Gespräch des Tages

Zinsen - Besinnung auf Retailprodukte

Zunehmende Belastungen durch regulatorische Anforderungen und die nachhaltige Niedrigzinsphase prägen derzeit die Bankenlandschaft. Hinzu kommt eine Verstärkung der Krise durch die öffentliche Wahrnehmung. Das Selbstverschulden an der misslichen Lage beruht auf einer Produktion von nicht enden wollenden Negativschlagzeilen etwa "Boni-Auswüchsen" und in der Öffentlichkeit schmerzlich wahrnehmbarer "Hireand-Fire-Mentalitäten". Aber auch das Misslingen einer klaren Abgrenzung zu den geschmähten Schattenbanken und deren im Brennpunkt der Kritik stehenden Produkten führt weiter zu einem beschleunigten Vertrauensverlust. Die Entscheidung über das Wohl der Banken findet zunächst in den Chefetagen statt. Der Erfolg wird von einer flexiblen Gestaltung tragfähiger Geschäftsmodelle abhängen. Sie müssen gleichermaßen in der Lage sein, künftige Inflationsentwicklungen sowie Wirtschaftsrezessionen abfedern zu können. Die Herausforderung der Geschäftsführung lautet, die Mitarbeiter für alte Tugenden, wie hohe Service- und Beratungsqualität auf breit aufgestellte Retailprodukte zu motivieren.

Nach den wenig schmeichelhaften Ergebnissen des jüngsten G20-Gipfels scheint festzustehen, dass die Behebung der politisch bedingten hemmungslosen Staatsverschuldung in nächster Zeit nicht ernsthaft in Angriff genommen werden wird. Das lässt zunächst Banken hoffen, da de facto die Politik der Notenpresse, um eine Deflation auszuschließen, fortgesetzt und weiter an dem Hype "too big to fail" festgehalten wird. Dies ist für die Institute insofern beruhigend, als keine verschärften Beschlüsse zu erwarten sind, die eine Zerschlagung von Bereichen des deutschen Bankensektors an streben. Die Folge wird eine Fortsetzung des Niedrigzinsniveaus sein, die die Ertragslage weiter belastet, deren Ausmaß aber die Institute je nach Ausrichtung ihrer Geschäftsaktivitäten in unterschiedlichen Intensionen treffen werden. Hier ziehen nach Meinung der Aufsichtsbehörde bereits dunkle Wolken auf. Trotz der jüngsten Entspannung sieht die BaFin die deutschen Banken noch nicht über den Berg. Wegen der niedrigen Margen würde von einigen Instituten quer durch die deutsche Bankenlandschaft die Fristenkongruenz in der Refinanzierung nicht ernst genommen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang die Ausrichtung auf kommende Geschäftsstrategien, die sich offensichtlich auf klassische Retailprodukte konzentriert.

Dies erklärt auch bereits die Fokussierung auf das ehemals teils vernachlässigte Retailprodukt Baufinanzierung. Um deren Marktanteile wird derzeit hart gekämpft. Offensichtlich hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass dieses klassische Bankprodukt nicht weiter in fremde Absatzkanäle entgleiten darf. Zwar erweist sich das Ankerprodukt Baudarlehen als margenarm und mit geringer Gewinndynamik, gilt dafür aber als krisensicher und als Garant für eine lange Kundenanbindung mit hohem Cross-Selling-Potenzial. Entsprechend mit unterschiedlichen Erfolgen und Strategien operieren derzeit die Bankengruppen. Während die Deutsche Bank und die PSD-Bankengruppe mit hohen Wachstumsraten aufhorchen lassen, suchen etwa die Commerzbank, aber auch Institute aus dem Sparkassen- und genossenschaftlichen Sektor, ihre Chance durch den Ausbau über die Vermittlerschiene und Abschluss von Allianzen.

An zweiter Stelle der bevorzugten Retailprodukte steht die Vermögensberatung. Der Scheideweg lautet, in welchem Maße es gelingen wird, Multikanalstrategien und ganzheitliche Beratungsangebote nachhaltig zu integrieren. Großes Thema für das laufende Jahr wird sein, wie sich Mobile Banking mittels Endgeräten mit i-Phone-Applikationen inklusive Videoberatung ökonomisch sinnvoll realisieren lässt, unabhängig davon, inwieweit sich die Honorarberatung durchsetzt.

Prof. Dr. Klaus Fleischer, Of Counsel Rölfs Partner Financial Services, München

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