Bei der digitalen Transformation das Thema Compliance nicht vernachlässigen

Sandra Reinhard, Foto: PPI AG

Die Digitalisierung hat weitreichende Folgen für Banken. Die Autorinnen sehen jedoch bei klassischen Banken noch Probleme bei der Transformation, weil sich moderne Technologien nur schwierig in die alten IT-Strukturen implementieren lassen. Sie weisen jedoch darauf hin, dass die Digitalisierung nicht nur als Belastung gesehen werden sollte. Vor allem beim Thema Compliance - einer weiteren Flanke, die Banken unter Druck setzt - könnte die Digitalisierung zu mehr Effizienz führen. Der steigende Arbeitsaufwand in Compliance-Abteilungen könne beispielsweise durch automatisierte Prozesse vereinfacht werden. Diesen Weg finden Reinhard und Schlohmann sinnvoller als das Aufblähen des Mitarbeiterstabs in den entsprechenden Abteilungen. Mehr als ein quantitatives Wachstum wäre eher ein qualitatives Wachstum der Mitarbeiter vor allem, aber nicht nur, in Bezug auf technologische Skills, vonnöten. Die Autorinnen raten schließlich, mit der digitalen Transformation nicht zu lange zu warten. (Red.)

Neue Technologien haben Branchen und Märkte verändert - auch für Finanzdienstleister. Kunden wollen zunehmend digitale Services nutzen und neue junge Unternehmen stellen sich auf, um diese Bedürfnisse zu bedienen. Das alles hat Implikationen auf die Compliance. Klassische Bankhäuser müssen jetzt hier aktiv werden.

Digitalisierung ist ein Megatrend mit weitreichenden Folgen auch für den Bankenmarkt. Es geht dabei zum einen um Technik: Denn mit der Einführung einer modernen IT-Architektur wird eine wichtige Grundlage geschaffen für eine kontinuierliche und geschäftsstrategische Kundenorientierung sowie eine verkürzte Time-to-Market für neue Produkte und Services. Zu den Vorteilen gehören zudem mehr Flexibilität, Effizienz und Skalierbarkeit durch Standardisierung und Automatisierung. Integrale Bedeutung für das Thema haben zum anderen wachsende Kundenanforderungen, neue Wettbewerber, regulatorische Änderungen und natürlich ein integriertes Change-Management, um die Mitarbeiter der Geldinstitute fit für die digitale Transformation zu machen. Kurz: Die Digitalisierung ist eine Notwendigkeit, die Vorteile bringt.

Viele klassische Banken, die bereits seit Jahrzehnten auf dem Markt sind, haben noch Kernbankensysteme mit monolithischen, komplexen und starren Strukturen im Einsatz. Diese Systeme müssen mit den neuen Technologien verbunden werden, was Banken häufig vor große Herausforderungen stellt und zumeist mit enormen Aufwänden und Komplexitäten verbunden ist. Doch ein Zurück gibt es nicht: Denn die Optionen, mit analogen Geschäftsmodellen Geld zu verdienen, haben stark abgenommen. So ging von 2008 bis 2018 aufgrund der anhaltend niedrigen Zinsmarge der Ertrag pro Kunde in Europa um 11 Prozent zurück. Erzielten die Privatkundenbanken 2008 noch Einnahmen von 700 Euro, liegen die Geldhäuser 2018 nur noch bei 623 Euro pro Kunde. Mit einer Cost-Income-Ratio von 69 Prozent belegt Deutschland beim Thema Ertragskraft des klassischen Privatkundengeschäftes mit Frankreich (70 Prozent) die beiden letzten Plätze im Ranking.1)

Flexible digitale Services statt monolithischer IT-Struktur

Daher ist es unerlässlich, digitale Angebote in das Portfolio aufzunehmen, um neue Geschäftsfelder zu erschließen, neue Kunden zu gewinnen und nicht zuletzt die Kosten zu senken. Und die technischen Optionen stehen bereit: Video-Ident-Verfahren oder Instant-Payment-Lösungen sind nur ein Teilbereich. Müssen zum Beispiel große Datenmengen (Big Data) durchforstet werden, bietet der Einsatz von Algorithmen und zukünftig Künstlicher Intelligenz (KI) echten Mehrwert. Um dieses Potenzial zu heben, sind Schnittstellen zum Altsystem nötig - beziehungsweise ein Umbau desselben - sowie eine Anpassung von Prozessen und die Auslotung von Automatisierungsoptionen. Dieses Maßnahmenpaket ermöglicht eine sehr gute Startposition, um die Anforderungen von Konsumenten wie auch Regulatoren besser erfüllen zu können.

Endkunden wollen die Vorteile der digitalen Welt

In den vergangenen Jahren hat ein Wandel im Verbraucherverhalten stattgefunden. Aufgrund der zunehmenden Nutzung des Internets und mobiler Endgeräte durch die Endkunden reicht es längst nicht mehr, den Service für den Kunden nur während der üblichen Filialöffnungszeiten anzubieten. Der Endkunde verlangt Banking-Services rund um die Uhr - von der Verwaltung des Depots über den Baufinanzierungsrechner bis zur vollständig digitalen Girokonto-Eröffnung - inklusive Identitätsprüfung. Sogar bei Bau- oder Immobilienfinanzierung wird eine Beratung, beispielsweise per Telefon oder Video erwartet, die über die üblichen Arbeitszeiten hinausgeht. Insgesamt hat das Verständnis der Kunden für Wartezeiten dramatisch abgenommen. So ist Instant Payment ein gutes Beispiel für eine moderne, kundengerechte und digitale Lösung. Auch werden Smartphone oder andere mobile Endgeräte für Kunden zunehmend eine wichtige Basis des Payment-Prozesses. Zusammen führen alle Faktoren zu einer geringeren Nachfrage für die Filialberatung. Sie wird in der Regel nur noch in Anspruch genommen, wenn der Kunde ein Gespräch zu komplexen Sachverhalten wie der Immobilienfinanzierung oder der Strukturierung und Allokation der Kapitalanlage benötigt.

Wenn man den Markt betrachtet, stellt man schnell fest, dass Firmen- und auch Privatkunden, die digitale Finanzdienstleistungen verlangen, unter immer mehr Fintechs und digitalen Weltkonzernen wählen können. Ein prominentes Beispiel ist Apple Pay, also das schnelle und bequeme Zahlen per i-Phone. Banken müssen hier dringend in eine Innovationsführerschaft investieren, um an digitalen Marktanteilen zu partizipieren. In der Vergangenheit haben die deutschen Banken generell hier zu wenig getan. So betrugen die durchschnittlichen Aufwände für Zukunftsprojekte im Jahr 2014 nur 0,68 Prozent des Umsatzes.2)

Digitale Entlastung bei Compliance-Prozessen

Dabei können digitale Lösungen auch helfen, die steigende Anzahl regulatorischer Anforderungen zu meistern. Zu den großen Themen der letzten Zeit zählen neben der MiFID II mit Auswirkung auf die Transparenz und die Stärkung des Anlegerschutzes im Kapitalmarkt, auch die PSD2 im europäischen Zahlungsverkehr oder die EU-DSGVO als Datenschutznovelle. Diese und andere Compliance-Anforderungen erhöhen für Finanzinstitute zusätzlich zu den Wettbewerbsherausforderungen den Druck. So kommt es zu steigender Arbeitslast innerhalb der Compliance-Einheiten. Dazu zählen etwa zusätzliche Dokumentationspflichten, mehr Bedarf an Prüf- und Kontrolltätigkeiten - Stichwort Internes Kontrollsystem und Transaktionsmeldungen an Aufsichtsbehörden - sowie eine größere Masse an Datenfeldern und Transaktionen, die auf Auffälligkeiten geprüft werden müssen.

Hier können automatisierte Prozesse weiterhelfen. Beispiel Geldwäscheprävention: Mit dem Einsatz der richtigen Technik gelingt die Einhaltung der Vorgaben effizienter. Die Voraussetzung, etwa Machine Learning verwenden zu können, ist ein Datenhaushalt, der eine möglichst hohe Qualität aufweist. Nur mit sinnvollen Daten wird ein Ergebnis möglich, aus dem das Compliance-Team die richtigen Schlüsse ziehen kann. Das gilt schon für den Kundenanlage- und Know your customer (KYC)-Prozess.

Im ersten Schritt führt beispielsweise schon der automatisierte Vergleich von Stammdaten mit offiziellen Datenbanken dazu, gespeicherte Informationen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Bei der tatsächlichen Erkennung von Geldwäscheverdachtsfällen kann man sich dann Methoden und Technologien zu Nutze machen, die sich in den vergangenen Jahren stark weiterentwickelt haben. Dazu gehören regelbasierte Lösungen sowie Supervised und Unsupervised Machine Learning. Egal welche Lösung eine Bank wählt, die endgültige Kontrolle eines Verdachts führen Menschen durch. Die Fachleute werden von einem treffsicheren System aber spürbar entlastet, sodass sie mehr Zeit in die Untersuchung der Fälle investieren können.

Compliance-Anforderungsprofile im Wandel

Obwohl es also zielführend ist, auch im Compliance-Bereich mehr digitale Lösungen einzusetzen, hatten Finanzinstitute auf den wachsenden regulatorischen Druck bisher vor allem reagiert, indem mehr Personal eingestellt wurde. Dieser Weg erweist sich allerdings immer mehr als Sackgasse. Nicht mehr Mitarbeiter sind gefragt, dafür aber neue Qualifikationen - angefangen beim Chief Compliance Officer (CCO). In der Zukunft werden zunehmend CCOs gesucht, die sehr breit aufgestellt sind und auch das technologische Know-how mitbringen. Zu ihren Kompetenzen zählen:

- Hervorragende Management-Skills wie Führung, Überzeugungskraft, Kommunikationsfähigkeit sowie Flexibilität und Sprachkenntnisse (da eine Vielzahl von Gesetzestexten auf Englisch sind). - Verständnis der betriebswirtschaftlichen Prozesse und Strukturen gepaart mit juristischen Kenntnissen.

- Hohes Technologieverständnis und IT-Know-how vom Kernbanksystem bis zum Front Office. Dazu Wissen rund um Wege der Prozessdigitalisierung und -automatisierung sowie der Künstlichen Intelligenz.

- Starke Mitarbeiterführung und -beratung, um ein breites Know-how bei den Beschäftigten aufzubauen, permanent weiterzuentwickeln und sie im Veränderungsprozess mitzunehmen.

- Integration des Effizienzgedankens, um mit Compliance-Funktionen kontinuierlich Effizienzgewinne zu erzielen.

- Sensibilität für die strategischen Chancen und Bedrohungen verstehen, die die Digitalisierung mit sich bringt.

Dies wird einen Kulturwandel in den Compliance-Abteilungen auslösen - Top-Down. Damit steht dieser Bereich aber nicht allein.

Digitalisierung erfordert neue Unternehmenskultur

Lassen sich technische und prozessuale Anforderungen noch relativ einfach greifen und umsetzen, gilt es außerdem, auch die Kultur innerhalb des eigenen Unternehmens zu transformieren. Digital Leadership ist einer der prägenden Begriffe in diesem Kontext. Diese Idee verbindet Digitalisierung, Zusammenarbeit und Führung zu einem Erfolgsfaktor. Neben der Betrachtung der IT-Prozesse erhält dabei der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle beim Kulturwandel innerhalb des Unternehmens. Denn Mensch und Digitalisierung passen im Betrieb nicht immer reibungslos zusammen. Verschiedene Generationen von Mitarbeitern mit unterschiedlicher Offenheit bei digitalen Themen (sogenannte Digital Natives und Digital Immigrants) müssen gleichermaßen durch den Wandel geführt werden. Der Markt spiegelt wider, dass die Notwendigkeit einer digitalen Transformation verstanden wurde, aber das digitale Mindset in den meisten Unternehmenskulturen noch nicht verankert ist. Es liegt am Management, den Mitarbeitern die Unsicherheit zu nehmen und die nächste Stufe der Digitalisierung anzustoßen.

Kleine Schritte oder großer Wurf?

Welcher Ansatz hilft bei der Einführung neuer Technologien? Zum einen ist es entscheidend, die passenden Prozesse zu identifizieren. Diese müssen die prozessualen und technischen Voraussetzungen mitbringen sowie kompatibel mit den aktuellen beziehungsweise erwarteten regulatorischen Rahmenbedingungen sein. Idealerweise zahlen sie auch auf die übergeordnete Strategie ein. Ein zu großer Scope wirkt sich dabei kontraproduktiv aus. Denn so steigt die Wahrscheinlichkeit zu scheitern etwa aufgrund von neuen Priorisierungen, fehlendem Budget, regulatorisch nicht mehr zukunftsfähigen Komponenten oder strategischen Neuausrichtungen. Der bessere Weg ist das Sammeln von Erfahrungen über kleine Projekte, wie zum Beispiel Proof of Concepts. Dies ermöglicht die Umsetzung von schnellen Erfolgen (Quick Wins). Mit steigender Erfahrung und Lernkurve kann das Digitalisierungsteam den Scope und Digitalisierungsgrad dann sukzessive erweitern.

Folgende Schritte können helfen, die Herausforderungen zu bewältigen. Sie sollten in den kommenden Jahren und nicht erst langfristig angegangen werden.

Technologie:

- Modernisierung der IT-Infrastruktur, um unter anderem die Kernbankensysteme zu ersetzen beziehungsweise grundlegend zu erneuern.

- Neue Technologien nutzen, um Leistungsangebot und Compliance zu optimieren.

Endkunden:

- Veränderungen der Kundenbedürfnisse beobachten und analysieren, um das eigene Angebot an die veränderten Anforderungen anzupassen (etwa Service rund um die Uhr).

- Kundengruppen eindeutig definieren und klare Ausrichtung des Produkt- und Leistungsangebots auf sie.

- Kundenansprache über mehrere Kanäle (nur Filialberatung reicht nicht mehr aus).

Prozesse:

- Digitalisierungspotenzial von bestehenden Prozessen feststellen.

- Flexibilität steigern sowohl in der Nutzung der Produkte als auch in der Interaktion Bank-Kunde.

- Regulatorische Abläufe mit dem Fokus Modernisierung und Digitalisierung betrachten.

Kommunikation:

- Angebot klar nach außen kommunizieren und auf ein zu entwickelndes digitales Geschäftsmodell ausrichten.

- Beachtung der aktuellen Datenschutzbestimmungen (EU-DSGVO) beim Kontakt nach außen, insbesondere beim Dialog mit Endkunden.

Fußnoten

1) Chikova, Daniela; Kent, Simon (2019): European Retail Banking Radar 2019, A.T.Kearney

2) Vgl. Smolinski, R. / Gerdes, M. (2017): Mit ganzheitlichem Innovationsmanagement zur Finanzbranche der Zukunft, S. 38.

Sandra Reinhard Managerin, PPI AG, Frankfurt am Main
Iuliia Schlohmann Consultant, PPI AG, Frankfurt am Main
Sandra Reinhard , Managerin, PPI AG, Frankfurt am Main
Iuliia Schlohmann , Consultant, PPI AG, Frankfurt am Main

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