Frau Redenius-Hövermann, Herr Koch, am 29. April dieses Jahres wurde das neue Frankfurt Competence Centre of German and Global Regulation (FCCR) der Frankfurt School of Finance & Management offiziell er öffnet. Was sind nun Ihre nächsten Schritte?
Julia Redenius-Hövermann: Wir freuen uns sehr, dass wir jetzt auch öffentlich den Startschuss geben konnten. Intern sind wir natürlich schon einige Schritte weiter. Mit Maximilian Jager haben wir einen neuen Junior-Professor für die ökonomischen Regulierungsthemen berufen und der juristisch ausgerichtete Lehrstuhl soll ebenfalls schon bald besetzt werden. Unser Praxisbeirat arbeitet bereits, und die nächste Frankfurter Regulierungskonferenz - bereits unsere vierte - ist für November dieses Jahres mitten in der Vorbereitung.
Mit dem FCCR intensiviert die Frankfurt School die Forschung zu staatlicher Regulierung. Wieso ist diese Art der Forschung in der heutigen Zeit so wichtig?
Roland Koch: Gerade in Deutschland haben wir uns in der Vergangenheit immer auf Regulierungsthemen in Bezug auf einen bestimmten Sektor konzentriert und um angepasste Lösungen gerungen, etwa für Telekommunikation, Gesundheit oder die Finanzindustrie.
Mit den großen neuen Herausforderungen der Digitalisierung und der Dekarbonisierung sehen wir jetzt Regulierungen, die weit über die einzelnen Bereiche hinausgehen, denken Sie an die Verfügung über Daten oder die Green Taxonomy im Bereich der nachhaltigen Finanzierung. Das erfordert neue Ansätze, auch deutlich bessere Vorhersagen über die Folgen von Regulierung. Darum wollen wir uns hier kümmern.
Auf welche Schwerpunkte legen Sie bei Ihrer Arbeit ein besonderes Augenmerk und was möchten Sie konkret mit den Ergebnissen erreichen?
Julia Redenius-Hövermann: Als wissenschaftliches Zentrum, das gerade erst seine akademischen Mitglieder bestellt, ist es sinnvoll, sich eine gewisse inhaltliche Flexibilität offenzuhalten.
So viel können wir aber auch zum jetzigen Zeitpunkt schon sagen: Wir wollen über die effektiven Strukturen von Normen nachdenken, gerade auch über das Verhältnis der verschiedenen Ebenen. Beim Klima zum Beispiel die Übersetzung des globalen Pariser Abkommens über detaillierte europäische Vorgaben bis zur nationalen Umsetzung. Das werden wir sowohl von der Seite der Normsetzung, aber auch von der praktischen Erfahrung der Anwender untersuchen. Da ist die extrem gute Vernetzung des FCCR mit nahezu allen Wirtschaftsbranchen eine große Chance für die Nutzung von Erfahrungen und Daten für unsere wissenschaftliche, interdisziplinäre Arbeit.
Wie genau könnte die von Ihnen angestrebte wissenschaftliche Analyse von möglichen Konsequenzen von Regulierungsvorhaben aussehen und dann im weiteren Standardsetzungsprozess auch umgesetzt werden?
Roland Koch: Die Frankfurt School ist schon heute für unsere Pläne gut aufgestellt. Die enge Vernetzung mit der Finanzindustrie verschafft uns ein großes Netzwerk zu all denen, die sich mit der Modellierung von ökonomischen Vorgängen beschäftigen. Denken Sie ganz konkret an die Stresstest-Modelle, die die europäischen Regulatoren der Industrie abverlangen.
Es ist eine sehr spannende Thematik, ob wir diese Stress-Modelle auch für die Überprüfung der Auswirkungen von regulatorischen Entscheidungen nutzen können. Das ist leicht gesagt und zugleich ein riesiges Projekt, aber wir werden uns da hineintasten. Mit dem Financial Big Data Clusters (FBDC) wird die Frankfurt School ja ohnehin mit ihrer Forschung dazu beitragen, den Grundstein für eine sichere und rechtskonforme Finanzdatenplattform in Europa zu legen. Da könnte es sehr viel Synergien geben.
Wer genau soll von der Forschungsarbeit konkret profitieren? Geht es um bestimmte Branchen oder um die Allgemeinheit?
Julia Redenius-Hövermann: Wir wollen Gesprächspartner für Regulierer und Regulierte sein. Das Thema Regulierung ist in Zukunft nur zu verstehen, wenn man über den jeweiligen Tellerrand blickt. Insofern glauben wir, dass die ganzheitliche Sicht und unser Netzwerk für den Austausch sehr viele Profiteure haben werden. Hier werden sich sicher Schwerpunkte in der praktischen Arbeit bilden. Aus meiner Erfahrung mit dem Corporate Governance Institut an der Frankfurt School weiß ich, dass genau dieser Blick sehr geschätzt wird. Wir dürfen nicht vergessen, die neue Dimension der Regulierung, die Roland Koch beschrieben hat, zwingt auch viele der Experten, ihre eingefahrenen Gleise zu verlassen und über Erfahrungen eine möglichst steile Lernkurve zu erzielen.
Wie beurteilen Sie die allgemeine Regelungsdichte? Ist diese zu hoch?
Roland Koch: Ich persönlich bin sehr ordoliberal im Sinne von Eucken und Erhard orientiert. Freiheit und Wohlstand brauchen möglichst Märkte ohne Gängelei. Andererseits kann nur ein starker Staat, der Regeln setzt und durchsetzt, eine friedliche Gesellschaft ermöglichen. Wir werden hier sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage des richtigen Maßes von Regulierung hören. Fest steht, es gibt keine wirtschaftliche Regulierung ohne wirtschaftliche Auswirkungen. Über diesen Zusammenhang wissen wir zu wenig und wenn wir hier einen sachlichen Beitrag leisten könnten, hätten sich die Anstrengungen gelohnt.
Wie ließe sich Regulierung vermeiden/verbessern. Welche Alternativen zu klassischen Vorgaben sehen Sie?
Roland Koch: Gerade der internationale Blick, den wir hier ermöglichen wollen, zeigt unterschiedliche Wege auf. Ich spreche gerne von einem Werkzeugkasten, den die Politik zur Verfügung haben muss, um daraus das passendste Werkzeug, also die beste Lösung auszuwählen. Die Herausforderung bleibt ja immer, dass die Regulierten mehr vom jeweiligen Thema verstehen als die Regulierer. Aber die Versteigerung von CO2-Zertifikaten hat Arnold Schwarzenegger schon 2006 in Kalifornien erprobt. Wahrscheinlich hätten wir uns das auch fachlich besser früher angeschaut.
Bis wann rechnen Sie mit ersten konkreten Ergebnissen?
Julia Redenius-Hövermann: Forschung arbeitet in der Regel nicht in strikten Zeitplänen. Die ersten Ergebnisse werden unsere Fachtagungen und Netzwerke, unser Erfahrungsaustausch im Newsletter und die nächste Regulierungskonferenz sein.