Leitartikel

Düstere Aussichten

hm - Es ist ein immer wiederkehrendes Phänomen: Während weltweit Banken verschwinden, Rückstellungen in Milliardenhöhe gebildet werden und Regierungen, Notenbanken und Finanzaufsicht mit kurzfristigen Erlassen und Hilfspaketen einspringen, wird das Retailgeschäft mal wieder zum Hort der Stabilität erklärt. US-amerikanische Investmentbanken wie Goldman Sachs und Morgan Stanley geben gar ihren Sonder status auf und firmieren als Geschäftsbanken, um Kundeneinlagen zur Refinanzierung nutzen zu dürfen. Ein genauer Blick auf das Retailbanking lohnt sich also allemal, während es in der Strategie so mancher - auch deutscher - Bank als zukunftsträchtiges Geschäftsfeld gehandelt wird. Denn die Vergangenheit zeigt: Deutsche Finanzdienst leister verdienen immer weniger an ihren privaten Kunden. In den zurückliegenden Jahren ist der Gesamtertrag im Privatkundengeschäft kontinuierlich gesunken. Zwischen 2000 und 2006 machte der Rückgang - nach Zahlen des ZEB -15 Prozent aus, die Summe belief sich auf 57,4 Milliarden Euro. Währenddessen verringerte sich der durchschnittliche Ertrag je Haushalt um etwa 18 Prozent auf 1 475 Euro.

Zurückzuführen sind die sinkenden Erträge insbesondere auf eine Verschärfung des Wettbewerbs. Zwar hat in den vergangenen Jahren eine Volumensteigerung bei Geldvermögen und Verbindlichkeiten stattgefunden, doch Provisionen und Margen sind bekanntlich deutlich gesunken. Besonders stark hat sich diese Entwicklung im Bereich Finanzierung ausgewirkt, worunter in der ZEB-Statistik die Produkte Dispo- und Konsumentenkredit sowie Baufinanzierung zusammengefasst werden: Hier verursachte das Volumenswachstum zwischen 2000 und 2006 auf Ebene des einzelnen Haushalts zwar eine Erhöhung des Ertrags um 25 Euro, aber gleichzeitig bewirkte der Preiseffekt einen Rückgang um 300 Euro. Insgesamt hat sich der Ertrag damit von 558 Euro auf 280 Euro pro Haushalt etwa halbiert.

Für die Zukunft ist wenig Entspannung in Sicht, eher im Gegenteil. Maximal ein stagnierender oder aber leicht schrumpfender Markt wird erwartet - bei einer wachsenden Zahl an Konkurrenten lässt das einen stärkeren Verdrängungswettbewerb und den weiteren Rückgang der Margen erwarten. Eine klare Strategie ist in diesem Zusammenhang ein absolutes Muss. Das können eine deutliche Zielgruppenfokussierung oder eindeutige Produkt- und Preiskonzepte sein. Doch gerade den Sparkassen und Genossenschaftsbanken, den Marktführern im Retail, fällt das schwer: Sie bleiben mit dem bestehenden Filialnetz und ihrer personellen Ausstattung an ein - wirtschaftlich mehr oder weniger florierendes - Geschäftsgebiet ebenso gebunden wie an die Verpflichtung, nicht nur die Spitzenverdiener mit den Finanzprodukten des täglichen Bedarfs zu versorgen. Gleichzeitig wächst für sie die Versuchung (oder die Not?), im Preiswettkampf mitzumischen, um Marktanteilsverluste zu verhindern, ohne jedoch über die entsprechenden Kostenstrukturen zu verfügen. Sollte der Commerzbank mittelfristig die Integration der Dresdner gelingen und die Deutsche Bank eine tragfähige Strategie für ihre Übernahme der Postbank implementieren, dann wird sich der Wettbewerbsdruck vor allem für die Marktführer weiter verschärfen.

Chancen ergeben sich dennoch - gerade aus den Veränderungen im Finanzmarkt, die bei den Verbrauchern enorme Ängste auslösen. Sparkassen und Kreditgenossenschaften können diese Gelegenheit nutzen, sich glaubwürdig als stabile und bodenständige Retailbanken zu präsentieren. Und gerade weil die Aussichten derzeit eher düster wirken: Aktionen wie das Sperren von Geldautomaten für Kunden der Citibank, ING-Diba und Co, das verschiedene Sparkassen in den vergangenen Wochen praktizierten, wirken wie Trotzreaktionen. Die Kunden werden sich abgewiesen fühlen und den Instituten gehen (wenn auch vergleichsweise kleine) Erträge verloren. Das fügt der Marke Schaden zu und kann die Probleme der Primärbanken in den Verbünden auf keinen Fall lösen.

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