Blickpunkte

Privatkundengeschäft - Kontraproduktives EU-Sparbuch

So lange ist es noch gar nicht her, dass sich die Retailbanken in Deutschland über die erweiterten Aktivitäten der Bundesrepublik Deutschland Finanzagentur im Privatkundengeschäft erregten, deren Pläne weit über das hinausgingen, was letztlich realisiert wurde. Mittlerweile hat sich dieser staatliche Wettbewerber angesichts von Finanzkrise und Zinsentwicklung, die eine Mittelaufnahme im Privatkundensegment unattraktiv machte, wieder vom Privatkundensegment verabschiedet. Der Vertrieb von Privatkundenprodukten wurde zum Jahresende 2012 eingestellt. Doch schon droht neues Ungemach in Gestalt des erneut in die Debatte geworfenen "EU-Sparbuchs", mit dem die Kreditversorgung von Unternehmen in der EU verbessert werden soll und für das das französische "Livret A" Pate stehen soll. Noch bis zum Jahresende soll eine Machbarkeitsstudie und ein Gesetzentwurf zur möglichen Ausgestaltung vorgestellt werden, so hat es Michel Barnier Ende März angekündigt. Zu Recht hat die Branche in Deutschland an diesen Plänen deutliche Kritik geübt.

Kreditinstitute in Deutschland wären davon in mehrfacher Hinsicht bedroht: Damit das Einsammeln von Einlagen als Basis für die Unternehmensfinanzierung gelingen kann, muss der Zins für das EU-Sparkonto, das nach den Vorstellungen Barniers von der Europäischen Investitionsbank herausgegeben werden könnte, über dem liegen, was im Markt geboten wird. Damit würde der ohnehin schon ruinöse Preiskampf im Wettbewerb um die Einlagen der privaten Kunden noch weiter angeheizt. Auf das neue EU-Sparkonto abfließende Einlagen stünden Kreditinstituten nicht mehr für die Kreditvergabe zur Verfügung.

In Märkten, in denen die Unternehmensfinanzierung bislang gut funktioniert (wie es in Deutschland der Fall ist), könnte dieser Eingriff also nur kontraproduktiv ausfallen. Überdies wäre die solchermaßen erreichte Teilverstaatlichung des Sparens und der Unternehmensfinanzierung letztlich vermutlich mit einer Verlagerung des Kreditrisikos auf den Steuerzahler verbunden. Denn eine echte Alternative zu klassischen Spareinlagen kann das EU-Sparkonto (selbst dann, wenn es mit einer überdurchschnittlichen Rendite wirbt) nur sein, wenn es auch dort eine Einlagensicherung gibt.

Zweifellos gibt es Länder, in denen sich die Situation der Unternehmensfinanzierung schwieriger darstellt als in Deutschland. Doch wenn Firmen dort Probleme haben, ihre Investitionen zu finanzieren, liegt dies nicht allein an der Knauserigkeit der Banken, sondern zum einen an den unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven, zum anderen am Fehlen starker, lokal verankerter Kreditinstitute, die aus Einlagen vor Ort Kredite für die heimische Wirtschaft machen, so heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von DSGV und BVR zur Europawahl. Wichtiger ist also eine Lösung der zentralen wirtschaftspolitischen Fragestellungen.

Erst einmal ist freilich Europawahl. Und dabei sieht es so aus, als würden jene Kräfte, die sich weniger Europa wünschen, im Parlament künftig eine deutlich stärkere Rolle spielen als bisher. Inwieweit sich deren neues Gewicht auch auf Pläne wie die für das EU-Sparbuch auswirken könnte bleibt abzuwarten. Red.

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