KONDITIONEN

Prämiensparverträge - Konsequenzen von Zinsnachzahlungen für Banken

Prof. Dr. Ludwig Gramlich, Foto: privat

Augrund der Rechtsungültigkeit von Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen ist eine Regelungslücke entstanden. Bei der Orientierung an einem Referenzzins ist die Diskussion über die richtige Berechnungsmethode entbrannt. Die "relative Methode", auf die sich der BGH festgelegt hat, darf keine allgemeine Regel für sehr langfristige Verträge darstellen, so die Autoren. Doch auch die von den Banken favorisierte Differenzmethode mit konstanten Margen kann verhängnisvoll sein. Red.

Um die seit den neunziger Jahren von deutschen Kreditinstituten angebotenen Prämiensparverträge ist aufgrund einer nach 2004 geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ein heftiger Rechtsstreit entbrannt. Zigtausende von Verträgen müssen mit geänderten Zinssätzen neu abgerechnet werden. Da die betreffenden Verträge sehr lange Laufzeiten, häufig über 20 Jahre, hatten, können die finanziellen Auswirkungen auf Banken und Sparkassen erheblich sein.

Um die Methode der Neuabrechnung ist deshalb ein heftiger Streit entbrannt. Ein Teil des Streits betrifft die Bankenmarge, die bei der Neufestsetzung der Sparzinsen einberechnet werden darf. Zwei Methoden stehen zur Auswahl. Beide sind problematisch. Sollten sie sich langfristig in der Rechtsprechung festsetzen, dann könnte dies in der Kreditwirtschaft unangenehme Folgen nach sich ziehen.

Der folgende Beitrag ergänzt die laufende Debatte zur Neuabrechnung von Prämiensparverträgen mit betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten, die in der vorwiegend juristisch geführten Diskussion bisher wenig Beachtung finden.

Es geht um die ab den neunziger Jahren von deutschen Kreditinstituten angebotenen Prämiensparverträge, bei denen aufgrund einer nach 2004 geänderten BGH-Rechtsprechung die von den Geldhäusern gezahlten Zinsen nachträglich neu berechnet werden müssen. Die Prämiensparverträge gehörten für viele Jahre zu den Sparprodukten, die sich bei vielen Sparern großer Beliebtheit erfreuten; und wurden bis in die Mitte der 2000er Jahre hinein mit Erfolg verkauft. Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete am 26. Oktober 2021 von "Hunderttausenden" von Sparverträgen, die allein in Thüringen, Sachsen und Sachsen Anhalt abgesetzt worden seien. Alle Zahlen sind Schätzungen. Genaue Zahlen haben Banken und Bankenverbände nicht bekannt gegeben.

Streit um die richtige Berechnungsmethode

Anfang der 2000er Jahre befand der BGH, dass die üblicherweise verwendeten Zinsanpassungsklauseln in diesen langlaufenden Verträgen zu unbestimmt seien (Urteil vom 17. Februar 2004, XI ZR 140/03). Banken und Sparkassen hatten außer einem festen jährlichen Sparbonus einen laufenden variablen Zins geboten, der sich "laut Aushang" veränderte. Der BGH wandte sich gegen die Klausel "laut Aushang" und forderte eine für die Sparer besser vorhersehbare, berechenbare und kontrollierbare Zinsanpassungsklausel.

Dabei gab der BGH auch in mehreren folgenden Urteilen Hinweise, wie eine solche Klausel aussehen könnte. Sie müsse sich an einem öffentlich zugänglichen Referenzzins orientieren, der von einer unabhängigen Stelle nach einer vernünftigen Methode ermittelt worden sei. Ausgehend von dem Referenzzins wird dann der Vertragszins abgeleitet, mit dem die Sparbücher neu abgerechnet werden.

Dabei tauchte das Problem auf, nach welcher Regel die Überleitung vom Referenz- zum Vertragszins erfolgen sollte. Der BGH machte mit dem erst "relative Methode", später "Verhältnismethode" genannten Verfahren einen pragmatischen Vorschlag, während die Banken einen Gegenvorschlag entwickelten, der zuerst als "absolute Methode" bezeichnet wurde und jetzt vom BGH "Differenzmethode" genannt wird.

  • Bei der Differenzmethode wird, um vom Referenzzins zum Vertragszins zu gelangen, von der gewählten Referenzzinsreihe eine über die Laufzeit unveränderliche feste Zinsmarge abgezogen.
     
  • Hingegen wird bei der Verhältnismethode bei Vertragsbeginn ein Verhältnis zwischen dem im Sparvertrag genannten "anfänglichen variablen Zins" und dem Zins der Referenzzinsreihe gebildet. Dieses Verhältnis wird dann auf die gesamte weitere Laufzeit angewandt, um aus der Referenzzinsreihe die Vertragszinssätze zu berechnen.

Für die Banken haben beide Verfahren unterschiedliche Konsequenzen:

  • Bei der absoluten Methode nähert sich der Vertragszins bei den nach den Krisen von 2008 und 2011 gesunkenen Zinssätzen schnell der Nullgrenze, sodass relativ geringe Zahlungspflichten die Konsequenz sind,
     
  • während der Vertragszins nach der relativen Methode noch bis Ende des Jahrzehnts im positiven Bereich bleibt, mit entsprechenden Zahlungsfolgen.

Auswirkungen auf allgemeine Rechtsprechung zur Bankenmarge?

Zwei wesentliche Aspekte sind zu klären: Zum einen muss der Referenzzins festgelegt werden, da der BGH die bisherige AGB Regel, den Zins "laut Aushang" selbst freihändig zu bestimmen, nicht akzeptierte. Zum anderen, und dies ist Thema das folgenden Beitrags, stellt sich die Frage, welche Bankenmarge von diesem Referenzzins abgezogen werden darf, um zum Kundenzins zu gelangen, also eine relative oder eine absolute Marge?

Abgesehen von den Wirkungen auf die Zahlungspflichten in den jetzt vorliegenden Streitfällen besteht in juristischen Kreisen die Sorge, dass dasjenige Verfahren, das im Fall der Neuabrechnung der Prämiensparverträge obsiegen wird, sich zu einem Standardverfahren zur Margenbildung entwickeln könnte. Es wird erwartet beziehungsweise befürchtet, dass die höchstrichterlichen Entscheidungen im Fall der Prämiensparverträge Auswirkungen auf die allgemeine Rechtsprechung zu Bankenmargen in der Zukunft haben wird.

Das Problem variabler Zinssätze

Aus rechtlicher Sicht ist zunächst festzuhalten, dass die grundsätzliche Vereinbarung variabler Zinsen bei den Prämiensparverträgen als solche nicht der AGB rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Denn es handelt sich dabei um eine Preisregelung der Parteien, sodass eine Klauselkontrolle gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB ausscheidet. 

Allerdings greift die Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB. Der Leistungsbestimmungsklausel mangelt es am "erforderliche[n] Mindestmaß der Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen". Ferner fehlt es hierbei an einer ausdrücklichen Begrenzung der Befugnis und es werden keine Voraussetzungen genannt, die für eine Zinsänderung vorliegen müssen, sodass dieses Verfahren dem (Privat-)Kunden nicht zuzumuten ist. Somit ist die Bestimmung unwirksam. Die so entstandene Regelungslücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu füllen. Ohne eine derartige Bestimmung könnte der Regelungsplan der Parteien nicht verwirklicht werden, da die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wäre, sodass diese Art der Lückenschließung erforderlich ist.

Anknüpfungspunkt für eine ergänzende Vertragsauslegung ist der von den Parteien vereinbarte, nun jedoch lückenhaft gewordene Vertrag. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, welche Vereinbarung die Parteien getroffen hätten, wenn sie den jetzigen Zustand (Unwirksamkeit der Klausel) bedacht hätten. Im Falle von Prämiensparverträgen ist zu berücksichtigen, dass die Leistungsbestimmungsklausel in allen betroffenen Verträgen enthalten ist. Bei formularmäßigen Zinsänderungsklauseln ist eine "allgemeinverbindliche ergänzende Vertragsauslegung unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Einzelfalls sachlich geboten". 

Die sachgerechte Lückenfüllung bei Zinsänderungsklauseln wurde und wird kontrovers diskutiert. Dabei stehen sich die oben erwähnten absolute und relative Methode gegenüber.

Äquivalenzprinzip - keine fixe Margensicherung für Banken

Der Bundesgerichtshof hat sich zur relativen Methode bekannt. Dem BGH folgend hat eine Zinsänderung das Äquivalenzprinzip zu berücksichtigen. Demnach darf die Bank nicht das Grundgefüge des Vertrags zu ihren Gunsten verändern, sondern muss den Kunden auch für ihn vorteilhafte Anpassungen zu gutekommen lassen. Dabei sei die Relation zu vergleichbaren Produkten am Markt entscheidend, sodass die Verhältnismethode (relative Methode) anzuwenden sei. Nur diese Methode sorge dafür, dass das Grundgefüge der Vereinbarung erhalten bleibe, indem ein günstiger Zins auch günstig bleibe, beziehungsweise ungünstige auch ungünstig bleiben dürfen.

Dabei stützt sich der BGH im Wesentlichen auf zwei Argumente:

  1. Eine statische Margensicherung der Banken sei nicht interessengerecht und
  2. nur so könne verhindert werden, dass der Vertragszins negativ werde.

Mit Blick auf das erste Argument, die statische Margensicherung, führt der BGH aus, dass ein immer gleicher Abstand zum Referenzzins die anfängliche Marge in absoluten Prozentpunkten sichere. Dies sei wegen der Maßgeblichkeit des jeweils gültigen Zinses aber nicht interessengerecht, was gegen eine fixe Margensicherung spreche. Zudem könne ein fester Zinssatz zu einer überzogenen Marge führen.

Gegen die fixe Margensicherung wird vorgebracht, dass diese Sicherung sowieso nicht erreicht werden könne, da der Zins nicht unter Null rutschen darf. Gleichwohl würde dies neben einer überzogenen Marge auch dazu führen, dass zunächst lediglich der Kunde dem Risiko eines fallenden Referenzzinssatzes ausgesetzt wäre. Die Bank würde erst ihre Marge verlieren, wenn der Referenzzins nicht mehr zur Deckung der Marge ausreiche. Dementsprechend überzeugt die Kritik nur teilweise, dem BGH ist also beizupflichten. Mit Blick auf das zweite Argument, die Verhinderung von negativen Vertragszinsen, ging der BGH bereits 2010 davon aus, dass bei einem starken Abfall des Referenzzinssatzes der Vertragszins auf oder unter Null fallen könne. Die Umwandlung in eine Zinszahlungspflicht sei jedoch nicht interessen gerecht.

Es sei angemerkt, dass aus juristischer Sicht negative Zinsen bereits keine Zinsen im Rechtssinne darstellen, sodass per se keine negative Verzinsung eintreten kann, ungeachtet der gewählten Methode. Selbst wenn man negative Zinsen als Zins einordnen würde, wäre auch bei der Verhältnismethode nicht gesichert, dass dieser nicht negativ würde. Deshalb halten viele diese Begründung des BGH für die relative Methode für nicht überzeugend.

Analogie aus anderen Jurisdiktionen

Angesichts des aufgezeigten Methodenstreits versuchen einige Autoren durch eine Analyse der Rechtsprechung anderer Jurisdiktionen den üblicherweise begangenen Weg zu finden, der dann im Wege der Analogiebildung auf die deutsche Rechtsprechung (de lege ferenda) zu übertragen wäre. Omlor, Limbach und De Stasio untersuchen, welche der beiden Methoden in anderen Jurisdiktionen (USA, England, Italien, Österreich et cetera) zum Einsatz kommt. Ihre Schlussfolgerung lautet: "Die funktionale Rechtsvergleichung am Beispiel der untersuchten Rechtsordnungen lässt durchgreifende Zweifel an der bisherigen Linie der deutschen Judikatur aufkommen, welche zur Lückenfüllung bei unwirksamen Zinsanpassungsklauseln einen relativen Zinsabstand [also Verhältnismethode] verwenden will."

Anders formuliert: Die juristische Praxis in den untersuchten ausländischen Rechtsordnungen würde einen absoluten Zinsabstand, also die Differenzmethode, einsetzen. Allerdings sind Zweifel erlaubt, ob die von Omlor unter anderem betrachteten Fälle wirklich mit dem in Deutschland verhandelten Problem der enorm langfristigen Prämiensparverträge identisch sind.

Im Ergebnis zeigt sich, dass die vom BGH gewählte Verhältnismethode viel Kritik erfährt und auch hinsichtlich der Argumentation, insbesondere mit Blick auf die Verhinderung negativer Zinsen, Defizite aufweist. Auch deshalb gilt es, die juristische Diskussion um betriebswirtschaftliche Aspekte zu ergänzen.

Differenzmethode mit konstanten Margen ist verhängnisvoll

Die Frage, welche die Autoren hier thematisieren, ist die, ob es für sehr langfristige Verträge überhaupt sinnvoll sein kann, langfristig gleichbleibende Margen per Gesetz oder Gerichtsentscheidung vorzuschreiben oder im Wege der Lückenfüllung anzunehmen. Dabei wird ein betriebswirtschaftlicher Blickwinkel eingenommen. Wie sind die hier relevanten sehr langfristigen Sparverträge aus kaufmännischer Sicht unter dem Blickwinkel konstanter Margen zu betrachten?

  • Auf den ersten Blick ergibt sich, dass eine Bank über konstante Margen versuchen kann, eine sichere Kalkulationsgrundlage zu erhalten, die ihr die Deckung der Kosten und den geplanten Gewinn ermöglicht. Wenn man zum Beispiel annimmt, dass Kosten in periodisch gleichbleibender Höhe anfallen und eine Reihe weiterer Bedingungen erfüllt ist, dann führen absolute Margen zur Zielerreichung - besser auf jeden Fall als mit der relativen Methode, bei welcher die Höhe der Nettoerträge zur Deckung der Kosten auch noch von der Marktzinsentwicklung abhängt.
     
  • Auf den zweiten Blick offenbaren konstante absolute Margen aber große Probleme, welche die Existenz von Instituten gefährden können. Im Folgenden wird gezeigt, dass bei derart langfristigen Verträgen, wie sie die Prämiensparverträge darstellten, die Differenzmethode mit absolut konstanten Margen für die beteiligten Parteien verhängnisvoll und mit unzumutbaren Risiken behaftet ist.

Kostenvariabilität über lange Fristen

Wie verändern sich Kosten über lange Fristen? Eine Kostenkonstanz derart, dass eine über die Zeit gleichbleibende Marge Kostendeckung und Gewinnsicherung garantiert, ist eher die Ausnahme.

  • Beispielsweise sind Personalkosten nur bis zur nächsten Tarifanpassung fix. Bei der daraus resultierenden unsicheren Personalkostenentwicklung verursachen absolute Margen unmittelbar Risiken für die Bank.
     
  • Ähnliches gilt für Sachkosten. Die Kosten von Maschinen, die einmal angeschafft wurden, werden üblicherweise über die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abgeschrieben. In dieser Zeit schätzen Unternehmen fixe Margen, weil sie dann die Ausgaben amortisieren können. Wenn aber die Zeit der Neuanschaffungen gekommen ist, wirken sich fixe Margen hinderlich aus, weil die neu anzuschaffenden Güter billiger oder teurer geworden sein können. Sind sie teurer geworden, reicht die Marge nicht mehr aus. Sind sie billiger geworden und wird eine unveränderte Marge verlangt, kann dies zu Wettbewerbsnachteilen beitragen.
     
  • Fixe Margen wirken sich auch schädlich aus, wenn im Zeitablauf neue Kostenkomponenten hinzukommen, die ex ante gar nicht absehbar waren. Aus Bankensicht waren das in den vergangenen Jahren insbesondere die regulatorischen Kosten. Auch die Nachhaltigkeitsbewegung hat zu ganz neuen Kostenarten beigetragen. Die Anstrengungen der Staaten, das CO2-Problem zu lösen, führt zu Kostenarten, die in den 1990ern nicht absehbar waren. Die Nachhaltigkeitsrisiken, über die heute viel gesprochen wird, waren noch vor wenigen Jahren kein Thema. Heute müssen sie einkalkuliert werden.
     
  • Auch die Reformen der Unternehmenssteuern und Versuche, Mindestbesteuerungen durchzusetzen, können zu Änderungen der Kostenstrukturen führen und erfordern variable Margen. Die plötzliche Erhöhung der Mindestlöhne um ein Viertel nach einem Regierungswechsel ist ebenfalls eine schwer vorherzusehende Kostenentwicklung.
     
  • Besonders katastrophal kann sich das Thema Inflation bei fixen Margen auswirken. Die Marge verliert an Realwert und ermöglicht es immer weniger, die tatsächlichen Kosten zu decken. Die Reaktion auf solche Veränderung gebietet sich schon aus elementaren kaufmännischen Erwägungen, da beispielsweise die Aktualität der berücksichtigten Informationen zu den Grundprinzipien des internen Rechnungswesens gehört.

Neue Geschäftsmodelle und wachsende Geschäftsvolumina

Nicht unberücksichtigt bleiben darf auch, dass das Bankwesen in den vergangenen Dekaden von preisgünstigen Wettbewerbern mit neuen Geschäftsmodellen konfrontiert gewesen ist, was in den neunziger Jahren in dieser Weise kaum vorhersehbar war. Der technologische Fortschritt hat enorm auf die Art und Weise eingewirkt, wie das Bankgeschäft betrieben wird. Die traditionellen Banken und Sparkassen mussten Geschäftsmodelle von technologiegetriebenen neuen Finanzdienstleistern in Teilen übernehmen und ihre Margen verringern. Sie schränkten den Service ein, reduzierten die Kontaktstellen und bauten Personal ab. Ein Sparvertrag, der Mitte der neunziger Jahre geschlossen wurde, ist heute, was die Betreuung der Sparer anbetrifft, etwas ganz anderes als damals. Wo ist die Berechtigung fixer Margen, wenn sich das Produkt so stark verändert?

Ein weiterer relevanter Aspekt für die Notwendigkeit oder Nichtnotwendigkeit fixer Margen ergibt sich aus veränderlichen Geschäftsvolumina, die typisch für Prämiensparverträge waren. Die Prämiensparverträge sahen eine anhaltende (monatliche) Spartätigkeit vor, sodass sich das Sparvolumen stetig erhöhte. Wenn nun eine Bank eine fixe Marge in Form einer feststehenden Zinsdifferenz zwischen Referenz- und Vertragszins kalkuliert, dann bedeutet das, dass sich der Überschuss in Euro gerechnet erhöht, wenn das Sparvolumen steigt. Margenkonstanz (in Prozent) bedeutet also nicht Ertragskonstanz (in Euro), sondern bei wachsendem Sparvolumen Ertragssteigerung (in Euro).

Eine zwingende Notwendigkeit für fixe Margen ergibt sich aus diesem Zusammenhang nicht. Je nach Kostenverlauf kann auch eine schrumpfende Marge ausreichen, Gewinnziele zu sichern.

Kalkulation von Einzelverträgen oder Gruppenbetrachtung

Eine Notwendigkeit für fixe Margen wird gelegentlich aus der Art und Weise der Kalkulation in Bankbetrieben abgeleitet. Dies soll im Folgenden kurz abschließend gezeigt werden.

Wenn eine Bank einen Einzelvertrag kalkuliert, hat sie meist mit einem in zeitlicher Hinsicht unregelmäßigen Kostenverlauf zu kämpfen. Lange vor dem ersten Umsatz müssen das Produkt entwickelt, die EDV eingerichtet, die rechtlichen Fragen geklärt, die Mitarbeiter geschult und die Werbung gestartet werden. Dann folgen Kundengespräche und Vertragsabschlüsse. Im weiteren Sparverlauf nehmen dann die Kundenkontakte wieder ab. Es treten kaum noch variable Kosten auf und der Vertrag wird automatisch durch die Systeme abgewickelt. Eine zeitlich konstante Kostenbelastung ist eher selten. Kosten treten vor allem am Anfang einer Vertragsbeziehung auf. Später kommen die Erlöse. Mit dem Barwertansatz der Marktzinsmethode wird die Kalkulation vorgenommen. Eine Notwendigkeit im Zeitablauf fixer Margen kann damit nicht begründet werden.

Einige Banken erleichtern sich die Kalkulationsarbeit, indem sie auf die Kalkulation einzelner Verträge verzichten und stattdessen Produktgruppen als Ganzes über längere Zeiträume kalkulieren. Dabei werden oft ein konstantes Geschäftsvolumen und ein stetiger Wechsel von Neukunden und aufgebenden Altkunden angenommen. In diesem angenommenen Fall kann dann eine konstante Kostenbelastung resultieren, die eine konstante Marge rechtfertigt. Aber wenn dieses System über sehr lange Zeiträume abläuft, dann ergeben sich genau dieselben Probleme mit Kostenvariabilitäten sowie mit neuen oder entfallenden Kostenkomponenten, Wettbewerb mit neuen Geschäftsmodellen et cetera, die oben bereits geschildert wurden. Eine durch das Rechtssystem erzwungene konstante Marge würde das Bankgeschäft schädigen.

Differenzmethode ist bei Prämiensparverträgen abzulehnen

Wie sind die aufgezeigten Tatbestände einzuordnen? Was folgt daraus? Kreditinstitute konnten die künftigen Kostenstrukturen bei Abschluss der Prämiensparverträge nicht kennen. Und heutige Banken können dies für derart lange Fristen ebenso wenig. Wenn eine starre Marge eingeplant würde, dann bestünde die Gefahr, dass die Kosten im Betriebsbereich die Marge aufzehren oder gar übersteigen. Wenn es Wettbewerber mit Innovationen gibt, welche ähnliche Bankgeschäfte zu geringeren Kosten anbieten können, würde sich eine Bank, die eine feste Marge verlangte, selbst aus dem Geschäft drängen.

Feste Margen sind bei sehr langfristigen Verträgen deshalb keine vernünftige Option. Preise richten sich bei Wettbewerb nicht an den individuellen Kosten eines spezifischen Anbieters aus, sondern nach Angebot und Nachfrage und damit an der Kostenstruktur der jeweils am günstigsten wirtschaftenden Konkurrenten. Die Marge, die ein Kreditinstitut erzielen kann, hängt von der Konkurrenzsituation, nicht von der Kostenstruktur des eigenen Instituts ab.

Bei sehr langfristigen Verträgen ist die Entwicklung der Kostenstrukturen der Konkurrenten und deren Innovationspotentials kaum abschätzbar. Daher kann es nicht vernünftig sein, im Rechtssystem bei sehr langfristigen Verträgen fixe Margen zwingend vorzuschreiben. Die Differenzmethode ("absolute Methode") ist im Fall der Prämiensparverträge deshalb grundsätzlich abzulehnen.

Welches Fazit drängt sich auf? In der langen Frist werden alle Kostenkomponenten, auch wenn sie kurzfristig fix erscheinen, zu variablen. Wer auf sehr lange Frist von seinen Kunden fixierte Margen verlangt oder eine langfristig fixierte Marge zahlen muss, setzt sich großen Gefahren aus. Eine Rechtsordnung oder Rechtsprechung, die fixierte Margen bei sehr langen Vertragslaufzeiten vorsieht, kann deshalb nicht vernünftig und damit auch nicht richtig sein, weil sie unnötige Risiken schafft oder ihnen zumindest nicht hinreichend entgegenwirkt. Deshalb ist die absolute Methode im Fall der Prämiensparverträge abzulehnen. Das ist die wichtige Schlussfolgerung, welche das Rechtssystem unbedingt beachten muss.

Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob die "relative Methode" eine generell gültige Alternative darstellen kann? Letztlich ist sie auch nichts anderes als eine Regel zur Fixierung einer Marge über sehr lange Fristen. Müsste man dann nicht auch diese Methode als allgemeine Regel für sehr langfristige Verträge ablehnen? Dies ist zu bejahen.

Lösung nur für konkreten historischen Zeitraum

Die BGH-Präferenz für die relative Methode kann anders erklärt werden. Es zeigt sich, dass der BGH gar nicht den Versuch unternimmt, eine allgemeine Regel der Margenbestimmung sehr langfristiger Verträge aufzustellen. Vielmehr will (und muss) für ein konkretes Problem, für einen konkreten historischen Zeitraum eine pragmatische Lösung gefunden werden. Bankenmargen liegen heute der Bundesbank zufolge im Bereich von knapp unter einem Prozent, während sie in den neunziger Jahren noch eine Größenordnung von 2 Prozent hatten. Das heißt über den hier relevanten sehr langen Zeitraum haben die Banken ihre Margen nicht konstant gelassen, sondern halbiert. Sie haben sich damit de facto in etwa so verhalten, wie es der relativen Methode entspricht. Die Entscheidung richtet sich damit offenbar an der realen Entwicklung aus.

Fußnoten

1) vgl. Omlor, S./Limbach, F./De Stasio, V. (2021), Lückenschließung bei unwirksamen Zinsanpassungsklauseln im angloamerikanischen, romanischen und deutschen Rechtskreis, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 33(4), S. 282-300.

2) Mitteldeutscher Rundfunk Anstalt des Öffentlichen Rechts (2021), Ärger mit Prämiensparverträgen: Was Sie jetzt tun sollten, in: Ratgeber, online: https://www.mdr.de/ratgeber/finanzen/kuendigungvertraegesparkassepraemiensparentipps-100.html (abgerufen am 18.01.2022).

3) Der BGH spricht von einem "Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen, das bei den von den Banken verwendeten Regeln nicht gewahrt ist" (vgl. Urt. v. 6.10.2021, IX ZR 234/20, BGH:2021:061021UXIZR234.20.0, S. 1).

4) Der BGH führt im Urteil v. 6.10.2021 (IX ZR 234/20) aus, der Referenzzins müsse "von einer unabhängigen Stelle nach einem genau festgelegten Verfahren ermittelt" werden, der Zinssatz dürfe die Bank nicht einseitig begünstigen. "Unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarktes ist dabei diejenige oder eine Kombination derjenigen auszuwählen, die dem konkreten Geschäft möglichst nahekommt" (ebenda, S. 43). Und weiter: "Nach dem Konzept der Sparverträge der vorliegenden Art [...] ist es allein interessengerecht, einen Referenzzinssatz für langfristige Spareinlagen heranzuziehen [..]" (ebenda, S. 43). Und weiter: "Daher sind als Referenz die in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssätze für Spareinlagen zugrunde zu legen, die einer Laufzeit von 15 Jahren möglichst nahekommen" (ebenda, S. 44).

5) Der BGH spricht in seinem Urteil v. 6.10.2021 (XI ZR 234/20) von der "Verhältnismethode" und der "Differenzmethode" (vgl. ebenda, S. 2, S. 48).

6) Vgl. Omlor, Limbach und De Stasio (siehe Anmerkung 1),, S. 282 ff.

7) BGH, NJW 2022, 311, 312 f. Rn. 28; BGH, NJW 2010, 1742, 1742 Rn. 16.

8) BGH, NJW 2022, 311, 312 f. Rn. 28.

9) BGH, NJW 2022, 311, 312 f. Rn. 28; s.a. den Überblick bei: Graf v. Westphalen, BB 2021, 2700, 2700 ff.

10) BGH, NJW 2022, 311, 313 Rn. 29; BGH, NJW 2010, 1742, 1742 Rn. 15.

11) BGH, NJW 2004, 1588, 1589.

12) BGH, NJW 2022, 311, 313 Rn. 29.

13) BGH, NJW 2010, 1742, 1742 Rn. 18; Mü-Ko-HGB/Fest, N. Einlagengeschäft, Rn. 397 (m.w.N.).

14) Grundlegend: Cziupka, JuS 2009, 103, 103 ff.

15) BGH, NJW 2020, 337, 340 Rn. 28.

16) BGH, NJW 2010, 1742, 1743 Rn. 20; s.a. BGH, NJW 2022, 311, 314 Rn. 44.

17) Herrestahl, WM 2020, 1997, 1999 ff.; Hölldampf, T. (2020), Die Rechtsprechung des BGH zu Zinsanpassungsklauseln im aktuellen Kontext, in: Betriebs-Berater, Heft 6, S. 265-267.f.;, Omlor, S. (siehe Anmerkung 1), Lückenfüllung bei unwirksamen Zinsanpassungsklauseln, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, 32(6), S. 355-372..

18) BGH, NJW 2022, 311, 318 Rn. 96; BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 26.

19) BGH, NJW 2022, 311, 318 Rn. 96; BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 27.

20) BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 27.

21) BGH, NJW 2022, 311, 318 Rn. 96; BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 27.

22) BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 27.

23) BGH, NJW 2022, 311, 318 Rn. 96

24) Omlor, ZBB/JBB 2020, 355, 366.

25) BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 27; zweifelnd: Hölldampf, T. (2020), Die Rechtsprechung des BGH zu Zinsanpassungsklauseln im aktuellen Kontext, in: Betriebs Berater, Heft 6, S. 265 267.

26) BGH, NJW 2010, 1742, 1744 Rn. 27.

27) Hölldampf, BB 2020, 265, 266; Omlor, ZBB/JBB 2020, 355, 359 f.; Strobel, NJW 2021, 881, 884 Rn. 25.

28) Hölldampf, BB 2020, 265, 266.

29) Als Marge wird üblicherweise die Differenz zweier Geldbeträge bezeichnet. Im Zusammenhang mit den hier vorliegenden Prämiensparverträgen wird als Marge auch die Differenz zweier Zinssätze bezeichnet. Ein Geldbetrag ergibt sich dabei erst durch Multiplikation mit dem Sparvolumen. Bei der sog. "relativen Methode" des BGH ist die Marge das Verhältnis zweier Zinssätze.

30) zum Beispiel die Bedingung konstanten Kapitalvolumens.

31) Vgl. Dörrie, U./Preißler, P. R. (2004), Grundlagen Kosten und Leistungsrechnung, 8. Auflage, München, S. 23 und Preißler, P. R./Preißler, G. J. (2015), Entscheidungsorientierte Kosten- und Leistungsrechnung, 4. Auflage, Berlin/München/Boston, S. 11.

32) In seinem Urteil vom 6. Oktober 2021 (XI ZR 234/20) hat der BGH klargestellt, dass es bei der derzeit diskutierten Neuabrechnung der Prämiensparverträge "allein um Zinsnachberechnungen für vergangene Zeiträume" (S. 52) ginge. Das kann man vielleicht so interpretieren, dass es nicht um eine in die Zukunft gerichtete allgemeine Regel geht, sondern um eine Auseinandersetzung mit einem konkreten historischen Produkt in einer konkreten historischen Phase. Dafür spricht auch der Hinweis des BGH auf die sich langsam der Nulllinie annähernden Marktzinssätze und den Umgang mit diesem Phänomen. Auch Hölldampf analysiert die BGH Rechtsprechung unter dem Blickwinkel des historischen Kontextes; vgl. Hölldampf, T. (siehe Anmerkung 17), Die Rechtsprechung des BGH zu Zinsanpassungsklauseln im aktuellen Kontext, in: Betriebs Berater, Heft 6, S. 265-267.

33) Vgl. Deutsche Bundesbank (2021), Die Ertragslage der deutschen Kreditinstitute im Jahr 2020, in: Monatsbericht September 2021, 73. Jahr gang, Nr. 9, S. 95-131, hier insbesondere S. 114.

Prof. Dr. Ludwig Gramlich , Professor emeritus , TU Chemnitz, Chemnitz
Prof. Dr. Friedrich Thießen , Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Technische Universität Chemnitz
Sebastian Gebauer , Wissenschaftlicher Mitarbeiter , TU Chemnitz, Chemnitz
Jörg Müller , Wissenschaftlicher Mitarbeiter , TU Chemnitz, Chemnitz

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