Im Gespräch

Einlagengeschäft im Mittelstand: Der Anlagehorizont wird länger

Der Finanzanlagenbedarf mittelständischer Unternehmen ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Ist das ein nachhaltiger Trend?

Unternehmen haben in den letzten Jahren immer stärker darauf abgezielt, sich ein Liquiditätspolster zu verschaffen. Das weist auch die Bundesbankstatistik aus. In der Finanzmarktkrise sind diese Reserven zwar deutlich zurückgegangen, bauen sich aber jetzt wieder auf und haben das Vorkrisenniveau wieder erreicht. Im nächsten Jahr werden die Werte vermutlich erneut gestiegen sein. Das zeigt: Die Liquiditätspolster atmen natürlich in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Entwicklung. Allerdings gehen die Unternehmen zunehmend professioneller mit der Thematik um, sodass ich von einem dauerhaften Trend ausgehe, strategisch Liquiditätspolster zu schaffen.

Inwieweit kannibalisieren sich Kreditgeschäft und das Einlagengeschäft mit mittelständischen Unternehmen?

Die Liquidität der Unternehmen ist ja das Geld, das im Moment im Unternehmenskreislauf nicht benötigt wird. Diese Gelder werden dann entweder zur Finanzierung des Umlaufvermögens herangezogen oder tatsächlich auch für Investitionen. Man sieht durchaus an der Kreditvergabe, dass Unternehmen auch Eigenfinanzierung betreiben.

Ein großer Teil der Liquiditätsreserven dient sicher dazu, auch kurzfristigen Finanzierungsbedarf zu decken. Längerfristige Finanzierungen werden aber in der Regel weniger durch Umschichtungen von Anlagen, sondern eher durch die Aufnahme von Kreditmitteln realisiert.

Insofern würde ich nicht von einer Kannibalisierung sprechen. Vielmehr ist es ein gesunder Mix. Unternehmen tun sicher gut daran, Liquiditätspolster aufzubauen und eine Eigenfinanzierung aus dem Unternehmen heraus sicherzustellen, um nicht von Kreditmitteln abhängig zu sein. Denn das hat sich in der Vergangenheit ja oftmals als problematisch erwiesen.

Erfolgt die Beratung zu Finanzierung und Anlagen aus einer Hand?

Das Geschäftsmodell der Commerzbank sieht vor, dass der Firmenkundenbetreuer seinen Kunden bei allen Produkten beraten kann. Wenn es spezielle Themen gibt, wie beispielsweise die Absicherung von Fremdwährungsrisiken oder Rohstoffen, kann jedoch ein Spezialist zu Rate gezogen werden.

Was für Anlageinstrumente nutzen Mittelständler typischerweise - und wie hat sich das im Zeitverlauf verändert?

Als Klassiker sind Einlagen auf Konten, Festgelder und Termingelder unverändert die Hauptanlageform. Aber auch andere Anlageformen sind vertreten. Unternehmen nutzen zum Beispiel zunehmend Derivate zur Absicherung des Fremdwährungsrisikos. Auch andere strukturierte Formen der Anlage haben zugenommen.

Welchen Stellenwert hat die Beratung, wenn die T Unternehmen doch großenteils auf vergleichsweise einfache Produkte setzen?

Das ist eine gute Frage. Und hier trennt sich auch die Spreu vom Weizen. Denn eine gute Bank sollte das Geschäftsmodell ihres Kunden immer sehr gut verstehen. Im Vordergrund sollte nicht das Produkt stehen, sondern die Kundensituation. Dann findet sich auch die passende Lösung.

Ein Beispiel: Ein Hersteller von Bekleidung hat ein sehr saisonales Geschäft. Dort ist es sehr maßgeblich, welche Zinsbindung der Kunde nutzt. Dazu gehört eine gute Beratung.

Andere Unternehmen setzen, um eine höhere Rendite zu erhalten, saisonal auf Festgelder über einen bestimmten Zeitraum und lassen die Einlagen dann wieder abschmelzen. Auch hier braucht es eine gute Beratung, denn manchmal braucht man die Gelder nicht nur für kurzfristige, sondern auch für längerfristige Liquidität, beispielsweise für Pensionsrückstellungen. Hier ist dann schon eine Strategie gefragt, die zu den Bedürfnissen der Unternehmen passt.

Generell ist bei kleineren Unternehmen, die keine eigene Treasury-Abteilung vorhalten, die Beratung häufig umfangreicher vorzunehmen als bei größeren Firmen, die hierfür einen Spezialisten haben, welcher oftmals früher selbst in einer Bank gearbeitet hat.

Welche sind die schwierigeren Kunden - die Großen, die einen Spezialisten haben, oder die Kleinen?

Diejenigen Kunden, die den Wert einer profunden Beratung nicht sehen, jedoch später gerne anders gehandelt hätten, sind am Ende die schwierigsten.

Hat der Stellenwert der Beratung beim Thema Anlagen zugenommen?

Eindeutig ja. Für uns galt immer schon: Eine gute Beratung ist Kern einer guten Kunde-Bank-Beziehung. Aber die Kunden fragen inzwischen auch mehr nach.

Dabei spürt man, dass im Zuge der Finanzmarktkrise die Unsicherheit zugenommen hat und die Kunden verstärkt wissen wollen, welches Produkt ihnen angeboten wird.

Wer hätte etwa vor der Krise gedacht, dass man bei Staatsanleihen über das Emittentenrisiko sprechen würde? Das ist heute ein ganz wichtiges Thema geworden, das intensiv nachgefragt wird. So haben sich die Anfragen der Kunden nach den Risikoparametern signifikant erhöht.

Mittelständler schauen ja inzwischen auch stark auf die Konditionen. Welche Rolle spielt in diesem Segment inzwischen der Konditionenwettbewerb beziehungsweise das Zinshopping, wie man es aus dem Privatkundengeschäft kennt? Oder in welchem Ausmaß honorieren Unternehmen eine auch in Krisenzeiten verlässliche Bankbeziehung auf der Finanzierungsseite?

In einer guten Kunde-Bank-Beziehung müssen die Konditionen natürlich partnerschaftlich sein. Aber Kunden achten auch auf eine gute, verlässliche Bankbeziehung. Vorausgesetzt, man ist wettbewerbsfähig, ist am Ende deshalb nicht das letzte Zehntel ausschlaggebend.

Das heißt Konditionen sind zwar wichtig, aber nicht unbedingt ausschlaggebend dafür, bei welcher Bank ein Unternehmen sein Geld anlegt. Wichtiger sind Themen wie Einlagensicherung oder die Systemrelevanz der Bank. Insofern ergibt sich ein Potpourri verschiedener Faktoren, die die Entscheidung des Kunden beeinflussen.

Wieso ist die Systemrelevanz ihrer Bank für Mittelständler so wichtig?

Nach Lehman ist ja die Frage aufgekommen, inwiefern eine Volkswirtschaft eine Bank in Krisenzeiten stützt. In Deutschland haben wir zwei systemrelevante Banken. Die Commerzbank ist eine davon, und wir erleben schon, dass Unternehmen uns im Sinne der Risikostreuung gerade mit diesem Argument Liquidität zur Verfügung stellen. Im letzten Jahr hatten wir allein bei den Termineinlagen ein Wachstum um 40 Prozent.

Auch in der Krise sind wir, was die Liquidität der Kundengelder angeht, eher gewachsen als geschrumpft. Insgesamt hat die Commerzbank vom steigenden Aufbau von Liquiditätsreserven seitens der Unternehmen überproportional profitiert.

Bei Mittelständlern gibt es auch einen Trend zu längerfristigen Einlagen. Hat das ähnliche Gründe wie bei den Privatkunden?

Im letzten Jahr haben unsere Kunden über 13 Prozent der Anlagen mit einem Zeithorizont über einem Jahr getätigt. Daraus wird deutlich, dass Kunden über eine längere Dauer des Anlagehorizonts eine bessere Rendite bekommen wollen. Das niedrige Zinsniveau ist also ein wichtiger Grund für diesen Trend.

Zum zweiten gibt es genügend Liquidität, die das Unternehmen auch langfristig in der Auszahlung benötigt (Stichwort Pensionsrückstellungen). Denn wer langfristige Verbindlichkeiten hat, kann auch langfristige Anlagen tätigen.

Durch längerfristige Anlagen lassen sich im Übrigen auch synthetische Monatsgelder erzeugen. Wenn man etwa monatlich einen bestimmten Betrag als Jahres-Festgeld anlegt, ergibt sich daraus nach einem Jahr wieder ein Monats-Festgeld. So etwas machen Unternehmen ganz gezielt, um die

Rendite zu erhöhen und dennoch weiterhin Flexibilität zu gewährleisten. Das ist auf den ersten Blick eine vergleichsweise einfache Beratung, aber ein Kunde, der über Jahre hin nur Monats-Festgelder hatte, wird auch solche Beratungsleistungen honorieren.

Eine andere Form sind kurzfristige Festgelder, wobei mit einem Swap kurzfristige gegen langfristige Zinsen getauscht werden.

Wie hoch ist bei der Commerzbank der Bodensatz von Festgeldern, die immer wieder verlängert werden, ohne je abgerufen zu werden?

Eine empirische Analyse dazu haben wir nicht. Der Bodensatz ist aber in jedem Fall viel zu hoch. Es gibt viele Unternehmen, mit denen man über Jahre hinweg immer wieder darüber spricht, dass eine Anlage im mittelfristigen Bereich sinnvoller wäre, dass das Unternehmen aber überzeugt ist, das Geld kurzfristig zu brauchen.

Sind die Unternehmen an dieser Stelle beratungsresistent?

Die Beratung sorgt in der Regel irgendwann dafür, dass Instrumente wie das genannte Jahresfestgeld auch eingesetzt werden. Mit länger andauernden Perioden fallender Zinsen steigt bei den Unternehmen auch die Neigung, sich mit der längerfristigen Anlage zu beschäftigen. Das erleben wir in der täglichen Praxis.

Und unsere Studie bestätigt, dass der Anteil der längerfristigen Anlagen angestiegen ist (siehe Abbildung 3). Die professionelle Beschäftigung der Unternehmen mit dem Thema hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Es gibt allerdings noch genügend Raum zu Verbesserungen.

Inwieweit trägt der Mittelstand zur Refinanzierung der Banken bei?

Einlagen sind für uns auch im Mittelstandsgeschäft ein wichtiger Baustein, der in der Banksteuerung hilft.

Ist Honorarberatung im Firmenkundengeschäft ein Thema?

Weniger. Wenn Kunden dieses Modell wünschen, bieten wir es auch gerne an. Der Bedarf wird von den Unternehmen aber nicht gesehen.

Was ist üblicherweise der Neugeschäftsbringer: das Kreditgeschäft oder die Einlagenseite?

Üblicherweise wird es die Finanzierung sein. Die Anlagenseite im Firmenkundengeschäft ist eher das "scheue Reh". Von daher dürfte der Neukunde, der mit seinen Anlagen auf eine Bank zukommt, eher die Ausnahme sein.

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