Sepa

Ernüchterung aus Bankensicht: Der Sepa- Durchbruchwird schwer

Am 28. Januar 2008 wurde mit der Einführung der Sepa-Überweisung ein wichtiger Meilenstein zu einer weiteren Homogenisierung des europäischen Zahlungsraums nach Einführung des Euro als einheitliche Währung geschaffen. Ziel war und ist es, die große Anzahl an unterschiedlichen nationalen Standards, Verfahren und Zahlungsformaten zu vereinheitlichen und so den Grundstein zu einer ökonomisch effizienteren und kostengünstigeren europäischen Zahlungsverkehrsinfrastruktur zu legen. Anlässlich dieses aus Zahlungsverkehrssicht historischen Ereignisses hat das Beratungsunternehmen Bearing-Point im zweiten Quartal 2008 eine Studie zum Thema "Sepa - Erste Erfahrungen am Markt" durchgeführt.

Business Case kurzfristig negativ

Die Schlüsselerkenntnisse dieser Umfrage, an der über 30 Institute aus sechs europäischen Ländern teilgenommen haben, zeigen klare Tendenzen in den Erfahrungen und skizzieren die Erwartungen an die Einführung der Sepa-Lastschrift im Jahr 2009. Die Aussagen der befragten Institute nach der Einführung der Sepa-Überweisung geben ein sehr realistisches Bild der Umsetzung wie auch der künftigen Entwicklungen wider: Der Sepa-Start im Januar 2008 verlief größtenteils problemlos.

Eine Zentralisierung des Clearings zum Sepa-Start ist vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen zu erkennen - 86 Prozent der befragten Institute verwenden für Sepa-Transaktionen derzeit nur eine Clearingstelle. 75 Prozent der Befragten sehen die von ihnen erwartete Sepa-Kundennutzung als erfüllt an - so wurde allgemein erwartet, dass die Nutzung mit einer sehr niedrigen Anzahl von Sepa-Transaktionen beginnen würde. Die Mehrzahl der Sepa-Zahlungen bewegt sich innerhalb Westeuropas, speziell in der Schweiz, in Deutschland sowie in Österreich.

Während eine Bearing-Point-Studie aus dem Jahr 2007 Additional Optional Services (AOS) noch als eindeutige Wettbewerbsdifferenzierungsmerkmale identifizierte, werden diese bislang als nachrangig betrachtet - nur 19 Prozent der Befragten haben solche Services im Rahmen der Sepa-Einführung berücksichtigt. 60 Prozent der befragten Institute planen aus heutiger Sicht auch in absehbarer Zeit keine Einführung.

Kurzfristig - innerhalb der ersten zwei Jahre - bewerten 90 Prozent der befragten Institute die bankindividuelle wirtschaftliche Erfolgsrechnung (Business Case) der Sepa-Einführung als negativ.

Sepa-Lastschrift: doppelt so teuer wie die Sepa-Überweisung

Hinsichtlich der Einführung der Sepa-Lastschrift befanden sich zum Zeitpunkt der Befragung 34 Prozent der befragten Institute in der Phase der Umsetzung, 16 Prozent bereits im Teststadium, 45 Prozent in der konzeptionellen Phase und fünf Prozent der Institute hatten noch keine Aktivitäten gesetzt. Knapp 80 Prozent der befragten Banken planen die Einführung der Sepa-Lastschrift im November 2009. Der dafür notwendige Implementierungsaufwand wird von rund 70 Prozent der Befragten auf ein Vielfaches der Überweisung - mehrheitlich zwei- bis dreifacher Aufwand - geschätzt Eine vollständige Migration des heutigen Inlandszahlungsverkehrs (Massengeschäft) auf Sepa wird von mehr als der Hälfte der Institute bis 2012/2013 erwartet

Wettbewerbsvorteil nur durch Zusatzprodukte

Basierend auf dieser ersten Bestandsaufnahme kann davon ausgegangen werden, dass Sepa von den Banken nicht als Wettbewerbsvorteil wahrgenommen wird. Sepa hat bei einigen Finanzinstituten zu immensen Implementierungskosten geführt, welchen gegenwärtig noch sehr vage Einsparungs- und Gewinnoptimierungspotenziale gegenüberstehen. Auch Unternehmen sehen bislang kaum einen Zusatznutzen in der Zahlungsverkehrsverarbeitung durch die eingeführte Sepa-Überweisung.

Die Weiterentwicklung der Standard-Sepa-Verfahren, wie die Angabe von Zusatzinformationen, die die automatisierte Verarbeitung bei Unternehmen erleichtern könnte, wird vielleicht das Interesse der Firmenkunden wecken. In diesem Kontext ist für Unternehmen auch die Entwicklung neuer Sepa-Produkte für die elektronische Rechnungsverarbeitung sowie für elektronische beziehungsweise mobile Zahlungssysteme verstärkt relevant. Gerade über die Weiterentwicklung und Marktfähigkeit solcher und ähnlicher Zusatzprodukte kann sich für Unternehmen, wie auch Banken ein Wettbewerbsvorteil etablieren.

Eine von allen an der Sepa-Idee mitwirkenden Stellen einheitlich unterstützte Vorgehensweise ist jedoch nur schwer zu erkennen und unkoordinierte nationale Produktentwicklungen im Sepa-Bereich würden der ursprünglichen Homogenisierungsintention und einheitlichen Vermarktung sowie Bepreisung entgegenwirken.

Etablierte Prozesse vermitteln subjektives Sicherheitsgefühl

Viele kolportierten Vorteile wie Kostenersparnis bei Überweisungen, Beseitigung von Inkompatibilitäten, höhere Transparenz und niedrigere Laufzeiten sowie allgemein ein verstärkter Wettbewerb mit folgenden günstigeren Gebührenstrukturen können vom Kunden bis heute nicht verifiziert werden. Dies führt wiederum auch zu einer Verzögerung des Erreichens der kritischen Masse.

Während sich die Zielgruppe der Sepa-Entwicklungen von den Banken auch verstärkt in Richtung Firmenkunden verschieben könnte, sind viele Unternehmen von den besagten Produkt- und Kostenvorteilen von Sepa derzeit kaum überzeugt. Der Umstieg auf ein neues System und neue Verfahren, wie zum Beispiel die Einführung der International Bank Account Number (IBAN) und des Bank Identifier Code (BIC) in den Kernsystemen der Unternehmen, ist in der Regel nicht nur mit Mehrkosten verbunden, sondern korreliert auch nicht mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl bereits gut eingespielter, getesteter sowie etablierter Prozesse.

Die öffentliche Hand verhält sich bislang sehr passiv zum Thema Sepa. Solange diese Situation sich nicht ändert, wird keine kritische Masse an Zahlungsverkehrsvolumen mittels Sepa abgewickelt werden können, was insgesamt wiederum in einer geringen Akzeptanz sämtlicher Marktteilnehmer resultieren würde.

Sepa-Mehrwert für die Endkunden derzeit kaum erkennbar

Dies ist auch Folge der noch angebotenen Konkurrenzprodukte der Banken, welche mindestens bis zum Ende der Sepa-Implementierung als additive Produktschiene (wie die EU-Standard-Überweisung) angeboten werden. Die Abwicklung bestehender Verfahren ist einfach, kostengünstig und von einer hohen Effizienz. Eine Ablösung dieser Vorteile müsste mit einem deutlichen Sepa-Mehrwert einhergehen, welcher für die Endkunden gegenwärtig nicht erkennbar ist.

Darüber hinaus gibt es keinen exakt definierten Zeitpunkt, ab dem ein Umstieg auf die Sepa-Schiene zwingend wäre, beziehungsweise die vorhandenen nationalen Zahlungsverkehrsverfahren einzustellen sind. Einige Marktteilnehmer fordern ein verbindliches "Migrationsdatum", andere verfolgen massiv ein Fortbestehen der heute angebotenen und im Einsatz befindlichen Zahlungsverkehrsverfahren. In diesem Kontext fehlt also der für eine Erfolgsgeschichte notwendige, vereinheitlichte Sepa-Gedanke.

Einheitliches Geschäftsmodell für Sepa in Gefahr

Im Vorfeld der Einführung der Sepa-Lastschrift werden Diskussionen über Umsetzung und Geschäftsmodell dieses neuen europäischen Lastschriftverfahrens immer brisanter und kontroverser. Einige Marktteilnehmer (zum Beispiel Privat- und Zentralbanken) streben eine zügige und flächendeckende Einführung der geplanten Sepa-Lastschrift an. Andere wehren sich teils vehement gegen die Umsetzung im Rahmen von kürzlich durch die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission bekannt gegebenen Vorschlägen für Rahmenbedingungen.

Ein großer Diskussionspunkt sind die Interbankenentgelte ("Multilateral Balancing Payment") bei der Abwicklung der Sepa-Lastschrift. Hier sieht ein Entwurf vor, diese nur für grenzüberschreitende Zahlungen und maximal für einen Zeitraum von zwei Jahren erheben zu dürfen.

Dies hätte zur Konsequenz, dass die durchaus relativ hohen Investitions- und Betriebskosten der Sepa-Lastschrift langfristig nicht weiterverrechnet werden können, sondern direkt von den Instituten getragen werden müssten. Hiervon sind speziell Banken betroffen, deren Kundenstruktur vor allem durch Retail-Kunden geprägt ist. Eine Weiterverrechnung der Kosten auf die Privatkunden wäre aufgrund des vorherrschenden Konkurrenzdruckes eher unwahrscheinlich.

Sepa funktioniert technisch ... und kaum einer geht hin

Der Sepa-Start ist erfolgreich verlaufen, nun würde es einer transparenten Darstellung produktgebundener Sepa-Vorteile benötigen, welche es vermag, die potenziellen Vorteile bis in Unternehmen und auch hin zu Endkonsumenten zu transportieren.

Die Bearing-Point-Studie hat als Ergebnis ein sehr ernüchterndes und realistisches Bild der Bankbranche hinsichtlich der Sepa-Einführung ergeben. Die im Vergleich zum heutigen Nutzen eindeutig zu hohen Kosten der Einführung der Sepa-Überweisung, die inzwischen noch höher eingeschätzten Kosten der Implementierung der Sepa-Lastschrift und dies alles unter dem Aspekt der gegenwärtigen Liquiditätskrise lässt hier eine künftig wenig offensive Sepa-Euphorie erahnen. Der Durchbruch für eine erfolgreiche Sepa wird unter den aktuellen Gegebenheiten immer schwieriger.

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