Vermögensverwaltung

Viele Verlierer

Als MiFID I im Jahr 2007 in Kraft trat, spotteten Marktbeobachter, die neue Regulierung mache insgesamt vier Branchen beziehungsweise Unternehmen zu Gewinnern: Rechtsberatungsfirmen, IT-Dienstleister, Kongressveranstalter und die Deutsche Post, die den Anlegern überarbeitete Geschäftsbedingungen zustellen durfte. Bei ernsthafterer Betrachtung war jedoch davon auszugehen, dass insbesondere die unabhängigen Vermögensverwalter und die freien Vertriebe an Momentum gewinnen könnten. Schließlich verfolgte schon die erste Fassung der Finanzmarktrichtlinie den absolut richtigen Ansatz, Kunden stärker über Interessenkonflikte in der Beratung zu informieren.

Nun hat sich in den vergangenen Jahren herausgestellt, dass manche Vertriebsorganisation, die sich frei nannte, in Wahrheit nicht ganz so frei war. Mithin manifestiert sich an dieser Stelle durchaus ein Nutzen der Regulierung für Verbraucher. Und darüber hinaus ächzen und leiden unter der zunehmenden Regulierung auch diejenigen, die tatsächlich unabhängig waren und sind und im Interesse der Kunden beraten. Insgesamt hat sich die Zahl der Ver mittler und Betreuer von Finanzanlagen in Deutsch land seit dem Inkrafttreten von MiFID I schon deutlich ausgedünnt. Von den geschätzt 80 000 Personen, die sich bis dahin mit Finanzanlagen für private Vermögen beschäftigt haben, sind rund 4 500 ausgeschieden. Bis 2017, wenn MiFID II zur Umsetzung kommt, werden wohl bis zu 15 000 weitere Berater die Segel streichen (vergleiche Beitrag Kübler in bank und markt Oktober 2015). Unter ihnen ist eine große Zahl von Anbietern, die nach der Gewerbeordnung und der Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung (FinVermV) reguliert werden.

Nur ein Bruchteil der unter der Begriffsklammer Vermögensverwalter und -berater zusammengefassten Berufsgruppe agiert in der Form eines von der BaFin als Finanzdienstleistungsinstitut zugelassener unabhängiger Vermögensverwalter. Deren Anzahl beläuft sich nach Schätzungen einer aktuellen Studie von Simon-Kucher & Partners hierzulande auf etwa 600. Im Verband unabhängiger Vermögensverwalter sind 246 von ihnen organisiert. Letztere verwalten insgesamt ein Vermögen von rund 70 Milliarden Euro. Sie betreuen private Kunden, aber auch Stiftungen und Family Offices. Manche von ihnen setzen als Grenze des frei verfügbaren Vermögens mit 5 000 Euro sehr niedrige Werte an, andere betreuen Kunden erst ab einem Vermögen von 150 000 Euro oder gar 500 000 Euro. Laut der Studie verfügt aber nur rund die Hälfte der unabhängigen Vermögensverwalter (UVV) in Deutschland über eine Größe, die es grundsätzlich erlaubt, ausreichende Erträge zu erwirtschaften, um neben den Gewinnerwartungen auch den gestiegenen regulatorischen und technischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Diese Grenze sehen die Studienautoren bei einem verwalteten Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro. Jeder Fünfte unabhängige Vermögensverwalter betreut sogar lediglich ein Volumen von weniger als 50 Millionen Euro. Für diese Anbieter sehen die Autoren der Studie keine langfristigen Überlebenschancen.

Auch denjenigen, die eine eher geringe Marge erwirtschaften, wird wenig überraschend mittel- bis langfristig der Untergang vorausgesagt. Im Vergleich zum UVV-Geschäft in der Schweiz, wo die durchschnittliche Marge zwischen 70 und 95 Basispunkten liegt, sind die Gesamtmargen in Deutschland im Durchschnitt geringer und liegen zwischen 55 und 80 Basispunkten. Ein Drittel der befragten deutschen UVV generiert eine der Studie zufolge als "gesund" bezeichnete Gesamtmarge von mehr als 75 Basispunkten. Andererseits erwirtschaftet ein Viertel der befragten Unternehmen lediglich eine Marge unter 50 Basispunkten. Alles in allem dürfte damit also für die Kunden die Zahl dieser unabhängigen Anbieter am Markt sinken.

Trotz des Vormarsches von Direktbanken und neuen Anbietern digitaler Beratungssysteme für die Geldanlage bleibt die Bedeutung der persönlichen Beratung in diesem Bereich hierzulande unumstritten. Bedenkt man jedoch, dass sich die Wertpapierberatung speziell für überschaubare Vermögen der Normalbürger für kleinere Volks- und Raiffeisenbanken, aber auch Sparkassen wenig bis gar nicht mehr lohnt (siehe ZfgK 20-2015), so muss sich irgendwann die Frage stellen: Wer will und kann hierzulande überhaupt noch Wertpapierberatung machen? Ob das im Sinne des Anlegerschutzes ist?

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