Standortpolitik

Kontinuierliche Neujustierung

Nicht nur bei der Unternehmensbesteuerung, sondern auch in der Behandlung von Steuerfragen der Privaten ist der Druck der EU-Staaten und der internationalen Gemeinschaft - vor allem auch der USA - auf Luxemburger Usancen ohne Zweifel seit Jahren gewachsen, und an mancher Stelle sind Veränderungen bereits fortgeschritten. Ende Oktober dieses Jahres haben nach jahrelangen Vorbereitungen und Verhandlungen 51 Staaten ein OECD-Abkommen unterzeichnet, das den automatischen Austausch von Kontoinformationen von Privatpersonen vorsieht (siehe auch Beitrag Ihering, Seite 1130). Auch Luxemburg ist dabei, hier werden Daten, die seit 2009 auf ausdrückliche Anfrage erteilt werden, ab dem Jahr 2015 automatisch übermittelt.

Im Sinne dieser OECD-Übereinkunft ist bereits eine Menge passiert. Offenbar wurden inzwischen zahlreiche Gelder "legalisiert". Das lässt sich auch an der Veränderung der Kundenstrukturen von Private-Banking-Einheiten in Luxemburg ablesen. Einerseits hat sich die Herkunft der Gelder verschoben: Kamen früher rund 90 Prozent der Private-Banking-Kunden aus Deutschland, Frankreich oder Belgien, so macht diese Gruppe inzwischen nur noch einen Anteil von 50 Prozent aus. Neu hinzugekommen sind insbesondere Anleger aus dem Rest Europas, aus der Golfregion und Lateinamerika. Auch die Zahl der Kunden mit als relativ klein definierten Einlagen (unter 500 000 Euro) hat abgenommen. Ersetzt wurden sie durch eine geringere Zahl von Kunden mit wesentlich größeren Vermögen. Insgesamt haben sich die verwalteten Gelder im Private Banking in Luxemburg zwischen 2007 und 2013 sogar von 271 Milliarden Euro auf 307 Milliarden Euro erhöht. Auch diese Zahl zeigt: Die Entscheidung zur Abschaffung des Bankgeheimnisses mögen die Luxemburger freiwillig oder unfreiwillig getroffen haben, sie hat ihnen aber offenbar auch eine Menge Chancen eröffnet. Freilich ist das Private Banking längst nicht alles, womit der Finanzplatz wirbt. Luxemburg ist der größte Fondsstandort Europas; weltweit belegt das Land hinter den USA den zweiten Platz. Dass auch bei dieser Positionierung eine eher minimalistische Regulierungspraxis und Steuervorteile eine große Rolle spielen, muss nicht gleichzeitig auch bedeuten, dass der Standort im Zuge einer angestrebten Harmonisierung der Finanzplätze durch eine einheitliche Regulierung und die damit notwendige Abschwächung oder schrittweise Abschaffung gewisser Vorteile keine Überlebenschancen hätte. Denn auch momentan erprobt die Luxemburger Finanzwirtschaft längst neue Felder, auf denen sie Zukunftschancen wittert. Zu nennen sind an dieser Stelle beispielsweise die Bemühungen, international eine Rolle als Renminbi-Hub zu spielen. Das Land ist der europäische Sitz für die drei größten chinesischen Banken, und die drei nächstgroßen haben bereits angekündigt, ihre europäische Hauptstelle ebenfalls hier zu errichten. Daher laufen bereits gewisse Volumina an Einlagen und Krediten über Luxemburg. Und im Fondsbereich haben zahlreiche Gesellschaften ihre Plattformen in Luxemburg dafür verwendet, in Renminbi denominierte Investmentprodukte zu verteilen. Zudem ist die Börse des Landes aktiv bei internationalen Anleihenlistings; sie bezeichnet sich selbst nicht nur als den wichtigsten Notierungsplatz für sogenannte Dim-Sum-Anleihen (das heißt internationale Anleihen in Renminbi) außerhalb Asiens, und die Nummer 3 weltweit.

Es gibt aber auch weitere Versuchsballons, aus denen sich in Zukunft Geschäftsmöglichkeiten ergeben können. So hat Luxemburg als zweites nicht-islamisches Land nach Großbritannien eine islam-konforme Staatsanleihe namens Sukuk begeben. Auch der im September 2014 neu eröffnete Luxemburg Freeport, eine Freihandelszone, in der die zoll- und steuerfreie Aufbewahrung von Kunstgegenständen und Sammlerstücken angeboten wird, ist eine neue Strategie zur Erkundung von neuen Marktchancen. Der Finanzplatz Luxemburg befindet sich in der ständigen Neujustierung.

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