Finanzstabilität

Zwei Gesichter

Auf den ersten Blick erscheint es paradox. Da warnen die Bankenaufseher und Stabilitätswächter von EZB und Bundesbank unisono in ihren jeweiligen Finanzstabilitätsberichten vor steigenden Risiken für die Banken in Europa und Deutschland. "Ein unerwarteter Konjunktureinbruch und abrupt steigende Risikoprämien könnten das deutsche Finanzsystem empfindlich treffen", meint beispielsweise Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Sowohl EZB als auch Bundesbank stellen fest, dass die Finanzindustrie zunehmend bereit ist, auf der Suche nach einer auskömmlichen Marge höhere Risiken einzugehen. Denn um die Ertragsaussichten der Industrie steht es nicht gut. "Die Eigenkapitalrendite der Banken im Euroraum wird voraussichtlich weiter unter Druck bleiben - und zwar sowohl aufgrund der schwächeren Konjunkturaussichten als auch aufgrund anhaltender Kostenineffizienzen und Überkapazitäten", stellt Luis de Guindos, Vizepräsident der EZB, fest. Hauptgrund für all das: Die fehlende Zinsmarge aufgrund der anhaltenden Niedrigzinspolitik der EZB.

Das heißt, die eine Seite in den Notenbanken befürwortet die niedrigen Zinsen, um damit Konjunktur und Wirtschaft zu unterstützen und sich wieder dem Ziel einer Inflationsrate nahe bei 2 Prozent anzunähern, während die andere Seite, Bankenaufseher und Stabilitätswächter, dieses Handeln kritisieren, indem sie vor den enormen Folgeschäden wie Assetpreisblasen, Vernichtung von Sparvermögen, anhaltendem Druck auf die Finanzindustrie oder Fehlallokationen warnen. Eine Lösung dieses Dilemmas ist allerdings schwer. Das Problem: Aufgrund der noch relativ jungen Historie der Daten zur Finanzstabilität werden diese bei geldpolitischen Entscheidungen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Zwar heißt es vor allem vonseiten der EZB immer wieder, man werde die Nebeneffekte der lockeren Geldpolitik weiterhin sehr genau beobachten. All das hilft aber wenig, wenn geldpolitisch nicht entsprechend gehandelt wird.

Besonders hart treffen die Folgen der EZB-Politik bekanntermaßen Deutschland, ein Land der Sparer, der Zinsen, des Kredits. Gerade mit Blick auf die konjunkturelle Eintrübung werden die Stabilitätswächter in der Bundesbank zunehmend unruhiger. So könnten die Institute künftige Kreditrisiken unterschätzen, heißt es. Zwar sei die Zahl der Unternehmensinsolvenzen seit 2004 stetig auf den neuen Tiefstwert von gerade einmal knapp 6 Pleiten auf 1 000 Unternehmen gesunken. Und auch die NPL-Quote sinkt seit Jahren und liegt mittlerweile bei deutlich unter 2 Prozent. Allerdings ist auch die Risikovorsorge im Kreditgeschäft auf den niedrigsten Stand seit 1999 gefallen. Angesichts der jüngsten Entwicklungen, die Kreditvergabe an den Privatsektor ist mit über 5 Prozent im vergangenen Jahr so schnell gewachsen wie seit 15 Jahren nicht mehr, die Banken haben die Fristentransformation spürbar ausgeweitet, die Institute sind zunehmend bereit, höhere Risiken einzugehen und senken ihre Kreditvergabestandards ab, die Preisübertreibungen vor allem auf dem Immobilienmärkten halten an, wachsen die Befürchtungen der Bundesbanker. Ein Stück weit sicherlich zu Recht.

Allerdings räumte Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling auch ein, dass die Widerstandsfähigkeit des deutschen Bankensystems in den vergangenen Jahren konstant gestiegen sei. Die Institute hätten mehr und besseres Eigenkapital und vor allem enorme Reserven nach § 340 HGB aufgebaut, die als Vorsorgereserven nicht in die klassische Betrachtung der Komponenten der Risikovorsorge einfließen würden. Doch der Ertragsdruck wird anhalten. Von daher werden Bundesbank und EZB auch im kommenden Jahr wieder über wachsende Risiken für die Finanzstabilität berichten. Ob der von Finanzminister Olaf Scholz gemachte Vorstoß einer Vollendung der Bankenunion dann schon Realität sein wird, ist eher fraglich. Wuermeling jedenfalls begrüßte die deutsche Initiative, auch mit Blick auf das schwierige Thema Europäische Einlagensicherung, bei dem "viele unserer Punkte berücksichtigt" seien.

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