Aufsätze

Verwaltungsgerichtsbeschluss macht Skontroführermodell und Parkettbörse überflüssig

Mit der Umsetzung der europäischen Finanzdienstleistungsrichtlinie Mi FID im November 2007 steht der europäische Finanzmarkt vor neuen Herausforderungen. Die nationale wie internationale Wettbewerbssituation der Börsen wird den Finanzplatz Frankfurt vor neue strategische Entscheidungen stellen. Nicht nur unter den bestehenden Börsen, sondern auch gegenüber Internalisierungsplattformen wird sich die Konkurrenz weiter verschärfen. Die FWB Frankfurter Wertpapierbörse ist nun gefordert, ihre Marktmodelle wettbewerbsfähig auszugestalten, um in dem Wettbewerb um Best-Execution bestehen zu können.

Beste Servicequalität durch bewertbare Leistungskriterien

An der FWB Frankfurter Wertpapierbörse bestehen bereits zwei konkurrierende Marktplätze: Der Skontroführer unterstützte Parketthandel und das vollelektronische Handelssystem Xetra. Beide Marktplätze wurden schon im Hinblick auf Mi FID in der Vergangenheit kontinuierlich weiterentwickelt. So fiel zum 1. Juli 2005 mit dem Vierten Finanzmarktförderungsgesetz der Bestandsschutz des Parketthandels weg.

An der FWB Frankfurter Wertpapierbörse wurde dies nicht zum Anlass genommen, auf dem Frankfurter Parkett den Menschen durch den Computer zu ersetzen, sondern das Marktmodell zusammen mit den Skontroführern weiter zu entwickeln und die Qualitätsstandards zu erhöhen. Die Skontren wurden an die zehn leistungsstärksten Skontroführer verteilt. Die Verteilung erfolgte nach Branchen- und Ländergruppen. So bildeten sich innerhalb der letzten eineinhalb Jahre Skontroführer mit spezialisierten Kompetenzen heraus. Für die Anleger konnte so die Qualität der Preisfeststellung kontinuierlich verbessert werden.

Begleitet wurden diese Maßnahmen mit einer Performancemessung nach vorgegebenen Leistungskriterien. Dabei werden sowohl die Qualität der Quotierung als auch die Qualität der Orderausführung bewertet. Die Ausgestaltung der Kriterien orientiert sich an den Anforderungen der Privatanleger und wird kontinuierlich weiter entwickelt. Durch die Performancemessung konnte die Qualität am Frankfurter Parkett für alle Kundengruppen auf ein im deutschen Wettbewerb beispielloses Niveau gesteigert werden. So ergab sich über den gesamten Messzeitraum über alle Skontroführer eine durchschnittliche Performance von 99,94 Prozent.

Die Leistungskriterien bildeten die Grundlage für die zum 1. Januar 2007 anstehende Neuallokation der Aktienskontren des amtlichen und geregelten Marktes. Ziel war es, in einem auf Wettbewerb ausgerichteten Finanzmarkt leistungsstarke Skontroführer durch die Zuteilung neuer Skontren zu belohnen. Dabei sollte neuen Skontroführern der Zugang zum Frankfurter Parkett auch weiterhin möglich sein. Die Zulassung neuer Skontroführer wurde jedoch auf drei neue Skontroführer begrenzt, um die Qualitätstandards am Finanzplatz auch weiterhin zu gewährleisten.

Leistungsminderung per Verwaltungsgerichtsbeschluss

Durch einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Frankfurt wurde diese auf Leistungskriterien beruhende Neuallokation verhindert. In dem auf dem öffentlichen Recht basierenden amtlichen und geregelten Markt darf aus Sicht des Verwaltungsgerichts Frankfurt keine "Bestenauslese" und keine Berufsbegrenzung von zugelassenen Skontroführern erfolgen. So musste jedem an der FWB Frankfurter Wertpapierbörse zugelassenen Skontroführer Skontren in Höhe von mindestens zwei Prozent des Orderbuchvolumens zugeteilt werden. Daher sind seit dem 26. März 2007 an der FWB Frankfurter Wertpapierbörse nicht mehr wie geplant 13 Skontroführer mit der Betreuung der Werte des amtlichen und geregelten Marktes betraut, sondern 21 Skontroführer.

Da jedem Skontroführer mindestens zwei Prozent Marktanteil zugeteilt werden musste, wurden 42 Prozent des Marktes nicht nach Leistung verteilt. Eine Sanktionierung in diese Skontren dürfte auch in Zukunft nicht möglich sein. Das bedeutet für die FWB Frankfurter Wertpapierbörse, dass die Geschäftsführung der FWB Frankfurter Wertpapierbörse bei einer schlechten Leistung eines Skontroführers innerhalb von 42 Prozent des Marktes keine Möglichkeit der Sanktionierung in Form des Entzugs von Skontren hat.

Die ersten Erfahrungen haben die Befürchtungen eines Leistungsabfalls an der FWB Frankfurter Wertpapierbörse bestätigt. Besondere Services, wie beispielsweise die Null-Spread-Ausführung von Privatanle-ger-Aufträgen, werden nicht von allen neuen Skontroführern mitgetragen. Erste Abwanderungen von Umsatz an Regionalbörsen sind bereits zu beobachten. Die hohe Qualität der Quotierung und Orderausführung am Frankfurter Parkett ist nicht mehr gegeben und auch langfristig gefährdet.

Wettbewerbsfähiges Marktmodell für die FWB

Die FWB Frankfurter Wertpapierbörse kann damit bereits heute im nationalen Wettbewerb zu den Regionalbörsen nicht mehr mithalten. Im Hinblick auf die Umsetzung der Mi FID verstärkt sich zudem der internationale Wettbewerb. In der europäischen und globalen Börsenstruktur erscheint daher eine öffentlich-rechtlich getragene Börse nicht mehr leistungsfähig.

Vielmehr isoliert die öffentlich-rechtliche Struktur die FWB Frankfurter Wertpapierbörse und den Finanzplatz Frankfurt. Für die FWB Frankfurter Wertpapierbörse ist daher dringend ein neues Marktmodell erforderlich. Eine Überführung des Skontroführermodells in ein privatrechtliches Spezialistenmodell wäre die Lösung für die Zukunft.

Auf welcher Handelsplattform die Preisfeststellung in einem privatrechtlichen Marktmodell stattfindet, ist dabei nicht entscheidend. Das kann auf dem "Parkett", in dem elektronischen Handelssystem Xetra oder einem ganz neuen Handelssystem geschehen. Entscheidend dabei ist jedoch, dass in dem Marktmodell der Faktor Mensch als Spezialist weiterhin eine zentrale Rolle spielt. In dem öffentlich rechtlichen Skontroführermodell - als nicht mehr konkurrenzfähiges Auslaufmodell - kam dem Faktor Mensch insbesondere bei den weniger liquiden Aktien, den festverzinslichen Wertpapieren und den Scheinen und Zertifikaten eine zentrale Bedeutung zu.

Aber auch in den liquiden Aktien hat der Skontroführer als neutraler Intermediär wichtige Kriterien des Anlegerschutzes erfüllt. So trug er durch seine detaillierte Marktkenntnis und die Übersicht über den Börsenverlauf dafür Sorge, dass Aufträge, die nur zu extrem von der üblichen Marktsituation abweichenden Bedingungen ausführbar waren, von den Handelsteilnehmern nicht ausgenutzt wurden. Es wurde Kursmanipulationen ein Riegel vorgeschoben. In einem transparenten Xetra Orderbuch sind die Anleger vor Kurs- und Indexmanipulationen nicht geschützt, da die Marktteilnehmer genau kalkulieren können, mit welchem Einsatz ein gewünschter Preis erzielt werden kann. Die aktuellen Praxisfälle bei BMW- und VW-Aktien zeigen das. Kursmanipulationen sind bei weniger liquiden Wertpapieren in einem offenen Orderbuch wie in Xetra noch leichter möglich.

Die Bedeutung des Faktors Mensch zeigt sich auch darin, dass in 2006 zwar in Dax-Werten über 97 Prozent des Umsatzes in Xetra gehandelt wurden, jedoch allein in 332 von 800 Aktien des öffentlich-rechtlichen Segmentes an der FWB Frankfurter Wertpapierbörse der Umsatz im Parketthandel größer war als in Xetra. Diese Werte können liquide nur im Parketthandel durch den Eingriff eines Intermediärs gehandelt werden. Dabei kommt der Liquiditätsspendefunktion eine entscheidende Bedeutung zu. In einem rein elektronischen Handelssystem Xetra ist die Zusammenführung gegenläufiger Kauf- und Verkaufsaufträge bei weniger liquiden Wertpapieren hingegen nicht sichergestellt. In Xetra kann es in weniger liquiden Papieren über Tage hinweg zu keinen Preisfeststellungen kommen. Solche Wertpapiere erzielen daher einen sehr viel höheren Orderbuchumsatz im Präsenzhandel als im elektronischen Handel. Manche Werte werden faktisch nur oder fast ausschließlich im Präsenzhandel gehandelt.

Öffentlich-rechtliches Skontroführermodell überholt

Das Skontroführermodell wurde in der Vergangenheit kontinuierlich weiterentwickelt. Jetzt stößt es an seine Grenzen, welche zum Teil rechtlich begründet sind. Im nationalen und internationalen Wettbewerb verliert die reine Vermittlungstätigkeit eines Skontroführers zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen der Best Execution sind folgende Kriterien für die Auswahl eines Marktplatzes in Zukunft entscheidend:

- sofortige Ausführung,

- Bereitstellung von garantierter Liquidität,

- konkurrenzfähige Spreads,

- keine Teilausführungen und

- Integration der Referenzmärkte.

So stellt die Schnelligkeit einer Orderausführung ein entscheidendes Kriterium im Wettbewerb dar. Dabei geht es um Sekunden der Orderausführung. Hierfür ist die Bereitstellung von Liquidität über die reine Marktausgleichsfunktion des Skontroführers aus dem Börsengesetz heraus Voraussetzung. Denn würde der Skontroführer eine Order erst ausführen, wenn die passende Gegenseite in sein Orderbuch hereinkommt, wäre er nicht konkurrenzfähig.

Privatrechtliches Spezialistenmodell

Die Garantie von wettbewerbsfähigen Spreads baut an der FWB Frankfurter Wertpapierbörse auf zusätzlichen privatrechtlichen Selbstverpflichtungen der Skontroführer, wie zum Beispiel das Null-Spread-Angebot in Indexwerten, auf. Diese Selbstverpflichtungen sollten die Grundlage dafür bilden, dass die FWB Frankfurter Wertpapierbörse im Rahmen von Mi FID ab November 2007 noch konkurrenzfähig bleibt. In einem öffentlich-rechtlichen Skontroführermodell sind jedoch weder die Liquiditätsgarantie noch privatrechtliche Selbstverpflichtungen von der FWB Frankfurter Wertpapierbörse durchsetzbar. Die aktuelle Praxis nach der Neuallokation der Aktien an der FWB zeigt, dass diese Selbstverpflichtungen nicht von allen neuen Skontroführern mitgetragen werden.

Für die FWB bedeutet das, so schnell als möglich den Präsenzhandel in ein privatrechtliches Spezialistenmodell zu heben, um die Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren. Eine Abschaffung des Intermediärhandels für liquide Wertpapiere sollte dabei nicht zur Diskussion stehen. So stellt beispielsweise das Null-Spread-Angebot für Privatanlegerorders im Zuge von Mi FID ein Best Excecution Angebot dar, welches das Xet-ra-Angebot schlägt. Sinnvoll wäre vielmehr eine Intergration von Xetra und Parketthandel in einem privatrechtlichen Marktmodell.

Dabei sollte die Liquidität aller Instrumente an der Frankfurter Wertpapierbörse in einem zentralen Handelssystem gebündelt werden. Für die liquiden Wertpapiere sollte weiterhin ein offenes Orderbuch existieren. Daneben sollte für alle Wertpapiere ein geschlossenes Orderbuch existieren. Die weniger liquiden Wertpapiere sollten ausschließlich in einem geschlossenen Orderbuch gehandelt werden. In den geschlossenen Orderbüchern erfolgt die Unterstützung des Handels durch jeweils einen Spezialisten pro Wertpapier. Die Spezialisten garantieren die Bereitstellung von Liquidität für den Privatanleger, die sofortige Orderausführung und keine Teilausführungen.

Schnelle Anpassung des Standards

Weitere Angebote wie beispielsweise das Null-Spread-Angebot für Indexwerte garantiert die Best Execution im Wettbewerb. Im Rahmen des privatrechtlichen Marktmodells ist die FWB in der Lage, die Auswahl der Spezialisten an rein wettbewerbs- und leistungsorientierten Gesichtspunkten auszurichten. Darüber hinaus ist die Wertpapierbörse in der Lage, die Qualitätsstandards flexibel und schnell an die Anforderungen des nationalen und internationalen Wettbewerbs anzupassen.

Das öffentlich-rechtliche Skontroführermodell im Parketthandel an der FWB kann sich im nationalen und internationalen Wettbewerb nicht bewähren. Die FWB braucht ein privatrechtliches Marktmodell, um im europäischen Wettbewerb mit den Anforderungen durch die MifiD zu bestehen. Nur dadurch kann die internationale Bedeutung der FWB Frankfurter Wertpapierbörse auch für die Zukunft gesichert und ausgebaut werden.

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