Aufsätze

Die Wahl der Zinsstrukturkurve - eine strategische Managemententscheidung

Durch die neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen wird sich der Wettbewerb innerhalb des Bankensektors weiter verschärfen. Die Liquiditätskennziffern erschweren den Kreditinstituten eine reine Refinanzierung über den Kapitalmarkt und machen das Werben von stabilen Kundeneinlagen auch für Großbanken erforderlich. Dies geschieht häufig zulasten der erwirtschafteten Margen.

Auswirkungen des Bewertungszinses auf die Vertriebssteuerung

Das Ringen um profitables Geschäft ist Grund genug für viele Kreditinstitute ihre Produktkalkulationen zu überprüfen und nach dem Konzept der Marktzinsmethode die Konditionen anzupassen. Dabei spielt der Bewertungszins, auch Referenzzins genannt, eine Hauptrolle, denn mit dieser Berechnungsgröße wird die Bruttomarge erfasst und gesteuert.

In der Theorie wird meist von einem "risikolosen" und "fristenkongruenten" Geld- und Kapitalmarktzins gesprochen. Somit müssen die drei Aspekte risikolos, fristenkongruent und Marktzinssätze berücksichtigt werden. Dabei stellt sich in der Praxis zunächst die Frage, welche Zinssätze zur Verfügung stehen und welche von ihnen die Anforderungen erfüllen.

Häufig treten in der Praxis des Bankgeschäftes die konkreten Auswirkungen der Wahl des Bewertungszinses auf die Vertriebssteuerung in den Hintergrund. Um die Verkaufsleistung einzelner Mitarbeiter zu messen und damit den Vertrieb zu steuern, werden regelmäßig die erzielten Gewinne auf Beraterebene herangezogen. Je mehr ein Mitarbeiter für die Bank erwirtschaftet, desto höher wird demnach seine Leistung eingeschätzt. Welches Ausmaß dabei die Auswahl der Zinsstrukturkurve hat, wird an einem einfachen Beispiel deutlich.

Die Marktzinsmethode geht davon aus, dass es immer die Wahl gibt, ein bestimmtes Geschäft mit einem Kunden oder alternativ am geregelten Interbankenmarkt durchzuführen. Das Kundengeschäft ist nur dann vorzuziehen, wenn es vorteilhafter ist als das Kapitalmarktgeschäft. Dementsprechend müssen die Kundenkonditionen so gestaltet werden, dass nach Verrechnung des Bewertungszinses eine positive Marge verbleibt, um die weiteren Kosten wie Risiko- und Betriebskosten zu decken.

Als stark vereinfachtes Beispiel soll eine Bank mit zwei Beratern herangezogen werden, welche jeweils nur ein Kundengeschäft tätigen. Somit können Effekte wie Fristen- oder Währungstransformation ausgeblendet werden. Inhaltlich lässt sich das Beispiel auf komplexe Strukturen übertragen.

Vereinfachte Beispielrechnung

Berater A verkauft eine Spareinlage über 100000 Euro, mit einer Laufzeit von fünf Jahren zu 1,75 Prozent. Berater B verkauft einen endfälligen Kundenkredit über 100000 Euro, mit einer Laufzeit von fünf Jahren zu 4,25 Prozent.

Aus Gesamtbanksicht muss dem Kunden von Berater A nun jährlich 1750 Euro Zinsen gezahlt werden. Zusätzlich erhält die Bank aus dem Geschäft von Berater B 4250 Euro Zinsen. Es verbleiben also 2500 Euro Bruttoertrag vor Kosten. An dieser Stelle stellt sich die Frage, welchem der Berater dieser Zinsertrag zuzuschreiben ist. Unterstellt man einen Referenzzins in Höhe von drei Prozent, dann sieht der Erfolgsbeitrag wie folgt aus:

Berater A

3 Prozent Marktzins - 1,75 Prozent Kundenzins = 1,25 Prozent Marge

Berater B

4,25 Prozent Kundenzins - 3 Prozent Marktzins = 1,25 Prozent

Die 2 500 Euro würden in 1 250 Euro für Berater A und 1250 Euro für Berater B aufgeteilt werden. Aus Sicht der Vertriebssteuerung leisten beide Berater den gleichen Bruttoerfolgsbeitrag zum Unternehmensergebnis.

Frage nach dem Referenzzins

Offen bleibt zunächst die Frage, woher die drei Prozent Referenzzins kommen. Tatsächlich stehen den Banken mehrere verschiedene Zinsstrukturkurven am Geld- und Kapitalmarkt als Referenz zur Verfügung. Darunter sind vor allem folgende Möglichkeiten zu nennen:

- erstens hausinterne Verrechnungszinssätze,

-zweitens Zinssätze für Pfandbriefe,

- drittens Zinssätze für Bundeswertpapiere und viertens Zinsswaps.

Bei der erstgenannten Möglichkeit leitet die Bank die Bewertungszinsen zur Vertriebssteuerung nach eigenem Ermessen aus der aktuellen Marktsituation ab. So kann der bisherige Referenzzins für die Berater A und B in Höhe von drei Prozent zustande kommen. Aufgrund der fehlenden Objektivität und der damit verbundenen Willkür ist dieser Ansatz jedoch kritisch zu beurteilen. Denn letztlich ist die dritte Bedingung, nämlich ein direkter Marktzins, nicht erfüllt.

Die Pfandbriefkurve setzt sich aus den beobachteten Konditionen der aktuell am Markt gehandelten Pfandbriefe zusammen. Dabei werden meist die öffentlichen sowie die Hypothekenpfandbriefe in die Berechnung einbezogen. Da diesen Wertpapieren eine Deckungsmasse zur Verfügung steht, können sie allgemein als sicher eingeschätzt werden. Die tägliche Ermittlung aus den Marktdaten heraus, stellt die notwendige Objektivität sicher. Die Pfandbriefe können somit als Bewertungszins herangezogen werden.

Alternativ stehen die Bundeswertpapiere zur Verfügung. Die Berechnung erfolgt (analog den Pfandbriefen), indem aus den börsennotierten Bundeswertpapieren entsprechend ihrer Restlaufzeit täglich die Zinssätze abgeleitet werden. Da es sich um öffentliche Verbindlichkeiten handelt, kann ein Ausfallrisiko grundsätzlich ausgeschlossen werden. Auch dieser Marktzins kann als Referenzzins herangezogen werden.

Nahe an die individuellen Gegebenheiten

Ein Zinsswap ist ein derivatives Finanzinstrument zum Austausch von Zinssätzen (vergleiche Übersicht 2). Bei den Swapzinssätzen ist jedoch festzustellen, dass die Liquiditätswirkung, also der Austausch der eigentlichen Guthaben, nicht berücksichtigt ist. Denn es wird lediglich ein Vertrag über die Zinszahlung geschlossen. Dies kann in Zeiten nahezu illiquider Märkte, wie zuletzt während der Finanzmarktkrise, zu Fehlsteuerungen führen, da sich die Swapsätze deutlich von den anderen Marktzinssätzen entfernen. Von der Verwendung unveränderter Swapsätze sollte in der Vertriebssteuerung abgesehen werden.

Um mit der verwendeten Zinskurve möglichst nahe an die individuellen Gegebenheiten des Kreditinstitutes heranzukommen, kann mit sogenannten Spreads gearbeitet werden. Dies sind Auf- oder Abschläge zum Referenzzins. So kann zum Beispiel die Swap-Kurve mit einem Liquiditätsspread versehen werden, um die Liquiditätswirkung einzubinden. Zusätzlich kann je nach Ratingnote (also Risikoklasse) des Kreditinstitutes ein Risikoaufschlag, auch Bonitätsspread genannt, definiert werden. Mit diesen Varianten kann die tatsächliche Marktsituation und damit auch die Steuerung der Bank wesentlich genauer dargestellt werden.

In der Abbildung sind die Zinssätze für Pfandbriefe und Bundeswertpapiere per 1. Juli 2011 in einer Zinsstrukturkurve gegenübergestellt. Anhand des vorliegenden Beispiels ist erkennbar, das die Wahl des Referenzzinses die Kundenberater A und B direkt betrifft. Werden für die beiden Geschäfte nun an Stelle des hausinternen Drei-Prozent-Zinses die Zinssätze aus der Pfandbriefkurve angewendet, verändert sich der Erfolgsbeitrag der Berater wie folgt:

Wie zu sehen ist, hätte der Pfandbriefsatz nur eine geringere Auswirkung auf die Ergebniszuordnung, da der hausinterne Verrechnungszins sehr nahe am aktuellen Pfandbriefzins liegt. Der Berater A hätte gegenüber Berater B eine leicht verbesserte Marge.

Berater A

3,07 Prozent Pfandbriefsatz - 1,75 Prozent Kundenzins = 1,32 Prozent

Berater B

4,25 Prozent Kundenzins - 3,07 Prozent Pfandbriefsatz = 1,18 Prozent

Dies ändert sich jedoch, wenn der Zinssatz für Bundeswertpapiere herangezogen wird:

Hiernach würde sich die Kundeneinlage deutlich weniger rentieren, da der Zinssatz für Bundeswertpapiere unter dem Pfandbriefsatz liegt.

Berater A

2,27 Prozent Bundeswertpapiere - 1,75 Prozent Kundenzins = 0,52 Prozent Marge

Berater B

4,25 Prozent Kundenzins - 2,27 Prozent Bundeswertpapiere = 1,98 Prozent Marge

Der Erfolgsbeitrag von Berater A würde sich verringern, während das Kundengeschäft von Berater B eine höhere Marge zugerechnet wird. Dass diese Entscheidung aber aus Gesamtbanksicht keine Auswirkung hat, zeigt die summierte Auswertung (Übersicht 3).

Dieses vereinfachte Beispiel macht deutlich, dass der Gesamtzinsertrag der Bank zunächst von der Höhe des Bewertungszinses und somit von der Wahl der Zinsstrukturkurve unabhängig ist. Zudem wurde aufgezeigt, dass mehrere Bewertungszinsen die Hauptkriterien: 1) risikolos, 2) fristengleich und 3) objektiv vom Markt vorgegeben, erfüllen.

Eckpfeiler einer erfolgsorientierten Steuerung

Wie dargestellt worden ist, hat die Wahl der Zinsstrukturkuve erhebliche Auswirkungen auf die bankinterne Ergebnisverrechnung. Vor allem bei der Ertragszuordnung auf Einzelgeschäfts- und Mitarbeiterebene sind diese Konsequenzen zu berücksichtigen. Dementsprechend muss die Entscheidung bei der Wahl der zugrunde zu legenden Zinstrukturkurve sorgfältig abgewogen werden. Schließlich ist diese Managemententscheidung einer der Eckpfeiler einer erfolgsorientierten Steuerung des aktiven und des passiven Bankgeschäftes.

Dabei ist vor allem die individuelle Situation der Bank zu berücksichtigen. Neben der eigenen Marktstellung, der Liquiditätssituation, dem eigenen Rating, der Bilanzstruktur und der Rentabilität spielt in der Vertriebssteuerung vor allem das gewählte Modell der Leistungsbeurteilung eine Hauptrolle. Werden die Mitarbeiter an den erwirtschafteten Margen gemessen (vor allem im Rahmen von Profit Centern), muss die Kalkulation fair und nachvollziehbar erfolgen. Ansonsten ist die Akzeptanz und damit auch die Steuerungswirkung des Vertriebscontrollings gefährdet. Dazu gehört auch, den gewählten Bewertungszins auf lange Sicht beizubehalten. Insofern ist die zu treffende Entscheidung als strategische, also langfristige, Festlegung zu sehen.

Daher kann eine solche Größe nicht allein durch eine Fachabteilung wie das Controlling oder Treasury festgelegt werden, sondern sie muss unter Einbindung der Geschäftsleitung diskutiert und ausgewählt werden. Denn das Beurteilungssystem für Mitarbeiter und die langfristige Gestaltung von Produktkonditionen nebst Margen ist originärer Teil der Unternehmensstrategie und somit eine strategische Managemententscheidung.

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