicher Auswirkungen in der Öffentlichkeit, wenn größere Störungen oder Sicherheitslücken auftreten würden.

Wechselwirkungen mit der Bankenaufsicht: Der Zahlungsverkehr ist traditionell in starkem Maße durch Banken geprägt. Insoweit trägt auch die Bankenaufsicht zur Stabilität des Zahlungsverkehrs bei. Eine komplementäre Funktion kommt der Zahlungsverkehrsüberwachung (Oversight) zu. Diese ist im Geschäftsbereich Zahlungsverkehr angesiedelt und agiert stärker sicherheitsbezogen aus der "Systemperspektive" heraus. Sie umfasst darüber hinaus die Beobachtung und Bewer tung von Zahlungssystemen, Zahlungsinstrumenten und relevanten technischen Dienstleistern.

Effiziente Bargeldversorgung: In der Wahrnehmung der Verbraucher ergänzen sich barer und unbarer Zahlungsverkehr. Während Rechnungen, Versicherungsbeiträge und ähnliches überwiegend durch Überweisungen und Lastschriften beglichen werden, dominiert an den Ladenkassen mit rund 60 Prozent in Deutschland immer noch das Bargeld. Allerdings haben Kartenzahlungen und das "Elektronische Lastschriftverfahren (ELV)" auch hier in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen.

Wie das gesamte Erscheinungsbild der Bundesbank hat sich auch der Geschäftsbereich "unbarer Zahlungsverkehr" in den letzten Jahren stark verändert. Insbesondere im Bereich des Individualzahlungsverkehrs hat die Bundesbank konsequent auf Konsolidierung und Innovation gesetzt. Aufbauend auf den Erfahrungen der Vorgängersysteme hat sich die Bundesbank aus strategischen und wirtschaftlichen Gründen schon früh für die Realisierung einer Gemeinschaftsplattform im Eurosystem und damit gegen den alten Target-Systemverbund ausgesprochen, in dem jedes Land ein eigenes System unterhielt. Seit 2007 betreiben wir zusammen mit der Banca d'Italia und der Banque de France Target-2. Wir haben uns damit eine neue, zukunftsorientierte Funktion als Serviceanbieter für das gesamte Eurosystem erschlossen.

Gerade die Finanzkrise hat die Bedeutung von Zentralbankgeld als risikofreiem und hochliquidem Zahlungsmittel und die zentrale Rolle widerstandsfähiger Abwicklungsinfrastrukturen unter Beweis gestellt.

Als Reaktion auf die seit 2001 spürbar veränderte Bedrohungslage verfügt Tar- get-2 beispielsweise über eine Maßstäbe setzende Ausfallvorsorge. Mit dem geplanten Wertpapierabwicklungssystem Target-2-Securities wird die Verwendung von sicherem und hochliquidem Zentralbankgeld weiter gefördert. Auf internationaler Ebene hat die Bundesbank die Entwicklung des globalen Devisenabwicklungssystems CLS (Continuous Linked Settlement) unterstützt, mit dem das Erfüllungsrisiko im Devisenhandel eliminiert wird. Systemischen und systemweiten Risiken im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung begegnen wir auch durch den Ausbau unserer Oversight- Aktivitäten.

Nahezu alle Projekte der Bundesbank im unbaren Zahlungsverkehr - Target-2, Target-2-Securities, Single Euro Payments Area (Sepa) - weisen eine starke integrative Komponente auf. Durch Harmonisierung von Verfahren und Nutzung gemeinsamer Standards wird die bislang noch bestehende nationale Fragmentierung im Bereich des Zahlungsverkehrs beziehungsweise der Wertpapierabwicklung überwunden. Zielsetzung ist die Herstellung eines funktionierenden Wettbewerbs im europäischen Binnenmarkt, der über eine größere Dynamik der Angebotsseite und Losgrößenvorteile die Basis für eine kostengünstigere Abwicklung, höhere Effizienz und mehr Innovation für die Nutzer schafft.

Die Bundesbank wird diese von Dr. Fabritius mit geprägte Ausrichtung konsequent weiter verfolgen. Auch künftig wird der unbare Zahlungsverkehr eine unserer Kernkompetenzen sein. Zudem werden wir im fortschreitenden europäischen Integrationsprozess und im Eurosystem unsere besonderen Stärken einbringen: operative Kompetenz, ausgeprägte Marktnähe und hohe Kundenorientierung. Und wir werden weiter die Unterstützung des Kreditgewerbes sowie - beispielsweise im Hinblick auf die Sepa-Migration in Deutschland - den aktiven Beitrag staatlicher Stellen einfordern, um unserem Auftrag, für mehr Effizienz und Sicherheit im Zahlungsverkehr zu sorgen, gerecht zu werden.

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