Unternehmenskultur als Innovationstreiber? Ein Einblick in die Praxis

Abbildung 1: Das Kulturebenen-Modell nach Schein (1985) Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Schein (1985), S. 30.

Laura Mervelskemper M. Sc., wissenschaftliche Mitarbeiterin/Doktorandin, und Prof. Dr. Stephan Paul, Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft, Ruhr-Universität Bochum - Dass die Unternehmenskultur positive Einflüsse auf Innovationen haben kann, sehen die Autoren nicht nur durch die wissenschaftliche Literatur untermauert, sondern auch durch eine eigene Studie bei Finanzdienstleistern bestätigt. Einen systematischen Aufbau einer Art Innovationskultur können sie aber in dieser Branche noch nicht feststellen. Die vorhandenen einzelnen Merkmale zu einer ganzheitlichen Unternehmenskultur für die Innovationsleistung auszubauen lautet ihr Appell an die Branche. Ein starkes Gewicht bei einer erfolgreichen Umsetzung messen sie der glaubwürdigen Vorbildfunktion des Spitzenmanagements bei. (Red.)

Fintechs krempeln derzeit das Unternehmensumfeld von Banken um. Als innovative "Treiber" der Branche sorgen sie dafür, dass die Rahmenbedingungen immer stärker durch eine zunehmende Dynamik und Diskontinuität gekennzeichnet werden. Durch steigende Anforderungen vonseiten der Regulierung wird das Umfeld gleichzeitig zunehmend komplexer. In diesem Kontext kommt der Innovationsfähigkeit eine große Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit von Banken zu.

Treiber oder Hindernis?

Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass die Unternehmenskultur einen oftmals vernachlässigten und dennoch für den Erfolg von Innovationen sehr wichtigen Faktor darstellt: So haben Kahn et al. (2012) bei einer Befragung von 306 Innovationsexperten aus den USA, Großbritannien und Irland herausgefunden, dass die Unternehmenskultur für Produktinnovationen ähnlich wichtig ist wie die Strategie, Forschung, Vermarktung oder der Innovationsprozess. Zählt man das Betriebsklima im Innovationsprojekt zur Kultur hinzu, kommt ihr sogar eine fast doppelt so hohe Bedeutung wie den anderen Dimensionen zu.

Gleichzeitig kann die Kultur das größte Hindernis für Innovationen darstellen, wie eine Studie von McKinsey unter Managern und Topführungskräften ergeben hat (Barsh et al. 2008). Untersucht man verschiedene Kulturtypen hinsichtlich ihrer Innovationsfähigkeit, so scheinen Unternehmen, deren Kultur sich durch Unternehmertum, Kreativität, Risikofreude und Bekenntnis zur Innovation auszeichnet, die erfolgreicheren Innovatoren zu sein (Stentella Lopes 2015).

Angesichts dieser hohen Bedeutung, die der Unternehmenskultur im Hinblick auf das Entstehen und Gelingen von Innovationen zugeschrieben wird, und der wachsenden Konkurrenz aus dem Fintech-Bereich stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die deutschen Banken der Rolle der Unternehmenskultur als Innovationstreiber bewusst sind. Wird diese bereits gezielt als Instrument für den Innovationserfolg wahrgenommen und eingesetzt oder wird vielmehr ein großes Innovationspotenzial verschenkt, woraus die Gefahr einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit resultieren kann?

Zur Beantwortung dieser Fragen haben wir zwischen Januar und März 2016 leitfadengestützte Tiefeninterviews mit mehr als 20 Vorständen und Abteilungsleitern von Banken sowie einem Fintech geführt und im Anschluss mithilfe der strukturierenden Inhaltsanalyse in Verbindung mit der Critical Incident Technique ausgewertet. Neben zwei Großbanken, drei Genossenschaftsbanken und zwei Sparkassen wurden auch eine Nachhaltigkeitsbank, eine Kirchenbank, eine Direktbank, eine Privatbank und ein Fintech befragt.

Unterschiedliche Definitionen in Wissenschaft und Praxis

Als möglicher Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor erfuhr die Unternehmenskultur erst relativ spät größere Aufmerksamkeit. Der Begriff rückte in den 1970/80er Jahren stärker in den Vordergrund, als die "Erfolgsrezepte" der japanischen Automobil- und Elektroindustrie untersucht wurden. Zentrales Ergebnis war dabei die Erkenntnis, dass der Vorteil japanischer Unternehmen nicht allein in einer überlegenen Technologie oder effizienteren Prozessstrukturen zu finden war, sondern in den zum Teil unausgesprochenen Regeln und impliziten Normen, die das Handeln in den Unternehmungen beeinflussten (Hauser 2008).

In Wissenschaft und Praxis existiert mittlerweile eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen für den Begriff "Unternehmenskultur" (Wien und Franzke 2014). Interdisziplinär anerkannt sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten von Edgar Schein zur Einordnung des Begriffs Kultur und der dazugehörigen Phänomene. Ihm zufolge ist die Unternehmenskultur definiert als "Muster gemeinsamer Grundprämissen, das die Gruppe bei der Bewältigung ihrer Probleme externer Anpassung und interner Integration erlernt hat, das sich bewährt hat und somit als bindend gilt; und das daher an neue Mitglieder als rational und emotional korrekter Ansatz für den Umgang mit Problemen weitergegeben wird." (Schein 1985).

Eine aktuellere und speziell auf Banken bezogene Definition lässt sich in einem neueren Bericht der Group of Thirty (G30), einem privaten, internationalen Gremium, das aus 30 renommierten Vertretern der Finanzwelt besteht, finden. In diesem wird die Unternehmens- beziehungsweise Bankkultur als Mechanismus beschrieben, "der die Werte und Verhaltensweisen formt, die das Handeln bestimmen, und zum Vertrauensaufbau in Banken und einer positiven Reputation von Banken seitens der wichtigsten Stakeholder, extern wie intern, beitragen." (Group of Thirty 2015).

Einfluss auf Mitarbeiter und den Ruf der Institute

Dieser Definition zufolge hat die Unternehmenskultur zwei Wirkungsrichtungen: Zum einen beeinflusst sie intern die Mitarbeiter, zum anderen hat sie in der Folge extern einen Einfluss auf den Ruf von Banken. Diese beiden Aspekte unterstreichen die Bedeutung der Unternehmenskultur für die Zukunftsfähigkeit von Banken sowie die Notwendigkeit, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen.

Schein entwickelte 1985 ein Drei-Stufen-Modell, das die verschiedenen Ebenen und Bestandteile der Kultur ordnet. Demnach basiert die Unternehmenskultur auf drei Ebenen, die in einer wechselseitigen Beziehung zueinander stehen (siehe Abbildung 1).

Für Außenstehende mit bloßem Auge erkennbar ist dabei lediglich die oberste Ebene. Diese besteht aus den sogenannten Artefakten, die sich als sichtbares Resultat der darunterliegenden Ebenen ergeben und beispielsweise in der Kleidung, der Sprache und den vorherrschenden Verhaltensweisen, aber auch im Logo, Leitbild und der Architektur zum Ausdruck kommen (können). Diese Ebene lässt sich zwar leicht beobachten, jedoch ist es schwierig, von ihr auf die gesamte Kultur zu schließen. Als direkter Einflussfaktor der Artefakte sind auf der zweiten Stufe die Werte und Normen zu finden, die durch die Mitarbeiter gemeinsam getragen werden und an denen sich das Handeln der Mitarbeiter (wenn auch meist unbewusst) orientiert. Sie bestimmen das Gefühl, wie die Dinge sein sollten.

Die dritte und tiefste Ebene der Unternehmenskultur stellen die fundamentalen Annahmen dar. Sie beeinflussen die in der Organisation geltenden Werte und Normen und werden von den Mitarbeitern nicht infrage gestellt, sondern gelten als langfristig konstante Auffassungen mit großem Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter. Fundamentale Annahmen werden durch äußere Einflüsse geformt und finden grundsätzlich unbewusst statt.

Von den Mitarbeitern geprägt - die Mitarbeiter prägend

Die Beeinflussung der drei Ebenen folgt allerdings keiner Einbahnstraße. So können die im Unternehmen vorherrschenden Umgangsformen der Mitarbeiter untereinander, die Sprache, der Kleidungsstil oder die Einrichtung des Hauses durchaus auch Einfluss auf die geltenden Werte und Normen nehmen und die fundamentalen Annahmen im Laufe der Zeit durch die vorherrschenden Werte und Normen beeinflusst werden (Schein 1985).

Ein Fintech hat beispielsweise berichtet, dass die Mitarbeiter "keinen Anzug und keine Krawatten tragen, sondern legere Kleidung bevorzugen. Es sieht aus wie in einer Werbeagentur, mit Kicker, Tischtennisplatte ..." - diese Gegebenheiten sind nicht nur das Resultat der geltenden Werte und Normen, sondern beeinflussen diese gleichzeitig. Neuen Mitarbeitern werden in dieser Umgebung andere Werte vermittelt als in einem traditionsreichen Hause, bei dem unter Umständen eher hierarchische Strukturen und konservative Denkweisen vorherrschen, viel Wert auf Akkuratesse gelegt wird und statt Kicker und Tischtennisplatte hochwertige Skulpturen und Gemälde in den Räumlichkeiten zu finden sind.

Insofern besitzt jedes Unternehmen eine individuelle Kultur, die sowohl von den Mitarbeitern geprägt wird als auch diese prägt. Gleichzeitig ist unternehmensindividuell beeinflussbar, wie intensiv die Unternehmenskultur gelebt wird und welche Normen und Werte von Bedeutung sind.

Haupttreiber einer starken Unternehmenskultur

Auf die Frage, was die Haupttreiber einer starken und gelebten Unternehmenskultur sind, haben die Banken insbesondere einen Aspekt deutlich hervorgehoben: die Vorbildfunktion des Vorstands und der Führungskräfte.

Dies bestätigt die Auffassung von Prahalad und Bettis (1986), denen zufolge in jedem Unternehmen eine sogenannte "dominant logic" vorherrscht, die maßgeblich vom Management bestimmt wird und ihrerseits gleichzeitig das Managementverhalten beeinflusst. Demnach sei es zugleich Fähigkeit und Aufgabe des Managements, eine starke Unternehmenskultur aufzubauen beziehungsweise diese in die gewünschte Richtung zu lenken, um auf diese Weise von den positiven Auswirkungen einer starken Unternehmenskultur zu profitieren.

Nach Aussage der Banken werde generell von den Mitarbeitern "schon sehr genau nach oben geschaut, wie sich die Führungskräfte verhalten." Daher bestehe eine "große Vorbildrolle aller Führungskräfte" und es sei wichtig, dass die "Unternehmenskultur durch die Entscheidungsträger vorgelebt wird." Dies bedeutet unter Umständen auch, "dass der Vorstand seine Arbeitsweise verändern muss" und beispielsweise "die in den vergangenen Jahren doch sehr autoritär geführten Vorstandsgremien ebenfalls kollegialer werden müssen und eine neue Diskussionskultur benötigen, bei der man sich tatsächlich offen austauschen kann."

Eine Sparkasse habe aus diesem Grund "eine zweite Vorstandssitzung pro Woche eingeführt, in der es jeweils nur um Grundsatzthemen geht, in der anderen Sitzung werden die operativen Dinge behandelt." Auch bei einer Kirchenbank habe die Vorbildfunktion des Vorstands "die größte Bedeutung für die Stärke der Unternehmenskultur" und müsse daher auch aktiv gelebt werden. Bei einer befragten Volksbank wird die Vorbildrolle "tagtäglich im operativen Geschäft ausgeübt", was sich auch darin äußere, "dass der Vorstand noch tatsächlich im Tagesgeschäft mitarbeitet, in den Sachfragen mittendrin steckt." Der Vorstand "prägt und unterstützt die Unternehmenskultur", er ist "oberster Wächter des Kongruenzprinzips von definierter und gelebter Unternehmenskultur." Er habe "immer eine Vorbildfunktion - auch im Hinblick auf die Kultur". Auch wenn man es immer wieder mit Widersprüchen zum eigenen Denken zu tun habe, sei es daher "sehr wichtig, dass der Vorstand die definierten Werte auch vorlebt."

Unterschiede zwischen Banken und Fintechs

Dass dies nicht immer einfach ist, wurde bei einem Fintech deutlich. Der Geschäftsführer erklärte, dass die Vorbildfunktion des Vorstands zwar grundsätzlich bei der Definition des Rahmens zuträfe, aber das Vorleben schwerfalle. Als Beispiel wurde angeführt, dass man manchmal "gerade in einer jungen Company die 'Hierarchiekeule' schwingen" müsse. Der Vorstand sei insofern "Antreiber und Ermöglicher".

Noch ein Unterschied kann an dieser Stelle zwischen Banken und Fintechs festgestellt werden: Während ein Großteil der Banken die Vorbildfunktion des Vorstands als bedeutendsten Faktor im Hinblick auf die Beeinflussung der Stärke der Unternehmenskultur identifiziert hat, sind es bei dem befragten Fintech vielmehr der gemeinsam getragene Kerngedanke, die "Banken revolutionieren" zu wollen, sowie der "Wille, immer wieder neue Wege zu gehen", die für eine starke Unternehmenskultur sorgen.

Neben diesen Aspekten wurden von den Banken zusätzlich die interne Kommunikation sowie die "Kohärenz beziehungsweise Schlüssigkeit im Handeln" als weitere wichtige Faktoren für die Etablierung einer starken Unternehmenskultur hervorgehoben. Eine Privatbank betonte zudem die Bedeutung der Vernetzung der Mitarbeiter untereinander für die Schaffung einer starken Unternehmenskultur: Es spiele eine große Rolle, "wie gut sich die Mitarbeiter untereinander kennen und wie viel sie voneinander wissen."

Diesen Aspekt hat auch das Fintech aufgegriffen: Neben einem wöchentlichen Kochevent gibt es eine eigene "Fun-Force", die mit einem extra zugeteilten Budget Freizeitaktivitäten für die Mitarbeiter organisiert, um auf diese Weise das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Unternehmenskultur zu stärken.

Die Stärkung der Unternehmenskultur und die damit verbundenen Investitionen zeitlicher oder auch finanzieller Natur resultieren für die befragten Banken in einem "dramatisch hohen wirtschaftlichen Nutzen". So führe die Unternehmenskultur beispielsweise zu "drastischen Kosteneinsparungen" und sorge sogar für "ein stärkeres Wachstum als der Markt". Mehrere Banken betonten nicht nur, dass es "keinen Zielkonflikt zwischen der Unternehmenskultur und der finanziellen Performance" gebe, sondern sprachen sogar von einem "sehr starken positiven Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und der finanziellen Performance." Daneben wurde die Unternehmenskultur als "Basis für wirtschaftlichen Erfolg" bezeichnet. In diesem Zusammenhang gab eine Großbank an, dass sich die Investitionen in die Unternehmenskultur nicht nur "mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf monetisiert" hätten, sondern gleichzeitig "das stark veränderte Verhalten der Mitarbeiter auch für die Kunden sichtbar" geworden sei, was wiederum den zukünftigen wirtschaft lichen Erfolg sichere.

Wirtschaftlicher Nutzen?

Eine Volksbank ging in ihrer Aussage sogar noch ein Stück weiter und sprach von einer "100-prozentigen Korrelation zwischen der Unternehmenskultur und dem wirtschaftlichen Erfolg." Zudem stehe sie "heute nur dort, wo sie steht, weil der Veränderungsprozess der Unternehmenskultur eingeleitet wurde."

In den Augen einer Direktbank ist die Unternehmenskultur "von ausschlaggebender Bedeutung, da sie den einzigen relevanten Wettbewerbsfaktor verkörpert, der nicht kopierbar ist." Mit dieser Aussage bringt die Bank die Relevanz der Unternehmenskultur für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg noch einmal auf den Punkt.

Bei dem Fintech ist dieses Denken hingegen bisher weniger stark ausgeprägt. Der Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und finanzieller Performance sei "eher eine Gefühlssache." Man hoffe, dass "sich die Mitarbeiter in einem innovativen Umfeld, das eher einer Agenturumgebung ähnelt, wohlfühlen und deshalb eine bessere Performance bringen."

Originäre Funktionen: Identifikation, Motivation und Koordination

Der überwiegend wahrgenommene hohe wirtschaftliche Nutzen resultiert aus den Funktionen, die einer starken Unternehmenskultur zugeschrieben werden: Erstens trägt eine solche dazu bei, dass sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen identifizieren, ein "Wir-Gefühl" entwickeln und neue Mitarbeiter integriert werden. Dies wird als Identifikations- und Integrationsfunktion der Unternehmenskultur zusammengefasst. Zweitens übernimmt sie eine Motivationsfunktion, innerhalb derer sie das Engagement, die Produktivität, Selbstständigkeit und Selbstverantwortlichkeit der Mitarbeiter fördern kann. Dabei wird den Werten und Normen der Unternehmenskultur die Fähigkeit zugeschrieben, einen Sinnzusammenhang des unternehmerischen Handelns zu vermitteln und dadurch zu einer erhöhten Bedürfnisbefriedigung beizutragen, was sich positiv auf die Arbeitsmotivation auswirkt.

Drittens kann sie im Rahmen der ihr obliegenden Koordinationsfunktion in solchen Situationen eingreifen, in denen die strukturellen Koordinationsinstrumente wie organisatorische Regelungen, Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse nicht ausreichend sind oder missverstanden werden. Durch ein gemeinsames Normen- und Wertesystem wird ein nichtstruktureller Koordinationsmechanismus geschaffen, der in solchen Konflikt- oder Problemsituationen das Finden und Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten sowie zufriedenstellende Formen der Zusammenarbeit ermöglicht (Übersicht).

Diese drei Funktionen werden auch als originäre Funktionen der Unternehmenskultur zusammengefasst, da sie unmittelbar aus einer starken Unternehmenskultur resultieren. Daneben gibt es weitere, sogenannte derivative Funktionen, die sich als Folge der originären Funktionen ergeben und daher auch als Wirkungen der Unternehmenskultur beschrieben werden. Neben verschiedenen effektivitäts- und effizienzsteigernden Wirkungen, wie beispielsweise einer geringeren Fluktuationsquote, effektiveren Problemlösungen und schnelleren Planumsetzungen, zählt zu diesen auch die Wirkung der Unternehmenskultur als Innovationstreiber.

Sind die originären Funktionen erfüllt, kann die Unternehmenskultur ihre Wirkung als Innovationstreiber entfalten. Verschiedene Studien belegen in diesem Zusammenhang, dass die Unternehmenskultur einen wesentlichen Einfluss auf die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens nimmt beziehungsweise nehmen kann (vergleiche zum Beispiel Ernst 2003, Büschgens et al. 2013, Stentella Lopes 2015). Gerade angesichts der Fintech-Konkurrenz sollte diese Rolle der Unternehmenskultur für Banken an Bedeutung gewinnen. Im Mittelpunkt der Studie stand daher die Forschungsfrage, inwiefern den Banken diese Wirkungsweise bewusst ist und ob sie die Unternehmenskultur bereits gezielt als Instrument zur Innovationssteigerung einsetzen.

Fünf Merkmale der Innovationskultur

Nach Vahs und Trautwein zeichnet sich eine ausgeprägte Innovationskultur, unter der alle Normen, Wertvorstellungen und Denkhaltungen zusammengefasst werden, die das Verhalten der am Neuerungsprozess beteiligten Personen prägen und an denen diese sich orientieren, durch fünf wesentliche Merkmale aus (siehe Abbildung 2).

Der erste und wichtigste Faktor ist das Vertrauen in die Mitarbeiter. Innovation benötigt eine Vertrauenskultur, in der die Mitarbeiter eigenverantwortlich agieren können und kreative Freiräume haben. Zweitens müssen Innovation und Kreativität einen hohen Stellenwert im Unternehmen aufweisen. Um diesen für die Mitarbeiter sichtbar zu machen, sollten die beiden Aspekte im Symbol- und Wertesystem verankert werden.

Dazu gehört auch ein glaubwürdiges "Vorleben" durch das Topmanagement sowie eine Verankerung in den Unternehmensleitsätzen. Die gezielte Förderung und Unterstützung innovativer Mitarbeiter bildet das dritte Merkmal einer starken Innovationskultur. Sogenannte "Innovations-Champions" sollten erkennbar gewürdigt werden. Darüber hinaus sollte ein Anreizsystem etabliert werden, das besonders innovative Mitarbeiter belohnt und motiviert - entweder materiell, zum Beispiel über eine direkte Beteiligung am Erfolg der Innovationsprojekte oder eine "Innovationsprämie", oder immateriell, wie zum Beispiel durch eine Ermutigung zu Vorträgen und Veröffentlichungen.

Besonders wichtig ist zudem eine hohe Toleranz gegenüber Fehlern und Misserfolgen. Da Innovationsvorhaben immer mit Risiken behaftet und Fehlschläge daher unvermeidlich sind, sollten Fehler im Zusammenhang mit Innovationen nicht sanktioniert, sondern als eine Chance gesehen werden, um für die Zukunft zu lernen. Abschließend erfordert eine starke Innovationskultur, dass alle am Innovationsprozess beteiligten Personen rechtzeitig und in ausreichendem Umfang mit wichtigen Informationen versorgt werden und das oftmals vorzufindende "information hiding", das gezielte Unterdrücken wichtiger Informationen, vermieden wird.

Hinsichtlich der Umsetzung dieser Punkte bei den befragten Banken zeigt sich ein gemischtes Bild: Der erste Aspekt, das Vertrauen in die Mitarbeiter beziehungsweise das damit einhergehende eigenverantwortliche Handeln, wurde von mehreren Banken hervorgehoben. So trage die Unternehmenskultur bei einer befragten Volksbank "insbesondere mit den Werten Eigeninitiative und Wertschätzung tatsächlich zu einer hohen Innovationskraft bei." Durch die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter würden "die Vorstände zu Getriebenen - was positiv gesehen wird."

Auch eine Privatbank betonte, dass Innovationen "vor allem dadurch gefördert werden, dass den Mitarbeitern früh und in weitem Maße Verantwortung übertragen wird." Auf diese Weise gebe man auch jungen Mitarbeitern die Gelegenheit, kreativ zu denken und sich flexibel gegenüber Kundenwünschen zu zeigen. Eine weitere Volksbank erläuterte, dass ihre Innovationskultur insbesondere "durch die Möglichkeit zum freien Diskutieren - und dann auch eigenständigem Machen" gefördert werde.

Hoher Stellenwert von Kreativität

Auch der hohe Stellenwert von Kreativität und Innovation, beispielsweise durch die Verankerung im Symbol- und Wertesystem und das damit einhergehende Vorleben durch den Vorstand beziehungsweise das Topmanagement, wurde von einigen Banken hervorgehoben. So berichtete eine Sparkasse, dass der Vorstandsvorsitzende "einer der stärksten Impulsgeber für Innovationen" sei. Auch eine Kirchenbank erklärte, dass Innovationen durch den Vorstand getrieben werden. Bei einer Privatbank habe man jungen Mitarbeitern "Freiräume gegeben, um ein neues Konzept für die Nachfolgeberatung zu entwickeln und dafür auch einen Teil ihrer Aufgaben temporär abzugeben." Die anschließende Vorstellung des Konzepts in der Geschäftsleitersitzung habe die Wertschätzung der innovativen und kreativen Vorschläge unterstrichen.

Die Förderung innovativer Mitarbeiter war der am häufigsten genannte Aspekt der Banken - allerdings nur in Form von monetären Prämien im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens oder Ideenmanagements. In dieser Hinsicht gaben mehrere Banken an, dass Mitarbeiter finanzielle Belohnungen für innovative Ideen erhalten, teilweise selbst dann, wenn der Vorschlag nicht umgesetzt werden könne. Dabei wurde von einigen Banken gleichzeitig auf die Wichtigkeit der Rückkopplung hingewiesen, "welche von den Ideen der Mitarbeiter aufgegriffen wurden" - auch wenn es manchmal schwierig zu vermitteln sei, "warum manche Wunschvorstellung nicht weiter bearbeitet wurde."

Abgesehen von den materiellen Prämien im Rahmen des betrieblichen Vorschlagswesens wurde jedoch von keiner Bank die gezielte (immaterielle) Unterstützung und Förderung innovativer Mitarbeiter angesprochen. Auf diese Weise wird unter Umständen viel Potenzial verschenkt, da ein kompletter Anreizmechanismus außer Acht gelassen wird, der zudem in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Während früher materielle Anreize das Verhalten weitgehend dominierten, spielen mittlerweile nach übereinstimmenden Studienergebnissen immaterielle Aspekte bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine immer größere Rolle.

Nachholbedarf erkennbar

Ähnlich verhält es sich mit den beiden weiteren Aspekten. Die Verfügbarkeit von Informationen für alle am Innovationsprozess beteiligten Mitarbeiter wurde nur von zwei Banken explizit genannt: Eine Sparkasse gab an, dass kreative Ideen für die Arbeit am Markt in Datenbanken zusammengefasst und den entsprechenden Teams mitgeteilt würden. Jeder Mitarbeiter sei "verpflichtet, das, was gut gelingt, auch anderen mitzuteilen." Darin kämen wiederum die Werte "Kollegialität und Teambezug" zum Ausdruck.

Bei einer Großbank wurden die Werte "Transparenz und Partnerschaftlichkeit der Mitarbeiter" als zwingend erforderlich für den Innovationserfolg des Konzerns hervorgehoben. Die konkrete Weitergabe der innovativen Ideen erfolge "sehr häufig in Form von Projektarbeiten, bei denen Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Konzernteilen temporär zusammenkommen." Dabei wurde - bedingt durch die Charakteristika einer Großbank - zudem insbesondere auf den Stellenwert des inter nationalen, interkulturellen Austauschs hingewiesen, der nicht nur besonders wichtig sei, "um Kulturen miteinander zu verknüpfen", sondern bei Gelingen gleichzeitig ein Differenzierungskriterium gegenüber rein deutschen Anbietern darstelle.

Ansonsten hat keine Bank explizit auf ihr Informations- und Kommunikationsverhalten im Hinblick auf die Bereitstellung und Verfügbarkeit von Informationen für die Mitarbeiter, die am Innovationsprozess beteiligt sind, hingewiesen. Dies legt es nahe, dass bei der Mehrheit der Banken weder das Bewusstsein noch eine organisatorische Verankerung für diesen für eine funktionierende Innovationskultur notwendigen Aspekt vorhanden ist.

Regulierung als Innovationsbremse

Auch hinsichtlich der Fehlertoleranz haben die Banken offenbar Nachholbedarf. Auf diesen Aspekt sind nur eine Privatbank und das Fintech eingegangen. Die Privatbank betonte, dass eine "gute Fehlerkultur bei Innovationen" wichtig sei und zu einem der wichtigsten Grundsätze ihrer Unternehmenskultur zähle. Das Fintech hob hervor, es sei "ganz zentral, dass jeder Dinge ausprobieren und Fehler machen kann." Genauso sei auch "noch niemand an den Pranger gestellt worden, wenn er Fehler bei Innovationen gemacht" habe.

Bei den anderen Banken war eine solche Aussage nicht zu finden. Stattdessen beklagt eine Nachhaltigkeitsbank vielmehr die durch die Regulierung hervorgerufene und notwendig gewordene "Nullfehlertoleranz", die zu einer "Angstkultur bei den Mitarbeitern" geführt habe, die "sich stets rückversichern, nichts mehr wagen wollen." Die Regulierung sei "absolut kontraproduktiv" und es gebe derzeit "nichts Innovationsfeindlicheres als die Regulierung." Auch eine Großbank sieht in der Regulierung "eine Innovationsbremse, die man allerdings nicht ändern kann." Dies käme insbesondere auch darin zum Ausdruck, dass die Aufsichtsratssitzungen bei Tochtergesellschaften früher zu etwa 80 Prozent Marktthemen und 20 Prozent sonstige Themen behandelten - heute sei "das Verhältnis hingegen so, dass es in 80 Prozent der Zeit um die Regulatorik und nur noch in 20 Prozent um Marktfragen" gehe.

Da man die Regulierung jedoch nicht ändern könne, müsse man sie als Chance sehen und beispielsweise die "Auflagen zum Meldewesen nutzen, um Kundencharakteristika noch besser zu durchdringen und daraufhin maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln." Auch eine Sparkasse sieht in dem Einfluss der Regulierung auf die Innovationskultur und -leistung einen Vorteil: So könne es "durch die Regulierung zu zwangsgetriebenen Innovationen" kommen, die beispielsweise in neuen, auf die Einhaltung regulatorischer Vorgaben zugeschnittenen Produkten münden. In diesem Zuge beklagt eine Genossenschaftsbank jedoch, dass es "eine ausgeprägte Innovationskultur leider nur bei der Umsetzung regulatorischer Maßnahmen" gebe, zum Markt hin jedoch eine "Kultur der Risikovermeidung statt der Generierung von Innovationen" dominiere.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bisher bei den Banken einzelne Merkmale einer ausgeprägten Innovationskultur vorzufinden sind, jedoch oftmals ein ganzheitliches und strukturiertes Vorgehen fehlt. Teilweise wurde der Anschein erweckt, dass sich die Banken der hohen Bedeutung der Unternehmenskultur für die Innovationsleistung nur bedingt bewusst sind beziehungsweise diese zumindest noch nicht gezielt als Instrument für den Innovationserfolg wahrnehmen und einsetzen. Eine Ausnahme stellen zwei Volksbanken dar, die in den Befragungen explizit den "direkten Zusammenhang" zwischen den beiden Aspekten betonten. Ihnen zufolge bewirke die Unternehmenskultur "einen dauerhaften Veränderungs- und Verbesserungsprozess", sie fungiere "als Navigationssystem für Innovationen" und es ließen sich "Steuerungsimpulse für Innovationen" aus der Unternehmenskultur ableiten. Diese Aussagen unterstreichen die Bedeutung der Unternehmenskultur für die Innovationsleistung und sollten einen Anreiz für die übrigen Banken darstellen, eine starke Unternehmenskultur zu etablieren, um noch deutlicher von deren positiver Wirkungsweise als Innovationstreiber zu profitieren.

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Dr. Laura Mervelskemper , Co-Leiterin Wirkungstransparenz & Nachhaltigkeit , GLS Bank e G, Bochum
Prof. Dr. Stephan Paul , Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft , Ruhr Universität Bochum

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