Aufsätze

Wege der Landesbanken aus der Finanzmarktkrise

Die Turbulenzen an den Finanzmärkten stellen alle Banken in Deutschland und weltweit, und damit auch die Landesbanken, täglich vor neue Herausforderungen. Sieht man von den Sparkassen und Genossenschaftsbanken ab, die sich trotz der angespannten Gesamtlage als stabil erweisen, hat die Krise so gut wie kein Kreditinstitut verschont. Dies gilt unabhängig davon, ob es öffentliche oder private Eigentümer hat. Auch Banken, die aufgrund ihrer Größe, Kundenstruktur oder Diversifikation als besonders solide galten, wurden von der Krise erfasst. Daher kommt gegenwärtig keine Bank umhin, ihre Aufstellung und ihr Geschäftsmodell zu prüfen und gegebenenfalls grundsätzlich zu hinterfragen.

Neue Finanzarchitektur

Infolge der Finanzmarktkrise wird nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eine grundlegend neue Finanzarchitektur entstehen: So steht etwa schon heute fest, dass der Markt von den Banken eine deutlich umfassendere Eigenkapitalausstattung erwartet. Zudem rückt das Kundengeschäft wieder stärker in den Vordergrund. Außerbilanzielle Aktivitäten und Kreditersatzgeschäfte werden hingegen in erheblichem Ausmaß zurückgefahren. Bei den US-Investmentbanken zeigen sich diese Effekte bereits: Wer hätte vor wenigen Monaten erwartet, dass es im Herbst 2008 an der Wall Street keine einzige große Investmentbank in Reinkultur mehr geben würde?

Die Bank, die auch künftig im intensiven Bankenwettbewerb erfolgreich agieren möchte, muss kapitalstark und kundenfokussiert sein. Kritiker behaupten, die Landesbanken seien weder das eine noch das andere. Dies trifft jedoch so nicht zu. Ohne Zweifel wird die neue Finanzarchitektur gerade auch die Landesbanken vor gewaltige Herausforderungen stellen. Bereits der Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung hatte 2005 einen starken Anpassungsbedarf ausgelöst. Bedingt durch unterschiedliche Ausgangslagen konnten jedoch nicht alle Landesbanken ihr Geschäftsmodell kurzfristig so fortentwickeln, dass sie den Wegfall der staatlichen Gewährleistungen problemlos verkraftet haben. Die Finanzmarktkrise hat dieser Anpassungsphase ein jähes Ende gesetzt.

Im Kern der anhaltenden Strukturdiskussion über die künftige Aufstellung der Landesbanken steht daher die Frage nach dem richtigen Geschäftsmodell. Dabei gibt es keine für alle gültige Blaupause. Vielmehr ist jede Landesbank gefordert, mit ihren Eigentümern das für sie passende Geschäftsmodell zu finden und ständig weiterzuentwickeln. In der öffentlichen Diskussion gibt es häufig die Behauptung, die Landesbanken hätten kein Geschäftsmodell. Zugleich wird eine umfassende Konsolidierung gefordert. Wenn aber, was nicht zutrifft, die sieben selbstständigen Landesbanken kein Geschäftsmodell hätten, dann hätte auch eine fusionierte Super-Landesbank kein Geschäftsmodell. Denn die Größe einer Bank kann zwar durch Skaleneffekte Vorteile erzeugen, ist für sich allein genommen aber noch kein Geschäftsmodell. Dies haben die Schieflagen und Existenznöte renommierter Adressen wie Bear Stearns, Lehman Brothers oder Merrill Lynch eindrucksvoll dargelegt. Vielmehr kann die Größe einer Bank aus betriebswirtschaftlicher Sicht nur dann ein Erfolgsfaktor sein, wenn auch das zugrunde liegende Geschäftsmodell stimmig ist.

Zentralbank mit Kundengeschäft

Es ist kaum in Abrede zu stellen, dass eine einzige Landesbank als Zentralbank der Sparkassen ausreichen würde. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass das sogenannte Verbundgeschäft nur fünf bis zehn Prozent der Erträge einer Landesbank ausmacht. Allein hiervon kann keine Landesbank leben, eine zentrale Super-Landesbank mithin auch nicht. Darüber hinaus gibt es Liquiditätsströme von Sparkassen zu Landesbanken, die in einem reinen Zentralbankmodell nicht sinnvoll genutzt werden können. Abgesehen davon wäre eine Zentralbank in Reinkultur vermutlich nicht so leistungsfähig wie eine Zentralbank mit eigenem Kundengeschäft. Letztere steht selbst im Wettbewerb, kennt die Kundenbedürfnisse aus nächster Nähe und bietet damit gute Voraussetzungen für die Entwicklung innovativer, konkurrenzfähiger Produkte für die Sparkassen. Zudem erreicht sie höhere Mengengerüste, erzielt damit Kostenvorteile für die Sparkassen und kann ein breiteres Angebotsspektrum bieten. Damit wird deutlich, dass der nachhaltige geschäftliche Erfolg von Landesbanken ganz wesentlich von der erfolgreichen Weiterentwicklung des Nichtsparkassengeschäfts bestimmt sein wird.

Mit dem Begriff "Geschäftsmodell" verbindet sich häufig der Gedanke, dass mit neuen Ideen ein Modell entwickelt und dann schnell umgesetzt wird. Vom Modell zum Geschäft ist aber ein sehr weiter Weg, auf den eine Bank auch ihre Kunden mitnehmen muss. Diese erwarten von ihrer Bank vor allem Zuverlässigkeit und Kontinuität. Deshalb sind, auch im internationalen Maßstab, erfolgreiche Banken nicht solche, die häufig versuchen, ihr Geschäftsmodell zu ändern, sondern solche, die das Geschäft evolutionär aus ihren Wurzeln weiterentwickeln. Daher erfinden die Landesbanken ihre Geschäftsmodelle nicht ständig neu, sondern entwickeln diese weiter.

Ferner muss berücksichtigt werden, dass die Landesbanken spätestens seit dem Fortfall der staatlichen Garantien eine sehr heterogene Bankengruppe sind. Es gibt solche, die sich als integrierte Universalbanken in der Region verstehen, es gibt Spezialisten, die in ihrer Nische Weltmarktführer sind und es gibt auch Institute, die in erster Linie als Wholesale-Banken agieren. So steht etwa die Landesbank Baden-Württemberg für das Modell einer integrierten Universalbank mit einer starken Verankerung in den Regionen sowie einer Hausbank für den gehobenen Mittelstand.

Renaissance der Hausbankverbindung

Gerade die Hausbankverbindung hat in Deutschland eine lange Tradition. Mit der Globalisierung und der stärkeren Kapitalmarktorientierung von Banken und Unternehmen wurden jedoch viele dieser Verbindungen gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts verwässert. Die Beziehung zwischen Bank und Unternehmen wurde mit der Verlagerung der Finanzierung vom klassischen Kredit auf die Kapitalmärkte zusehends anonymer. Während der Konjunkturflauten in der ersten Hälfte der neunziger Jahre und zu Anfang des neuen Jahrtausends zogen sich zudem manche private Banken aus dem Mittelstandsgeschäft zurück. Doch auch Kunden weichten die Eins-zu-Eins-Beziehung zu ihrer Bank auf. Ihr Bedarf an finanzieller Unterstützung wurde um ein Vielfaches komplexer. Dies förderte die Mehrbankenbeziehung und machte global agierende Investmentbanken stark.

Nicht erst seit der Finanzmarktkrise erlebt die Hausbankverbindung wieder eine Renaissance. Die Vorteile der langfristig loyalen Zusammenarbeit sind auf beiden Seiten wieder stärker ins Bewusstsein gerückt. Für die Landesbanken kann das mitunter eine Chance sein. Allerdings: Hausbank ist man erst, wenn man sich das Vertrauen der Kunden verdient hat. Dazu braucht es einen langen Atem.

Die gegenwärtig diskutierte funktionale, arbeitsteilige Neuordnung der Landesbanken ist hingegen kein Modell mit Zukunft. Denn der Erfolg der integrierten Universalbank gründet sich gerade darauf, dass sie ihren Kunden eine breite Produktpalette anbieten kann. Eine funktionale Neuordnung der Landesbanken würde zwangsweise den Umbau funktionierender Geschäftsmodelle nach sich ziehen. Zudem würde hierdurch die enge Beziehung zwischen den regionalen Sparkassen und ihrer regionalen Landesbank aufgelöst und damit ein erfolgreiches Strukturmerkmal des öffentlich-rechtlichen Sektors aufgegeben.

Für eine so grundlegende Restrukturierung gibt es keine Notwendigkeit. Die Wucht der Finanzmarktkrise hat bei vielen Beteiligten den Druck und die Neigung erhöht, schnelle Lösungen zu suchen. Hastiges Handeln birgt jedoch die Gefahr, auch im Kern gesunde Unternehmen mit einem grundsätzlich funktionierenden Geschäftsmodell zu schwächen. So birgt die Konsolidierung von Banken in der Krise mehr denn je das Risiko, auch solide Institute durch die Verbindung mit einer angeschlagenen Bank in Not zu bringen. Eine Voraussetzung für Konsolidierungsüberlegungen muss daher der Verbleib der Altrisiken bei den Alteigentümern sein.

Hinzu kommt, dass trotz des Risikoschirms der Bundesregierung die Refinanzierungssituation aller Banken noch immer extrem angespannt ist. Hieran wird sich kurzfristig nichts ändern. Eine Fusion zweier Landesbanken würde bei den Kapitalgebern schnell zu einer Reduzierung ihrer Linien führen, um Klumpenrisiken zu vermeiden. Es käme also zu einer deutlichen Refinanzierungslücke.

In diesen turbulenten Zeiten ist zunächst jede Bank für sich gefordert, ihre Hausaufgaben zu machen. An oberster Stelle steht dabei die Sicherung der Refinanzierung. Auch wenn man die Finanzmarktkrise bewältigt, wird die Wholesale-Refinanzierung weltweit und für alle Institute dann nicht mehr in dem Maße zur Verfügung stehen, wie es vor der Krise der Fall war. Ob eine Bank erfolgreich ist, entscheidet sich also zuallererst an einer gesicherten Refinanzierungsbasis. Für die Landesbanken bedeutet das vor allem zweierlei: Erstens, die Eigenkapitalausstattung muss wettbewerbsfähig sein. Zweitens, die Risikoaktiva müssen zurückgefahren werden. Weltweit hat die Finanzkrise einen Wettlauf um die Kapitalisierung der Banken entfacht, dem sich auch die Landesbanken nicht entziehen können.

Reduktion der Risikoaktiva

Eine Kernkapitalquote von neun bis zehn Prozent entwickelt sich zum Standard. Es liegt auch im nationalen Interesse, dass die Banken gut kapitalisiert sind und mit ausreichend Liquidität versorgt werden. Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz und dem entsprechenden Sonderfonds (SoFFin) hat prinzipiell jedes Institut die Möglichkeit, sich ausreichend Eigenkapital zu beschaffen. Letztlich sollte es aber - wie in einer marktbasierten Wirtschaft üblich zunächst Sache der Eigentümer sein, wie sie die Kapitalisierung ihres Unternehmens sicherstellen. Bei der Reduktion der Risikoaktiva steht das Kreditersatzgeschäft im Vordergrund, vor allem die konsequente Nutzung von Fälligkeiten. Ein überstürzter Verkauf dieser Assets zu Fire-Sale-Konditionen birgt die Gefahr weiterer Destabilisierung. Eng damit verbunden ist die Anpassung der Kapazitäten und im Gegenzug der Auf- und Ausbau kundenorientierter Geschäftssegmente. Mit diesen Voraussetzungen verfügen die Landesbanken über die Grundlage für weitere Fusionen.

Die Welt steht erst am Anfang einer Rezession. Um diesen Abschwung abzumildern, brauchen wir private und öffentliche Banken, deren Kreditvergabe an den Mittelstand nicht an Eigenkapital- oder Refinanzierungsengpässen scheitert. Daher ist es jetzt eine vorrangige Aufgabe, den Geldkreislauf wieder voll in Schwung zu bringen. Das schließt die strukturelle Fortentwicklung der Banken nicht aus. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, können weitere Zusammenschlüsse unter den Landesbanken aufgrund der Größenvorteile durchaus eine Option sein. Die Landesbanken werden auch nach der Neuordnung der Bankenlandschaft eine Schlüsselrolle in der hiesigen Kreditwirtschaft wahrnehmen. Dabei wird allerdings nicht nur Größe, sondern die Validität des Geschäftsmodells der entscheidende Erfolgsfaktor der Landesbanken sein.

Dr. Siegfried Jaschinski , Partner, Augur Capital AG, Frankfurt am Main
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