Aufsätze

Zukunft der Landesbanken und Sparkassen in Zeiten der Finanzkrise

Die sogenannte Subprime-Finanzkrise hat auch die deutschen Landesbanken mit in ihren Strudel gezogen. Sie haben sich ebenso wie einige namhafte private Großbanken - ganz offensichtlich in riskante Finanzabenteuer gestürzt und dadurch die volle Wucht der jüngsten Turbulenzen zu spüren bekommen. Aufgrund der globalen Verflechtungen des Finanzmarkts haben der Niedergang des US-Hypothekenmarkts und das Zusammenbrechen des Markts für strukturierte Wertpapiere den europäischen Bankenmarkt erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Landesbanken im Blick

Im Lager der Landesbanken waren insbesondere die Sachsen-LB, die WestLB und die Bayern-LB betroffen. Die Sachsen-LB konnte Mitte 2007 nur im Wege der Übernahme durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) gerettet werden und wird zukünftig als "Sachsen Bank" hauptsächlich das Geschäft mit mittelständischen Unternehmen und gehobenen Privatkunden in der Region sowie das Geschäft auf dem Wachstumsmarkt Osteuropa weiter betreiben.

In der zweiten Jahreshälfte 2007 zeigte sich dann, dass auch die WestLB durch Fehlspekulationen am Aktienmarkt und durch die Finanzmarktkrise in eine dramatische Finanzlage geraten war. Eine Fusion mit der Landesbank Baden-Württemberg, für die sich der Aufsichtsrat der WestLB und die Sparkassenverbände im Laufe des Jahres 2007 mehrfach ausgesprochen hatten, scheiterte jedoch am Widerstand des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. Und eine - angesichts der sich zuspitzenden Lage - ins Gespräch gebrachte Fusion mit der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) wurde von den hessischen und der thüringischen Sparkassen abgelehnt. Schließlich vereinbarten die Eigentümer Anfang 2008 die Ausgliederung der betroffenen Wertpapiere auf eine Zweckgesellschaft und eine Risikoabschirmung in Form einer Garantie in Höhe von fünf Milliarden Euro.

Ungefähr zur selben Zeit geriet die Bayern-LB, an der je zur Hälfte der Freistaat Bayern und der Sparkassenverband Bayern beteiligt sind, in Bedrängnis. Zurzeit wird auch hier eine Auslagerung der problematischen Wertpapiere in eine Zweckgesellschaft und das Aufspannen eines Risikoschirms in Höhe von insgesamt sechs Milliarden Euro diskutiert. Nachdem die Bayerische Staatsregierung sich bislang einer Fusion der Bayern-LB mit einem größeren Partner mangels "Augenhöhe" widersetzt hatte, gibt es inzwischen anderslautende Signale.

Nicht mehr als eine Auszeit

Die von Eigentümern gewährten oder in Aussicht gestellten finanziellen Hilfen geben den Landesbanken jedoch nicht mehr als eine Auszeit. Das eigentliche Problem ist älter als die derzeitige Kapitalmarktkrise: Seit dem Wegfall der Gewährträgerhaftung der Bundesländer im Juli 2005 ist der Refinanzierungsvorteil der Landesbanken aufgehoben. Bis dahin hatten die staatlichen Haftungsgarantien den Landesbanken risikoarme Geschäfte ermöglicht (geliehene Bonität).

Um die bisherigen Erfolgsbilanzen fortschreiben zu können, haben die Landesbanken ihre Geschäftsstrategie geändert: Einige haben sich auf bestimmte Marktsegmente spezialisiert, andere haben sich stärker auf gewinn-, aber auch risikoreichere Geschäfte verlagert. Erschwerend kommt hinzu, dass vor Auslaufen der Garantien in großem Umfang "günstiges Geld" aufgenommen wurde, welches vermeintlich risikoarm in sicheren und von den Ratingagenturen mit Bestnoten ausgezeichneten strukturierten Wertpapiere angelegt worden ist.

Finanzkrise und politische Diskussion - Hoffnungen und Befürchtungen

Eine Krise zwingt alle Beteiligten dazu, die bisherigen Strukturen und Modelle kritisch zu hinterfragen und zu diskutieren. Mit Sicherheit muss das Versagen der Ratingagenturen Konsequenzen für deren Geschäftsmodell haben. Möglicherweise wird es auch zu Veränderungen bei der Bankenaufsicht und bei den Bilanzierungsregelungen kommen. Für den Landesbankensektor ist zu hoffen, dass die jüngsten Finanzmarktverwerfungen auch dem letzten Landespolitiker klar gemacht haben, dass die Landesbanken als Hausbanken des Landes keine Zukunft haben.

Während die Sparkassen und ihre Träger wiederholt gefordert haben, den Konsolidierungsprozess im Landesbankensektor nun endlich voranzutreiben, haben Landespolitiker entsprechende Zusammenschlüsse in der Vergangenheit wegen des damit einhergehenden Einfluss- und Prestigeverlustes nur allzu oft verhindert. "Stand-alone-Lösungen" mögen bestimmte Standortinteressen befriedigen und kurzfristig landespolitischen Einfluss sichern.

Langfristig sind sie aus Sicht der deutschen Städte jedoch nicht tragfähig. Die Zukunft der Landesbanken liegt vielmehr auf den klassischen Geschäftsfeldern von Sparkassenzentralbanken - als Verbund- und Dienstleistungsunternehmen der Sparkassen. Hierfür sind horizontale Fusionen zwingende Voraussetzung - bis zum Schluss zwei oder drei Landesbanken übrig bleiben. Sollte sich diese Erkenntnis endlich durchsetzen, wäre dies eine gute Seite der Krise.

Hebel für eine Öffnung des öffentlichen Bankensektors

Zu befürchten ist aber, dass die laufende Diskussion um den Konsolidierungsprozess als willkommener Hebel für eine Öffnung des öffentlichen Bankensektors genutzt werden soll. Die deutschen Landesbanken werden als Hauptakteure der Finanzkrise dargestellt, in der unfähige Politiker gehandelt und verantwortungslos Staatsvermögen "verzockt" hätten. Und da dem deutschen Steuerzahler nicht zugemutet werden könne, für entsprechende Ausfälle geradezustehen, müsse sich der Staat ganz oder teilweise aus diesen Bereichen zurückziehen und privaten Investoren das Feld überlassen. Diese brächten frisches Kapital und privates Know-how und würden dem Steuerzahler das Haftungsrisiko abnehmen.

Mit diesem Argument ist beispielsweise in Bayern zwischenzeitlich diskutiert worden, einen Privatinvestor für die Übernahme des Risikoschirms zu gewinnen, der im Gegenzug bei einer Inanspruchnahme entsprechende Landesbankenanteile erhalten würde.

Beispiele Northern Rock und Bear Stearns

Hierbei wird ausgeblendet, dass auch die privaten Banken in Deutschland oder in der soliden Schweiz und in den Finanzzentren Londons sowie der USA enorme Belastungen zu verzeichnen hatten und teilweise ganz bewusst darauf spekuliert haben, dass sie selbst zu groß seien, als dass der Staat sie würde in Konkurs gehen lassen. Die Tatsache, dass die englische Zentralbank Northern Rock beigesprungen ist und die US Federal Reserve Bear Stearns mit 30 Milliarden Dollar gerettet hat, zeigt daher, wie scheinheilig die Diskussion geführt wird.

Auch hier ist der Staat eingesprungen - im Übrigen mit derselben Begründung, die auch für den Anfang des Jahres zwischen den Eigentümern vereinbarten Risikoschirm der WestLB zum Tragen kam: Es sollten schlimmere Auswirkungen, die im Fall einer Insolvenz für den gesamten Finanzmarkt befürchtet worden waren, verhindert werden.

Vor einer entsprechenden Instrumentalisierung der Finanzkrise kann daher nur nachdrücklich gewarnt werden. Die kommunalen Sparkassen, die einen Großteil kleiner Spareinlagen bündeln, haben sich in der aktuellen Krise im Gegenteil ganz überwiegend als ein Hort der Stabilität und Liquidität erwiesen. Das macht sie auch für die private Wirtschaft so interessant. Nachdem die großen privaten Bankkonzerne sich zunächst aus Renditegesichtspunkten aus dem Privatkundengeschäft zurückgezogen hatten, hat dort inzwischen ein massives Umdenken eingesetzt. In Zeiten, in denen eine Finanzierung über den Kapitalmarkt schwierig und teuer ist, erlebt der Privatkunde als "günstige Refinanzierungsquelle" eine ungeahnte Renaissance.

Es verwundert daher nicht, dass die kommunalen Sparkassen, die im Privatkundengeschäft und bei der Kundenbindung sehr erfolgreich sind, der privaten Konkurrenz ein "Dorn im Auge" sind. Insbesondere im Privatkundengeschäft und im Geschäft mit kleineren Firmenkunden, dem sogenannten "Retail-Geschäft", ist es den Großbanken bisher nicht gelungen, Marktpotenziale in der Größenordnung zu erschließen, die für ein rentables Betreiben dieses Geschäftsfeldes wünschenswert wären. Die Durchsetzung höherer Preise ist wiederum - wegen der starken Konkurrenz allen voran durch die Sparkassen - nicht möglich.

Regelmäßig Privatisierungskampagnen

Aus Sicht der privaten Banken ist der Wettbewerb mit den kommunalen Sparkassen daher ein Hemmnis, welches es zu bereinigen gilt. Deutschland, so heißt es immer wieder, sei "overbanked". Die Kritik richtet sich insbesondere gegen das Drei-Säulen-Modell, das neben Geschäftsbanken und den bewährten Genossenschaftsbanken eben auch öffentlich-rechtliche Sparkassen beinhaltet. Entsprechend zielorientiert werden von interessierter Seite regelmäßig Privatisierungskampagnen zur Übernahme attraktiver öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute gestartet.

Ein Einstieg Privater bei den Landesbanken erfolgt aber nicht aus altruistischen Gründen. Für Privatinvestoren sind die Landesbanken vielmehr wegen ihrer engen Zusammenarbeit mit den kommunalen Sparkassen von Interesse. Die Landesbanken sollen - nach Einschätzung von Bankenkreisen - lediglich ein erster Schritt sein: Nach der formellen Privatisierung durch Umwandlung in eine private Rechtsform, stehen als Nächstes die materielle Privatisierung durch Übernahme der mehrheitlichen Anteilseignerschaft und der Zugang zu den kommunalen Sparkassenkunden ganz oben auf der Wunschliste der privaten Banken. Das würde zu einer schrittweisen Aushöhlung des Drei-Säulen-Modells führen und hätte - nebenbei bemerkt - zur Folge, dass über den Haftungsverbund auch kommunale Sparkassen und damit öffentliche Banken für private Gewinninteressen geradestehen müssten!

Vertikalisierung ist keine Lösung - kein Ausverkauf der kommunalen Sparkassen

Die Sparkassen und ihre Träger sind nicht nur über den Haftungsverbund und das Verbundgeschäft sowie als Eigentümer vom zukünftigen Geschäftsmodell der Landesbanken betroffen. Wiederholt haben prominente Vertreter verschiedener Landesregierungen vielmehr eine Rettung "ihrer" Landesbank auf Kosten der Sparkassen gefordert.

Durch eine Vertikalisierung sollen einzelne Sparkassen in der Landesbank aufgehen und zu deren Vertriebsstellen werden. Das soll den Landesbanken den Zugang zum Privatkunden- und Mittelstandsgeschäft eröffnen - Vorteile, die sich nur auf Kosten der Sparkassen realisieren lassen, welche im Retail- und im mittelständischen Firmengeschäft häufig als Marktführer positioniert sind. So soll das aktivlastige Kreditgeschäft der Landesbanken durch das solide Passivgeschäft der Sparkassen ein krisensicheres Gegengewicht erhalten. Von einer "Win-win"-Situation kann bei einer Vertikalisierung nicht die Rede sein im Gegenteil. Selbst wenn das Regionalprinzip pro forma aufrechterhalten würde, würden wichtige Entscheidungen von einer zentralen - und gerade nicht regionalen und ortskundigen - Steuerungseinheit bestimmt. Maßgebend wären zentrale Ertragsziele und eine einheitliche, von einem Landesbanken-Vorstand festgelegte Geschäftspolitik. Die genuine Stärke der Sparkassen, ihre Selbstständigkeit, ihre Dezentralität, ihre Orts- und Kundennähe, ginge damit verloren. Für eine Berücksichtigung der Belange der Region und die spezifischen Bedürfnisse der jeweiligen Bevölkerung und der Sparkassen-Kundschaft bliebe bei einem solchen Modell kaum Raum. Erforderliche Kostensenkungen würden im Gegenteil tendenziell eher "in der Fläche" durch ein Ausdünnen des Filialnetzes und Personaleinsparungen bei den Sparkassen vorgenommen werden.

Systembruch

Nicht nur der Deutsche Städtetag, sondern alle drei kommunalen Spitzenverbände gemeinsam haben ein solches Modell daher als Systembruch und Gefährdung des erfolgreichen Geschäftsmodells der kommunalen Sparkassen vehement abgelehnt. Diese Ablehnung hat der Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände in seinem Beschluss vom 14. November 2007 nochmals deutlich zum Ausdruck gebracht:

1. Der Erfolg der Sparkassen in Deutschland beruht auf dem Geschäftsmodell der Selbstständigkeit, Dezentralität und Kundennähe.

2. Die dringend notwendige Konsolidierung im Landesbankensektor kann nicht durch eine Schwächung der Sparkassen etwa durch vertikale Fusionen von Sparkassen und Landesbanken - gelingen, sondern nur über die Bildung größerer Einheiten im Landesbankenbereich und tragfähige Geschäftsmodelle. Vertikale Fusionen, die sich als Einstieg in Privatisierungen erweisen können, sind abzulehnen.

3. Gelingt die Konsolidierung der Landesbanken nicht in einem überschaubaren Zeitrahmen und tragen die Geschäftsmodelle auch weiterhin nicht, so vergrößern sich über den gemeinsamen Haftungsverbund auch für die kommunalen Sparkassen die Risiken. Diese Perspektive ist für die Kommunen nicht hinnehmbar.

4. Der Gesamtvorstand der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände steht zu dem Geschäftsmodell der selbstständigen Sparkassen vor Ort im Verbund mit spezialisierten Dienstleistern, zu denen nicht zuletzt auch die Landesbanken gehören.

Vertikalisierungsversuche werden daher mit aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Das gilt umso mehr, als die im Zuge der Finanzmarktkrise erforderlichen Sicherungsmaßnahmen für einzelne Landesbanken ein beihilferechtliches "Nachspiel" haben können. So hat die EU-Kommission den im Fall der WestLB aufgespannten Risikoschirm zwar genehmigt, Privatisierungsauflagen - wie im Fall der Landesbank Berlin - sind damit aber noch nicht vom Tisch. Im Fall einer Vertikalisierung liefe dies letztlich auf die Privatisierung von Sparkassen hinaus - ein Szenario, welches von den deutschen Städten keinesfalls akzeptiert werden kann.

Abschreckende Beispiele in Europa

In Deutschland sichern die Sparkassen eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen und einen funktionierenden Wettbewerb in der Kreditwirtschaft. Sie machen eingriffsintensive staatliche Regulierung und direkte staatliche Subventionen entbehrlich. Und sie übernehmen Aufgaben, die an kurzfristigen Gewinninteressen orientierte Wettbewerber nicht erfüllen wollen und können!

Der Blick in das europäische Ausland zeigt, wohin die Privatisierung der Finanzdienstleistungen führen kann. Massive Konzentrationsprozesse und die Bildung oligopolistischer Strukturen waren die Folge. Dann ist es zu einem Absinken der Qualität von Finanzdienstleistungen bei gleichzeitigem Anstieg der Preise gekommen. Die Zeche zahlen insbesondere die sozial schwachen Bevölkerungskreise und der Mittelstand. "Englische Verhältnisse", in denen infolge einer vollumfänglichen Privatisierung des Bankenmarktes Millionen Bürger kein eigenes Konto mehr besitzen und weite Teile des gewerblichen Mittelstandes keinen oder nur unzureichenden Zugang zu Krediten und Finanzdienstleistungen haben, halten die deutschen Städte für nicht erstrebenswert. Die Sparkassen gehören in kommunale Hand!

Noch keine Bewertungen vorhanden


X