Blickpunkte

Markenführung - Was wird aus AWD?

Unbestritten: Die Marke AWD ist belastet. Da war zunächst die Übernahme durch den Versicherer Swiss Life, die den "unabhängigen Finanzoptimierer" nicht nur das Gütesiegel der Unabhängigkeit kostete. Dass man es noch darauf ankommen ließ, dies vom Landgericht Hannover gerichtlich feststellen zu lassen (Urteil vom 30. September 2009, Aktenzeichen 18 O 193/08), verstärkte den Umstand vermutlich noch in der öffentlichen Wahrnehnmung. Heute heißt der Claim nur noch "Ihr persönlicher Finanzoptimierer".

Nun mag der Verlust der Unabhängigkeit bei solchen Kunden, die sich gut beraten fühlen, mit der Zeit in Vergessenheit geraten. Und auch bei Interessenten, die sich anderswo schlecht aufgehoben fühlen und vielleicht nach einer Alternative suchen, muss die mangelnde Unabhängigkeit nicht automatisch ein K.O.-Kriterium sein.

Ein besonderes G'schmäckle dürfte indessen der Rückzug des Unternehmensgründers Carsten Maschmeyer haben. Mag der auch vielleicht überwiegend persönliche Gründe haben - es kommen Zweifel auf, ob da nicht jemand ein demnächst sinkendes Schiff verlassen und schnell noch einmal Kasse gemacht hat. Dass AWD in jüngerer Zeit immer wieder mit Vorwürfen der Fehlberatung Schlagzeilen gemacht hat, kann solche Zweifel nähren und tut der Neukundengewinnung beziehungsweise der Kundenbindung vermutlich nicht gut. Dass solche Fehlberatungsvorwürfe nicht AWD-spezifisch sind, ändert daran nichts.

Der Gedanke, beim Image durch einen Wechsel der Marke gleichsam einen Neustart hinzulegen, hat für den Unter nehmenseigner Swiss Life deshalb vermutlich durchaus Charme - wenngleich die Spekulationen über Umbenennungspläne nicht bestätigt werden. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. "Altlasten" wird man schließlich durch einen Markenwechsel nicht los - man denke nur an den Versicherer Ergo, der sich auch nach der Vereinheitlichung der Marke mit den Skandalen rund um die HMI auseinandersetzen musste.

Auch die in der Werbung so hilfreiche Unabhängigkeit gewinnt der Finanzvertrieb durch ein bloßes Rebranding nicht zurück. Schlimmer noch: Die neue Marke müsste sich von vornherein als Versicherungstochter etablieren. Sollte hier eine deutliche Verbindung zu Swiss Life hergestellt werden, wäre das zwar im Sinne einer Konzern-Markenstrategie konsequent. Es dürfte aber vermutlich auf Wiederstand bei den Beratern stoßen, die noch immer den Grundsatz einer unabhängigen Beratung hochhalten und sich hier sicher nicht durch einen offensichtlichen Bezug zu einem Produktgeber Lügen strafen lassen wollen.

Auch bei den Kunden wäre durch einen kompletten Markenwechsel gleich der noch in Maßen verbliebene Vertrauensbonus des AWD aus unabhängigen Zeiten (schließlich halten sich "gelernte" Werbebotschaften unglaublich lange in den Köpfen) unwiederbringlich dahin. Und bis man mit neuem Logo und Claim an die (auch ungestützt beneidenswert hohe) Bekanntheit der alten Marke anknüpfen könnte, dürften voraussichtlich viele Jahre vergehen, falls es überhaupt je gelingt - von den erforderlichen Marketingaufwendungen ganz zu schweigen.

Schließlich und endlich ist es noch gar nicht ausgemacht, dass ein Markenwechsel die Geschäftsentwicklung des AWD wirklich nachhaltig befördern würde. Denn die Umsatzeinbrüche der letzten Zeit gehen sicher nicht allein auf die Imageprobleme zurück. Auch andere Finanzvertriebe leiden etwa am schwierigen Neugeschäft mit Lebensversicherungen oder den neu eingeführten Provisionsobergrenzen für die Vermittlung von Krankenversicherungsverträgen. Sb

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