Stärkere Einbindung Privater bei der Finanzierung kommunaler Infrastruktur - notwendig und sinnvoll!

Dr. Jörg Zeuner, Chefvolkswirt, KfW Bankengruppe, Frankfurt am Main Der Staat fährt die Infrastruktur seit mehr als zehn Jahren auf Verschleiß. Gerade auf der Ebene der Länder und Kommunen hat der Konsolidierungsdruck die Handlungsspielräume für Investitionen eher noch weiter eingeschränkt. Und es gibt einen steigenden Bedarf durch Megatrends wie die Herausforderungen des demografischen Wandels und die politisch beschlossene Energiewende. Angesichts dieser Ausgangslage steht es für den Autor außer Frage neben der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen als weiteren Schritt die Beschaffung und Finanzierung von Infrastruktur stärker als bisher für partnerschaftliche Projekte mit der Privatwirtschaft zu öffnen. Die Ansprüche an Transparenz und Wirtschaftlichkeitsberechnungen müssen seiner Ansicht nach bei einer umfassenden Prüfung der Projekte keineswegs herabgeschraubt werden. Als hilfreiche Maßnahmen zur Beurteilung komplexer Projekte nennt er eine Standardisierung und Durchführungsberatung. (Red.)

Investitionen verwandeln Ersparnisse in produktives Kapital, das für Einkommen, Wachstum und Wohlstand sorgt. Gerade Deutschland ist angesichts seiner absehbar alternden und schrumpfenden Bevölkerung auf einen leistungsfähigen Kapitalstock angewiesen - denn nur er kann für die Produktivitätsfortschritte sorgen, die künftig notwendig sind, wenn immer weniger Beschäftigte den materiellen Wohlstand für alle sichern oder steigern sollen.

Öffentlicher Kapitalstock schon lange vernachlässigt

Eine zentrale Rolle spielt dabei der öffentliche Kapitalstock, also die Infrastruktur. Der Staat hat hier eine besondere Aufgabe: Er stellt Verkehrswege zur Verfügung und sichert die Bereitstellung von Energie und schnellem Internet; darüber hinaus finanziert er F&E, fördert Innovationen und sorgt für Bildung. Eine leistungsfähige öffentliche Infrastruktur ist Vorbedingung für private Investitionen, denn sie stößt private Investitionen an und erhöht deren Rentabilität. Private Investitionen werden zudem durch öffentliche nicht verdrängt - im Gegenteil: Jeder investierte öffentliche Euro zieht einem aktuellen Papier des DIW Berlin zufolge zusätzlich 20 Cents privater Investitionen nach sich. Zusammen erhöhen sie das deutsche Wachstumspotenzial.

Die deutschen Investitionen in die Infrastruktur sind jedoch seit der Jahrtausendwende zunehmend vernachlässigt worden, sodass die Grundlage für den Wohlstand der Gesellschaft langfristig gefährdet ist. Bereits seit 2003 reichen die staatlichen Bruttoanlageinvestitionen in die Nichtwohnbauten - dies ist der beste verfügbare Indikator für die physische öffentliche Infrastruktur - in keinem Jahr mehr aus, um die Abschreibungen zu decken. Das heißt, der Staat fährt die Infrastruktur seit mehr als zehn Jahren auf Verschleiß. Seit 2003 summieren sich die Nettoinvestitionen in diesem Bereich auf minus 55 Milliarden Euro.

Angesichts einer Lebensdauer der öffentlichen Kapitalgüter von mehreren Jahrzehnten vollzieht sich der Verfall einer nicht hinreichend gepflegten Infrastruktur schleichend. Sobald Versäumnisse richtig spürbar werden, sind Investitionslücken kurzfristig meist gar nicht mehr oder zumindest nur zu unverhältnismäßig hohen Kosten zu schließen. Auch der demografische Wandel impliziert nicht zwingend nur einen Infrastrukturrückbau im Sinne von "Weniger von allem", sondern oft auch eine Veränderung der Infrastruktur im Sinne von "Anderes".

Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Kassen und unter dem Vorzeichen des in der Schuldenbremse festgelegten Kreditverbots wird der immer noch hohe Bedarf an hervorragender Infrastruktur zu einer ernsthaften Herausforderung. Insbesondere die Kommunen befürchten, dass der zunehmende Konsolidierungsdruck auf Ebene der Länder am Ende auch ihre Handlungsspielräume noch weiter einschränkt. Die Schuldenbremse versperrt den Weg, die zukünftigen Nutzer öffentlicher Infrastruktur über langfristige Kredite an deren Finanzierung zu beteiligen.

Kommunale Infrastruktur unter besonderem Druck

Besonders vernachlässigt wurden Investitionen in die kommunale Infrastruktur, wie die jüngste Befragung deutscher Kommunen durch die KfW, das KfW-Kommunalpanel, zeigt: Der Investitionsrückstand liegt hier inzwischen bei rund 118 Milliarden Euro, davon rund 30 Milliarden Euro alleine im Bereich Straßen und Verkehrsinfrastruktur. Vor allem aufgrund fehlender Finanzierungsmöglichkeiten können Straßenbauinvestitionen nicht in ausreichendem Maße vorgenommen werden: Unzureichende Eigenmittel stehen für mehr als 80 Prozent der Kommunen im aktuellen KfW-Kommunalpanel als Hinderungsgrund ganz oben auf der Liste. Zudem konnten mehr als die Hälfte aller Kommunen die notwendige laufende Straßenunterhaltung im Jahr 2013 nicht sicherstellen.

Hohe Investitionsrückstände bestehen insbesondere in Kommunen mit hohen Sozialausgaben und Schulden. Kommunen in Deutschland geben 20 Prozent mehr für Soziales aus als noch vor zehn Jahren, gleichzeitig 20 Prozent weniger für Investitionen. Viele Investitionen, die langfristig mit erheblichen Einspareffekten verbunden wären, werden somit nicht umfassend getätigt oder bleiben ganz aus. Den Kommunen entgehen hier Möglichkeiten zum Abbau des Rückstandes und zur Reduzierung von Folgekosten. Vor allem die Situation für strukturschwache Kommunen verschärft sich damit weiter.

Darüber hinaus existieren durch die Herausforderungen des demografischen Wandels und der Energiewende zusätzliche Bedarfe, die befriedigt werden müssen, wie weitere Ergebnisse des KfW-Kommunalpanels verdeutlichen: 53 Milliarden Euro werden allein für den altersgerechten Umbau der kommunalen und sozialen Infrastruktur bis 2030 notwendig, bis 2020 sogar noch einmal 126 Milliarden Euro für den Sanierungs- und Neubaubedarf kommunaler und sozialer Gebäude.

Mehr Finanzierung für die Kommunen?

Angebotsseitige Engpässe bei der Kommunalfinanzierung gibt es bisher nicht, die Finanzierungsbedingungen, insbesondere die Zinssätze, sind für Kommunen sehr gut. Bisher finanzieren sie sich jedoch sehr konservativ: Nur etwa ein Viertel der kommunalen Investitionen wird über Fremdkapital finanziert und dies über klassische Kommunalkredite. Über 40 Prozent werden über Eigenmittel der Kommunen getragen, mit steigender Tendenz in den letzten Jahren. Den Kommunen entgehen damit Möglichkeiten zum zinskostengünstigen Abbau des Investitionsstaus und zur Reduzierung von Folgekosten. Insgesamt bleibt der Eindruck, dass der Schuldenabbau an vielen Stellen auf Kosten von Zukunftsinvestitionen vorangetrieben wird.

Wenn sich die Finanzierungsbedingungen und die konjunkturelle Lage verschlechtern, wird sich die Investitionstätigkeit (insbesondere der schwachen Kommunen) noch weiter reduzieren. Daher ist jetzt etwas zu tun. Zwei Ansätze sind in Deutschland weiter zu verfolgen, um Investitionen in Infrastruktur zu erhöhen:

1. Strukturelle Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen: Strukturelle Probleme der Kommunen müssen gelöst werden, damit sich auch finanzschwache Kommunen wieder Investitionen leisten können und nicht weiter abgehängt werden. Die anstehende Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs bietet dafür eine einmalige Gelegenheit. Das Umverteilungsvolumen beträgt aktuell 27 Milliarden Euro pro Jahr - zirka 9 Prozent der Ländereinnahmen. Dabei geht es nicht nur um eine Reform des Länderfinanzausgleiches, vielmehr muss zunächst die gesamte Aufgaben- und damit die Ausgabenverteilung, insbesondere bei den sozialen Aufgaben, zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf den Prüfstand. Die laufenden Verhandlungen über eine Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen dürfen diese Chance nicht liegen lassen, gerade mit Blick auf die steigende Zahl finanz- und investitionsschwacher Kommunen.

2. Private Beteiligung zusätzlich nutzen:

Zusätzlich müssen sich Kommunen (aber auch Bund, Länder) weiter öffnen für alternative Finanzierungs- und Beschaffungsinstrumente mit privater Beteiligung. Auch wenn die für die Erhaltung der bestehenden Infrastruktur notwendigen Investitionen weiterhin überwiegend traditionell beschafft und finanziert werden müssen, können sie eine zusätzliche Alternative sein. Partnerschaftliche Projekte mit der Privatwirtschaft können langfristig Einsparungen und Vorteile bringen, ohne dass die (gesamte) Steuerung des Infrastrukturangebots aus der kommunalen Hand gegeben werden muss.

Im europäischen Ausland zeigen zahlreiche Beispiele, dass partnerschaftliche Projekte intensiv und erfolgreich genutzt werden. In Deutschland fristet diese Art der Beschaffungsvariante immer noch ein Nischendasein, obwohl sowohl die öffentliche Hand als auch die Auftragnehmer immer wieder eine hohe Zufriedenheit attestieren.

Vergleiche von partnerschaftlich gebauter und betriebener Infrastruktur mit einer rein kommunalen Eigenrealisierung beziehen sich häufig allein auf die reinen Finanzierungskosten (Zinskosten), die naturgemäß bei Privaten höher liegen. Vernachlässigt wird dabei aber, dass der höhere Zinssatz der Privaten das Entgelt für Leistungssicherheit und die Übernahme von Projektrisiken beinhaltet. Die Zinssätze sind daher nur ein Teil einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung. Vernachlässigt wird ebenfalls die Kosteneffizienz über den Lebenszyklus und der Gesamtumfang der kontrahierten Leistungen. Bezieht man all dies mit ein, so erscheint es grundsätzlich ratsam, wie in den Niederlanden üblich, bei öffentlichen Projekten stets in vollem Umfang zu prüfen, ob ein öffentliches Bauvorhaben besser rein öffentlich oder partnerschaftlich finanziert werden sollte. Dazu sind viele Kommunen derzeit nicht in der Lage.

Die Ökonomen und Statistiker wissen dann sehr wohl, wie mit den Projekten in der Schuldenstatistik einer Gebietskörperschaft umzugehen ist. Derzeit werden im Rahmen der (für die Maastrichter Fiskalkriterien relevanten) Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sämtliche Infrastrukturinvestitionen im Rahmen Öffentlich-Privater Partnerschaften in Deutschland vollständig dem staatlichen Sektor zugeordnet, selbst wenn erhebliche Bau-, Betriebs- oder Finanzierungsrisiken in privater Hand liegen. Auch das machen die Nachbarn wesentlich differenzierter und haben dabei nicht nur die ökonomische Logik, sondern auch die europaweit verbindlichen Statistikregeln auf ihrer Seite.

Partnerschaftliche Projekte können helfen, zukünftige Generationen an der Finanzierung von Infrastruktur zu beteiligen, von der sie vor allem profitieren - etwa bei Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Viele Projekte wie Deichanlagen haben sehr hohe Investitionskosten zu Beginn und dann eine lange Laufzeit. Private Banken und Unternehmen haben viel Erfahrung damit. Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sollten selbstverständlich immer an erster Stelle stehen, damit nur rentable Projekte durchgeführt werden.

Berechtigte Kritik und Ansätze zur Verbesserung

Kritiker bemängeln zu Recht, dass partnerschaftlich organisierte Projekte komplex und intransparent sein können und vor allem auf Seiten der Kommunen ein spezielles Knowhow erfordern, das bisher nicht hinreichend vorhanden sei. Gerade für kleine Kommunen stellt dies ein gravierendes Hemmnis dar. Wenn partnerschaftliche Projekte nicht sorgfältig und lange vorbereitet werden, gibt es häufig nachträglich Änderungsbedarfe, Nachverhandlungen und Nachforderungen und damit hohe Kosten, wie es bei einigen prominenten Beispielen aus der Presse zu lesen ist. Diese Fehler passieren aber auch bei der Eigenrealisierung und sind kein spezifisches Problem partnerschaftlicher Projekte. Auch dafür gibt es hinreichend viele und auch prominente Beispiele.

Eine Standardisierung und Durchführungsberatung kann erheblich dazu beitragen, die Komplexität partnerschaftlicher Projekte zu bewältigen und den weniger erfahrenen Kommunen Unterstützung zu bieten. Die KfW führt momentan zusammen mit ÖPP Deutschland AG eine Studie durch, um den Finanzierungsprozess zu standardisieren. Der Bedarf hierfür wird dabei von allen Akteuren (öffentliche Hand, Unternehmen, Banken) gesehen. Es besteht die Hoffnung, am Ende den Kommunen eine Handreichung geben zu können, worauf sie ihre Projektplanung aufbauen können. Während bei größeren Projekten auch Berater effizient eingesetzt und Banken größere Unterstützung leisten können, ist dies bei kleineren Projekten selten rentabel. Die Bündelung von Projekten (zum Beispiel Zusammenlegung einer Sanierung und Betrieb von mehreren Schulen in einem Bundesland) sollte daher zusätzlich geprüft werden.

Kompetenzen der Kommunen stärken

Am Ende müssen die Kommunen das Instrument auch wollen, um die Vorteile der Kooperation mit dem Privatsektor voll ausschöpfen zu können. Die Kommunen müssen dafür ihre Kompetenzen stärken, um sich verstärkt auf die Rahmensetzung und die bedarfsorientierte Leistungsbeschreibung zu fokussieren und Teile ihrer bisherigen Kontrolle dafür an die Privatwirtschaft abgeben zu können. Die Doppik trägt bereits jetzt erfreulicherweise zu einer deutlich betriebswirtschaftlicheren Betrachtungsweise von Investitionen über Haushaltsjahre hinweg bei.

Fazit: Der Bedarf an moderner Infrastruktur wird nicht kleiner, lediglich die Anforderungen ändern sich. Mit Schuldenbremse und Fiskalpakt schränkt der Staat seinen Zugriff auf Kredite ein, mit denen er große Projekte mit langer Lebenszeit finanzieren könnte. Um den Bedarf dennoch zu befriedigen, werden also neue Wege gebraucht. Andere Länder haben es vorgemacht. Auch hierzulande steht partnerschaftlichen Projekten kein grundsätzliches Hindernis im Wege. Das Instrument wird sich daher in den nächsten Jahren weiterentwickeln - zum Nutzen für den Wohlstand.

Jörg Zeuner , Chefvolkswirt und Bereichsleiter Research and Investment Strategy, Union Investment, Frankfurt am Main
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