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Zentralbanken - Verlangsamte Finanzmarktintegration?

Die Europäische Zentralbank (EZB) weist in ihrem Anfang April 20091) veröffentlichten dritten Bericht über die Finanzmarktintegration in Europa auf das Risiko hin, dass sich der Finanzintegrationsprozess in Europa infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise verlangsamen könnte. Im Mittelpunkt des diesjährigen Berichts stehen die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Prozess der Finanzmarktintegration. In dieser Hinsicht bescheinigt der Bericht Europa zwar über geraume Zeit beträchtliche Fortschritte, verweist zuletzt jedoch in bestimmten Finanzmarktsegmenten auf Anzeichen eines Rückzugs hinter die nationalen Grenzen.

Die Integration der Finanzmärkte, so die klare Position der Notenbank, ist für den europäischen Binnenmarkt und die EZB von zentraler Bedeutung. Zum einen erleichtere sie die reibungslose Durchführung der Geldpolitik und eine ausgewogene geldpolitische Transmission im gesamten Euro-Währungsgebiet. Zum anderen trage sie zur Finanzstabilität bei, indem sie größere, liquidere und wettbewerbsfähigere Märkte schaffe, die mehr Möglichkeiten zur Risikostreuung bieten. Und schließlich fördere die Finanzmarktintegration das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand, weil sie der Weiterentwicklung und Effizienz des Finanzsystems Vorschub leiste. Aus all diesen Gründen ist aus Sicht der EZB Wachsamkeit geboten, um einer Verlangsamung oder gar Umkehr des Finanzintegrationsprozesses in Europa entgegenzuwirken.

Der diesjährige Bericht befasst sich auch mit Aspekten der Finanzmarktentwicklung. Demnach ergänzen und verstärken sich die Integration und die Entwicklung der Finanzmärkte in der Regel gegenseitig: Die Finanzintegration fördere die Entwicklung der Finanzmärkte durch Stärkung der Wettbewerbsimpulse, und die Finanzmarktentwicklung helfe bei der Beseitigung von Friktionen und grenzüberschreitenden Hindernissen, die einer vollständigen Integration im Wege stehen. Die anhaltende Krise zeige jedoch auch, dass Finanzinnovationen gelegentlich zu einer verminderten Transparenz und einer übermäßigen Risikobereitschaft führen und damit letztendlich der Finanzmarktintegration abträglich sein können. Als Beispiel hierfür werden bestimmte Verbriefungsarten genannt, für deren Auflegung in erheblichem Umfang außerbilanzielle Strukturen geschaffen wurden.

Der Bericht setzt sich aus drei Hauptkapiteln zusammen. Im ersten Kapitel wird eine Beurteilung zum Stand der Finanzintegration im Euroraum anhand einer Reihe statistischer Indikatoren vorgenommen, die von der EZB entwickelt wurden.2) Das zweite Kapitel (Special Features) enthält detaillierte Analysen zu drei ausgewählten Themengebieten:

Der erste Artikel beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Finanzkrise auf die Finanzmarktintegration im Euro-Währungsgebiet. Einige Marktsegmente sind stärker betroffen als andere: So kam es an den unbesicherten Geldmärkten und den Märkten für Staatsanleihen vor allem im grenzüberschreitenden Bereich zu deutlich gestiegenen Bedenken bezüglich des Liquiditäts- und Kreditrisikos. Dagegen wurde das traditionelle Privatkundengeschäft mit ausländischen Kunden bislang kaum berührt. Sobald sich die Lage wieder stabilisiert hat und die langfristigen Antriebskräfte der Finanzintegration wieder wirken, dürften sich die in jüngster Zeit beobachteten negativen Effekte der Krise umkehren. Gleichwohl ist aus Sicht der EZB Umsicht geboten, um sicherzustellen, dass die nationalen Notfallmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise keine negativen Auswirkungen auf die europäische Finanzmarktintegration haben.

Im zweiten Artikel wird die Rolle institutioneller Anleger bei der Finanzmarktintegration beleuchtet. Investmentfonds, Versicherungsgesellschaften und Pensionsfonds leisten aufgrund der geografischen Diversifizierung ihrer Anlageportfolios einen erheblichen Beitrag zur europäischen Finanzintegration. Den jüngsten verfügbaren Daten (drittes Quartal 2008) zufolge scheinen ihre Strategien für die Portfolioallokation innerhalb des Euroraums bislang kaum von der Finanzkrise beeinflusst worden zu sein, jedoch ist das von ihnen insgesamt verwaltete Vermögen geschrumpft.

Im dritten Artikel wird die Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie junger innovativer Firmen, die einen wichtigen Beitrag zu Beschäftigung und Wachstum im Eurogebiet leisten, behandelt. Diese Unternehmen sind in der Regel größeren Finanzierungsbeschränkungen und höheren Finanzierungskosten ausgesetzt als andere Firmen, was Wachstum und Innovationen beeinträchtigen kann. Der Zugang solcher Unternehmen zu Finanzmitteln könnte durch eine Verbesserung der Struktur der Kreditmärkte, die Weiterentwicklung des europäischen Wagniskapitalmarktes und die Vermeidung verzerrender steuerlicher und regulatorischer Maßnahmen erleichtert werden. Die EZB hält es für besonders wichtig, dass gesunde Unternehmen dieser Art trotz der Finanzmarktturbulenzen von einem dauerhaften Zugang zu einer kostengünstigen Finanzierung profitieren.

Das letzte Kapitel des Berichts enthält einen Überblick über die wichtigsten Aktivitäten des Eurosystems auf dem Gebiet der Finanzintegration im Jahr 2008. Druckexemplare dieses Berichts können bei der EZB, Abteilung Presse und Information, angefordert werden. Wahlweise kann der vollständige Bericht auch von der Website der EZB heruntergeladen werden.

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