Finanzdienstleister und Demografie

Bausparmarketing - Ball flach halten

Was hat Fußball mit Wohneigentum zu tun? Nichts, würde man spontan meinen. Aber wenn es um Verkaufsförderung geht, ist jedes noch so krude Argument willkommen und auch vor schrägen Vergleichen schreckt ein mit allen Wassern gewaschener Marketingstratege nicht zurück. So verständlich die Freude darüber ist, dass der UEFA-Champions-League-Pokal diesmal nach Deutschland ging, musste der Erfolg auf dem Rasen denn unbedingt fürs Bausparen vereinnahmt werden? Natürlich nutzen auch Bausparvermittler gerne populäre Anlässe, um sogar ihr doch ohnehin schon populäres Produkt noch populärer zu machen, doch sollte mit gewagten Schlussfolgerungen vorsichtig umgegangen werden.

Kurz vor dem Finale vermeldete die LBS West: "Borussia Dortmund und der FC Bayern München spielen am 25. Mai in Wembley um den höchsten Titel auf Vereinsebene. Barcelona und Madrid hatten in den Halbfinalspielen das Nachsehen. Beim selbst genutzten Wohneigentum sind die Spanier allerdings weiter mit deutlichem Abstand im europäischen Ranking das Maß aller Dinge. Während 82 Prozent der Iberer im eigenen Zuhause wohnen, sind es in Deutschland lediglich 46 Prozent."

Wenn eine Bausparkasse Spaniens Wohnungsmärkte als "Maß aller Dinge" bezeichnet, muss das doch sehr erstaunen. Denn anders als hierzulande kennt man auf der iberischen Halbinsel kein dem Bausparen vergleichbares Produkt. Selbst die hierzulande von den Baufinanzierern zu Recht als verlässlich und marktstabilisierend verteidigten Festzinshypotheken sind in Spanien weit weniger verbreitet als in Deutschland. Entsprechend anfällig war das Königreich für Wohnungsspekulationen. Zumal die hohe Wohneigentumsquote auch daraus resultiert, dass ein adäquater Mietwohnungsmarkt fehlt.

Somit haben viele spanische Haushalte gar keine andere Möglichkeit, als die Wohnung zu erwerben. Dass dies in der Regel auf Pump geschah, ließ im Zuge der Wirtschafts-, Banken- und Staatsschuldenkrise viele Kredite notleidend werden. Spanien sah sich sogar gezwungen, einerseits ein Memorandum auszusprechen, das Familien, die ihre Baufinanzierung nicht mehr bedienen können, Aufschub vor Zwangsräumungen gewährt. Andererseits müssen die Banken einen Teil ihrer faulen Kredite mit massivem Abschlag an die halbstaatliche Bad Bank abtreten. Darüber hinaus unternimmt Spanien massive Anstrengungen, um mit steuerlichen Anreizen und Bauauflagen einen Mietwohnungsmarkt zu schaffen. Deutschland wird dabei durchaus als Vorbild gesehen.

Angesichts der hiesigen demografischen Entwicklung und der absehbaren Strapazierung der Sozialsysteme ist zu überlegen, welchen Beitrag die Bildung von Wohneigentum beitragen kann, um beispielsweise Altersarmut zu verhindern oder zumindest zu mildern. Auch über die Art und den Umfang der Förderung ist nachzudenken. Doch sollte dabei bitteschön beim Umgang mit Statistiken der Ball flach gehalten werden. Sicherlich kann auch mit einer Umfrage unter ausgewählten DFB-Clubs ermittelt werden, dass die besten Spieler der Bundesliga in den eigenen vier Wänden wohnen. Aber lässt sich daraus zweifelsfrei schließen, dass Wohnungseigentümer die besseren Fußballer sind? Red.

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