Deutsche Börse

Aufbruch, aber wohin?

Die Deutsche Börse ist ohne Frage ein großes und mächtiges Unternehmen, das den verschiedensten Marktteilnehmern seit Jahren eine stabile Infrastruktur zur Verfügung stellt. Sieht man jedoch genauer hin, dann ist die Deutsche Börse dieser Tage auch noch etwas ganz anderes: ein vielschichtiger Konzern im Aufbruch. Unübersehbar deutlich wird das etwa seit Mitte des vergangenen Jahres. Zur Erinnerung: Carsten Kengeter hat im Mai 2015 den Vorstandsvorsitz der Gruppe Deutsche Börse von Reto Francioni übernommen und hat im Juli 2015 ein neues Management-Komitee eingesetzt. Bei der Vorstellung der Zahlen für 2015 sprach Kengeter nun auch über die Neuorganisation von internen Berichtslinien und die Umbildung des Vorstandes, die seit Anfang des Jahres in Kraft getreten sind, genauso wie vom Zusammenfassen von Vertriebsstrukturen auf Gruppenebene und der Gründung einer zentralen Organisation zur Produktentwicklung.

Anhand einer Strategie namens "Accelerate" soll das Unternehmen Deutsche Börse auf Effizienz gebürstet werden, damit mehr Kundenorientierung, Innovationen und Wachstum möglich werden. Das mag man eine dynamische und ambitionierte Story nennen oder auch einen aktionistischen Plan.

Wohlgemerkt, ein Personalabbau war mit dem Strategieprogramm bisher nicht verbunden: Zwar haben 50 Manager die Deutsche Börse verlassen, gleichzeitig wurden aber rund 150 Mitarbeiterkapazitäten aufgebaut, indem externe Dienstleister mit wichtigen Aufgaben internalisiert wurden. Insgesamt hat sich die Mitarbeiterzahl zwischen dem Jahresende 2014 und dem Jahresende 2015 sogar um rund 700 auf knapp 5000 Mitarbeiter erhöht.

Die aktuellen Zielmarken wurden nun Mitte Februar ganz deutlich vermittelt: Die Gruppe Deutsche Börse soll an die Weltspitze. In allen Geschäftsbereichen, in denen sie operativ tätig ist, soll sie Nummer eins oder Nummer zwei werden, so lautet die selbst gewählte Maxime. Bei der Derivatebörse Eurex soll das an den Marktanteilen gemessen werden, sie soll den Abstand zum Konkurrenten CME verkleinern. Für Clearstream gelten die Assets under Custody als Messgröße und damit ebenfalls der Marktanteilsgewinn. Beim Marktdatengeschäft will man sich am Wachstum der Erträge messen lassen genauso wie im Devisenhandel mit der neu erworbenen Plattform 360 T. Diese Ziele spiegeln einen enormen Ehrgeiz wider. Zu diesen Ankündigungen passt auch die kurz vor Redaktionsschluss erfolgte Bestätigung von Marktgerüchten, dass die Deutsche Börse mit der London Stock Exchange (LSE) über einen Zusammenschluss verhandelt. Kommt der Deal zustande, dann werden die heutigen Aktionäre der Deutschen Börse über eine Holding rund 55 Prozent an dem neuen Unternehmen halten, die der LSE etwa 45 Prozent.

Folgt man nun der Sichtweise der Deutschen Börse, dann hat sie für 2015 schon eine sehr ordentliche Ergebnissteigerung erreicht. Der Nettoerlös ist um 16 Prozent auf 2,367 (2,048) Milliarden Euro geklettert, der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 14 Prozent auf 1,124 (0,988) Milliarden Euro und der Gewinn je Aktie ebenfalls um 14 Prozent auf 4,14 (3,63) Euro. Bei dieser Darstellung der Ertragslage sind allerdings diverse "Sonderfaktoren" herausgerechnet worden. Für 2014 sind das eine Zuschreibung auf die Be teiligung an Direct Edge, die im Zuge der Fusion mit Bats an Wert gewonnen hat (plus 64 Millionen Euro) und ein positiver Steuereffekt in Höhe von 78 Millionen Euro. Für 2015 schlagen hingegen negative Einmaleffekte zu Buche: Das Effizienzprogramm Accelerate kostet zusätzliche 65 Millionen Euro. Zudem hat die Deutsche Börse für die Integration von zwei Neuerwerbungen, der Devisenhandelsplattform 360 T und der restlichen Anteile des Indexanbieters Stoxx, etwa 39 Millionen Euro bezahlt. Dazu kommen noch Anwaltskosten im Zuge eines Rechtsstreites in den USA in Höhe von 23 Millionen Euro.

Belässt man all das in der Ergebnisrechnung, so stellen sich die Zahlen wie folgt dar: Das Ebit hat sich von 1,011 Milliarden Euro auf 0,993 Milliarden Euro reduziert, das Ergebnis je Aktie ist von 4,14 Euro auf 3,60 Euro gesunken. Einem der wenigen demütigen Sätze Kengeters ist hier als Schlusswort wenig hinzuzufügen: "Wir schulden dem Markt den Beweis, dass unser integriertes Geschäftsmodell einen Mehrwert erwirtschaftet, der sich auch im Börsenwert widerspiegelt." Außer vielleicht die Frage, ob es einer Börse wirklich guttut, selbst börsennotiert zu sein.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X