WERTPAPIERGESCHÄFT

"Wir wollen dazu beitragen, die Wertpapierkultur zu stärken" Interview mit Ronny Förster

Ronny Förster, Foto: ING Deutschland (Simon Katzer)

Mit dem Absenken der Mindestsparrate für Wertpapiersparpläne auf 1 Euro hat die ING ihr Ziel, die Einstiegshürde für das Wertpapiersparen zu senken, offenbar erreicht: Die Anzahl der Sparpläne ist deutlich gestiegen. Die durchschnittliche Sparrate liegt gleichwohl bei 120 Euro. In der neuen Komfort-Anlage sieht Förster eine Ergänzung zur bestehenden Kooperation mit Scalable. Während Letztere auch von erfahrenen Anlegern genutzt wird, richtet sich die Komfort-Anlage an unerfahrene Einsteiger. Red.

Herr Förster, bedingt durch die Corona-Pandemie hat das Wertpapiergeschäft einen neuen Schub erhalten. Wie hat sich diese Entwicklung auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Das starke Interesse an Wertpapieren ist ungebrochen. Dies zeigt sich auch bei den Depot-Eröffnungen: Allein im ersten Quartal 2021 sind wir um über 100 000 auf insgesamt 1,8 Millionen Depots gewachsen.

Wertpapiersparpläne erfreuen sich weiterhin sehr großer Beliebtheit. Im ersten Quartal wurden 340 000 neu angelegt. Dieser Trend hat sich mit dem dauerhaften Verzicht auf die Kaufgebühr bei allen unseren über 800 angebotenen ETF-Sparplänen noch einmal beschleunigt, sodass die Marke von einer Million Wertpapier-Sparplänen in Sichtweite ist.

Was waren die maßgeblichen Treiber dafür, dass sich plötzlich so viele Menschen für das Thema Geldanlage und die Börsen interessiert haben?

Ein Treiber ist, dass viele Menschen mittlerweile erkennen, dass sie mit klassischen Sparprodukten keine Rendite mehr erzielen, und sich daher mit Wertpapieren als Geldanlage und sinnvolle Ergänzung beschäftigen. Wir beobachten, dass vor allem Wertpapiersparpläne als Einstieg gefragt sind. Also mit kleineren, regelmäßigen Beträgen in Wertpapiere investieren.

Kann diese Entwicklung langfristig sein, haben wir also eine neue Aktienkultur in Deutschland? Oder wird sich bei einer längeren "Flaute" an den Märkten die massenhafte Abkehr vom Wertpapiermarkt wiederholen, die wir in Deutschland schon mehrfach gesehen haben (Stichworte: T-Aktie oder Neuer Markt)?

Da können wir nur mutmaßen. Wir hoffen natürlich, dass es eine langfristige Entwicklung ist. Sicher ist, dass das aktuelle Zinsumfeld wenig Alternativen zulässt.

Die ING möchte das Wertpapiersparen so einfach wie das Tagesgeldsparen machen. Wie ermöglichen Sie das?

Indem wir es ermöglichen, schon ab 1 Euro regelmäßiger Sparrate in Wertpapiere zu investieren, und darüber hinaus über 800 ETF-Sparpläne ohne Kaufgebühr anbieten. Das ist ein sehr niederschwelliges Angebot praktisch ohne Einstiegshürde.

Für den Corona-Kleinanleger-Boom waren vor allem junge Menschen knapp unter 30 Jahren verantwortlich. Welche strategischen Maßnahmen ergreifen Sie, um diese Zielgruppe langfristig halten zu können?

Gerade für junge Kunden ist es wichtig, dass sie ihre Wertpapiergeschäfte schnell und einfach erledigen können. Dabei wollen sie ein großartiges Design und eine gewisse Experience. Aus diesem Grund arbeiten wir daran, unsere Banking-to-go-App immer weiter zu entwickeln. Und das mit Erfolg: Denn bereits jetzt werden 60 Prozent aller Transaktionen über die App aufgegeben.

Die Zahl der Depots explodierte während des Corona-Booms. Flacht diese Entwicklung langsam ab?

Wir sehen weiterhin eine sehr starke Nachfrage nach Anlagen in Wertpapieren.

Sind Mindestsparraten von 1 Euro für die Bank tatsächlich profitabel? Und umgekehrt: Wie lohnen sich solche Mini-Sparraten für den Kunden?

Wir möchten die Hürde so weit wie möglich senken, das gilt auch für die Sparrate. Natürlich ist es aus Sicht für die Kunden sinnvoller, mit Beträgen höher als 1 Euro zu sparen. Und das tun viele unserer Kunden bereits. So bewegt sich die durchschnittliche Sparplan höhe bei rund 120 Euro.

Sind Sparpläne ab 1 Euro überhaupt mehr als ein Marketinginstrument?

Wertpapier-Sparpläne sind ein sehr gutes Angebot, um erste Erfahrungen in der Wertpapieranlage zu sammeln. Man spart regelmäßig, langfristig und kann bei Bedarf auch jederzeit stoppen. Damit wollen wir einen Teil dazu beitragen, die Wertpapierkultur in Deutschland langfristig zu stärken.

Welche Resonanz hat die neue Untergrenze für monatliches Wert papiersparen bei den Kunden gefunden? Ist die Anzahl der Sparpläne dadurch drastisch gestiegen und/oder die durchschnittliche Sparrate deutlich gesunken?

Die Anzahl der Wertpapier-Sparpläne ist deutlich gestiegen. Allein im ersten Quartal sind 340 000 neu von unseren Kunden angelegt worden. Dieser Trend hat sich mit dem dauerhaften Verzicht der Kaufgebühr bei allen über 800 angebotenen ETF-Sparplänen noch einmal beschleunigt, sodass die Marke von einer Million Wertpapiersparpläne in Sichtweite ist.

Wie wichtig ist es, vor allem unerfahrenen Kunden, bei der Auswahl zu helfen?

Sehr wichtig. Wir haben festgestellt, dass ein Teil unserer Sparkunden Unterstützung bei der Suche nach der passenden Anlage am Kapitalmarkt benötigt. Die "ING Komfort-Anlage" nimmt genau diese Kundengruppe bei der Anlageentscheidung an die Hand, senkt die Einstiegshürden weiter und hilft bei den ersten Schritten Richtung Kapitalmarkt.

Wie passen die digitale Beratungsstrecke und das Angebot von Scalable zusammen? Wo sehen Sie Unterschiede bei den Zielgruppen?

Unsere Kooperation mit Scalable Capital läuft schon seit September 2017 - und das nach wie vor erfolgreich. Die im Mai dieses Jahres gestartete "Komfort-Anlage" ist also eine Ergänzung zu der bestehenden Kooperation mit der Online-Vermögensverwaltung von Scalable Capital.

Bei der Online-Vermögensverwaltung haben wir festgestellt, dass dies nicht nur Neueinsteiger nutzen, sondern auch Kunden, die bereits heute sehr aktiv und selbstständig ihre Wertpapiere handeln. Das Komfort-Depot soll speziell denjenigen Kunden bei der Auswahl helfen, die heute nur geringe Vorkenntnisse mitbringen.

Bei der Komfort-Anlage können Wertpapiere ohne Transaktionsgebühren verkauft werden. Kann das nicht eine gewisse Zockermentalität bei manchen Anlegern wecken?

Das Angebot richtet sich vornehmlich an Einsteiger und Anleger, die Unterstützung bei der Entscheidung benötigen. Erfahrene Anleger investieren sicherlich vor allem in einzelne Wertpapiere mit größerer Renditechance, aber auch gestiegenem Risiko. Wir sagen den Kunden, dass sie einen mittel- bis langfristigen Zeithorizont mitbringen sollten. Der Grund ist auch, dass mit Wertpapierinvestments mögliche Risiken durch Wertschwankungen einhergehen. Gleichzeitig war es uns aber auch wichtig, dass die ING Komfort-Anlage den Kunden volle Flexibilität bietet. Das war eine der zentralen Erkenntnisse aus diversen Marktforschungen vor dem Start des Angebots.

Das Angebot, ETF-Sparpläne ohne Kaufgebühren anzubieten, lässt sich als Kampfansage an die Neobroker verstehen. Sehen Sie in diesen aktuell Ihre größte Konkurrenz?

Das Angebot soll die Einstiegshürde zum Investieren weiter senken. Die ING ist in Deutschland mit ihrem Tagesgeldangebot als Sparbank groß geworden. Nun wollen wir die Bank mit dem breitesten Wertpapier-Angebot sein, indem wir den Einstieg in das kostengünstige, regelmäßige und breit gestreute Investieren in Wertpapiere erleichtern.

Bei der Komfort-Anlage werden vornehmlich Wertpapierinvestitionen aus nachhaltigen ETF-Fonds empfohlen. Wie stellen Sie sicher, dass es sich dabei tatsächlich um nachhaltige Produkte handelt? Und wie lässt sich die oft umstrittene Wirkung nachweisen?

Im Rahmen des Selektionsprozesses verfolgt die ING das Ziel, möglichst nur Instrumente zu berücksichtigen, die mindestens den Standard ESG-Screened von MSCI erfüllen. Wann immer geeignete Instrumente verfügbar sind oder werden, wählt die ING strengere Standards mit dem Ziel, in Zukunft nur noch in Fonds mit SRI-Standard zu investieren. Jeder Fonds und sein Anbieter werden auf Einhaltung der ING-Nachhaltigkeitskriterien überprüft. Ziel ist es, dass die Fonds den aktuellsten Nachhaltigkeitsstandards entsprechen.

Ronny Förster, Chapter Lead Product Strategy, ING-DiBa AG (ING Deutschland), Frankfurt am Main
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