Gespräch des Tages

Währungspolitik - Vergebliche Liebesmüh

"Ideale", sagt ein tröstender Aphorismus, "Ideale sind wie Sterne. Man kann sie (fast!) nicht erreichen. Aber man kann sich an ihnen orientieren." Ganz zweifellos ist die "Unabhängige Zentralbank" zumindest für die Deutschen ein solches leuchtendes Gestirn. Und deshalb zieht sich zumindest für die Deutschen die kollektive wie individuelle Sorge um die Unabhängigkeit der Bundesbank respektive der Europäischen Zentralbank unentwegt durch das gesamte Geschehen zur Eurokrise, zu den Eurorettungsschirmen, zur Bankenunion samt Bankenaufsicht und was sonst zur monetären Gegenwart zu gehören scheint.

Die ganze Republik weiß dann relativ präzise, was sie nicht will: Sie will, etwas populistisch vereinfacht, keine Notenbank, die ihre Zinssätze auf Geheiß der Regierung senkt oder erhöht. Sie will keine Notenbank, bei der sich eine Regierung für ihren notleidenden Haushalt möglichst unbeschränkt Geld leihen kann. Sie will keine Notenbank, die immer neue Konjunkturprogramme mit neuen Banknoten speist. Sie will stattdessen eine Deutsche Bundesbank respektive heute Europäische Zentralbank, die - etwas verkürzt - nur einer absoluten Hauptsache verpflichtet ist: der Geldwertstabilität, wie jedermann weiß und will.

Und eine breite nationale Mehrheit im deutschen Land ist eben der schlichten Überzeugung, dass allein eine unabhängige Zentralbank mit entsprechend unabhängiger Geld- und darüber hinaus Währungspolitik in der Lage ist, Geldwertstabilität nachhaltigst zu sichern.

Leider, leider jedoch sagt die bisherige Erfahrung, dass diese monetäre Stabilitätsorientierung ziemlich oft an die Grenze zur Wirkungslosigkeit rennt und diese auch oft genug überschreitet: Gegenüber einer haltlosen Haushaltsdisziplin und überhaupt hemmungslosen Fiskalpolitik hat die Zentralbank mit ihren Instrumenten noch nie den Sieg davongetragen. Sie kann nur (ein bisschen) bremsen, sie kann nicht verhindern. Und wenn man diese traurige Erkenntnis ein wenig dreht, folgt daraus: Die ganze institutionelle Unabhängigkeit nützt der Zentralbank "im Ernstfall" bedauerlicherweise furchtbar wenig. Gegen den bösen Staat kommt sie nicht an. Sie muss ihm hinterherlaufen.

Die Deutschen, ach ja diese Prinzipienreiter, könnten deshalb "eigentlich" aufhören, bei jedem neuen Desaster der Schuldenbewältigung, der Regulierung, der Europarettung aufzuschreien. "Aber die Unabhängigkeit der EZB, die darf nicht tangiert werden!" Denn de facto gibt es diese Unabhängigkeit leider nicht, wenn ein ganzes Gemeinwesen ins Unglück rast. Schließlich steht in Notenbankgesetzen sowieso aufgeschrieben, dass die Zentralbank eine Regierungspolitik grundsätzlich zu unterstützen hat. Schlimmer für die erbitterten Verfechter der reinen Lehre müsste aber noch sein, dass die wichtigste Notenbank der Welt, die amerikanische, völlig selbstverständlich ein Instrument der staatlichen Wirtschaftspolitik zu sein hat. Auch dass die "alten" Nationalbanken etwa in Rom, in Paris und in London als Abteilungen des Finanzministeriums keineswegs eine inflationäre Geldpolitik betrieben, müsste eigentlich der "Unabhängigkeit" den Rang eines ökonomischen Weltkulturerbes streitig machen dürfen.

Die nationale Währung und inzwischen eben erst recht der Euro ist viel, viel mehr eine Dienstleistung der Staaten beziehungsweise der Staatengemeinschaft als ein Produkt der Märkte. Deren Handels- und dann Zahlungsgewohnheiten würden oft genug anders aussehen (und tun es ja auch!) als eine staatliche Ordnung es vorschreibt. Trotz dieser eindeutigen Tatsache - der Euro als eine durch und durch politische "Errungenschaft" - verschwenden bekanntlich wichtige Ökonomen eine Menge Zeit damit, seine Gegenwart und Zukunft mit, sagen wir, Zusammenhängen der Wirtschaftstheorie erklären zu wollen. Und geradezu rührend ist der wiederholte Versuch, das Euro-Geschehen von Juristen mitbewältigen zu lassen. Dies alles ist vergebene Liebesmüh. Denn der Euro und seine Notenbank ist immer nur dieses: pure Politik.

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