Leitartikel

Unbelehrbarkeit als Strategie?

K. O. - Vielleicht ist es auf Dauer wirklich die einzige Möglichkeit, das Privatkundengeschäft einigermaßen vollständig im Bankhaus zu behalten: Die kostenlose Kontoführung wird zur Regel. Was mindestens eine Generation ernsthafter Retailbanker als unbedingt zu überwindende Fehlleistung des Kreditgewerbes kritisierte, haben ihre geländegängigen Nachfolger inzwischen ganz offensichtlich als irreparablen Schaden akzeptiert. Mehr noch: Sie haben wieder einmal die Not der Kostenrechner zur Tugend des Bankmarketings erklärt. Das gebührenfreie Konto wird allerorten beworben, als sei es die Errungenschaft überhaupt - und nicht etwa die Ursünde. Da werden zwar andauernd (und ausgeprägt auch in "bank und markt") tolle Geschichten über die unglaublichen Chancen "echten" Beziehungsgeschäfts geschrieben. Aber das scheint die pure Theorie zu sein.

In der Wirklichkeit der Bankpraxis haben auch die Erfahrungen aus einem halben Jahrhundert mit den Privatkunden nicht vermocht, die simpelste aller Kundenbeziehungen bedeutungslos werden zu lassen. Die Erledigung des "ganz alltäglichen Krams" mit dem laufenden Konto knüpft bis heute die Bande zwischen Kunde und Bank, die am besten halten. Da mag das Sparbuch schon längst bei der Postbank liegen, das Depot bei Comdirect, die Hypothek bei der Diba - das Girokonto dagegen "bleibt erst mal noch" bei Sparkassen, Volksbanken und Raiffeisenbanken.

Wenn man nur ein wenig übertreiben darf, könnte man als erschreckenden Eindruck festhalten, dass die Ertragsvernichtung sich im Retail mittlerweile addieren lässt: Über das kostenlose Girokonto, selbstverständlich inklusive ec, Visa, Mastercard, bekommt man just jene gierige Klientel ins Haus, die die höherwertigen Spar- und Kreditangebote des kontoführenden Instituts erst akzeptiert, wenn auch diese noch bis zur Subvention hin bonifiziert werden. Wie klug ausgedacht!

Am 14. Mai 2007 hat mit American Express eine Institution in Deutschland ihren 100. Geburtstag gefeiert, die einst das deutsche Kreditgewerbe zu heute völlig unglaublichem Gemeinwohlstreben anregte. American Express schickte sich nämlich damals an, auf seiner Basis von rund einer Million bankunabhängigen, erstklassigen Kreditkarten, dazu einem milliardenschweren Reisescheckgeschäft sowie wohlbekannten Reisedienstleistungen das deutsche Bankretail insgesamt anzugreifen. Als Antwort bauten alle drei Säulen der Republik den großen Dreiklang. Sie fügten ihrem Kernprodukt "eurocheque" etwas widerwillig, aber immerhin die "Eurocard" als eigene Kreditkarte und den "Euro Travelers Cheque" als eigenen Reisescheck hinzu: Alles wirkliche Gemeinschaftsprojekte des nationalen Bankgewerbes, die in Windeseile mit europäischen Partnern verknüpft wurden. Um 1980 herum stand damit eine "Festung Europa" gegen die "amerikanischen Kreditkartengesellschaften".

Sie ist eine nur zeitbedingte Errungenschaft geblieben, weil der Egoismus im Retail wie im speziellen Kartengeschäft den Banken doch bald wieder als die bessere Strategie erschien. Erst seit die EU für die Single European Payment Area neue Gemeinschaftlichkeit verlangt, scheinen sich die Kerngruppen der ehemaligen ec-Community wieder der alten Ziele zu erinnern - mit Bankdebit, nicht Kartenkredit. Und American Express? Selbst als das alte Euro-Kartell sich auflöste, war man sich zu fein, wie Visa und Mastercard in den massenhaften deutschen Bankvertrieb zu gehen. "Marktführer im Premium" aber, das sei man trotzdem, heißt es. Wieder ein Versäumnis als Strategie?

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