Aufsätze

Vergütung in Banken - ein öffentlichkeitswirksames Thema im regulatorischen Dauerstress

Die Aufregung der letzten Jahre um die Banker-Boni ist noch nicht abgeebbt, im Gegenteil: Durch die im Januar 2013 angekündigte Sonderprüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) wird das Thema ebenso erneut befeuert wie durch die Verständigung der Unterhändler von EU-Parlament, EU-Kommission und den nationalen Regierungen Ende Februar 2013 und des Volksbegehrens zu der Management-Vergütung in der Schweiz Anfang März 2013. Die Vielzahl solcher Regulierungsvorschriften mit Auswirkungen auf die Gehaltsfindung erschweren den Personalchefs die Arbeit. Das gilt unter regulatorischen Aspekten auch inter national, wenn sich zum Beispiel ein Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der Freiheit des Kapitalmarktverkehrs und den regulatorischen Anforderungen einzelner Länder auftut.

Vergütung als Instrument der Unternehmenssteuerung

Schon sehr früh sind in der Ursacherforschung der Finanzkrise als ein Element die unangemessenen Entlohnungssysteme der Banken identifiziert worden. Und von Anfang an wurden gerade diese Diskussionen in der Öffentlichkeit mit großer Aufmerksamkeit und teils auch sehr emotionsgeladen verfolgt. Nicht nur auf internationaler Ebene, sondern auch national haben die Regulatoren deswegen nach- und gegengesteuert. Ausgangspunkt jeglicher Überlegungen ist hierzulande die Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV). Diese schließt ein dreistufiges Maßnahmenpaket ab, mit dem die Bundesregierung die internationalen Anforderungen an Vergütungssysteme von Banken und Versicherungen umsetzt - insbesondere die Prinzipien solider Vergütungspraktiken und die darauf aufbauenden Standards des Financial Stability Boards.

Sichtbaren Niederschlag für die Öffentlichkeit finden diese Neuerungen nicht zuletzt durch die Vergütungsberichte, die seit dem Jahre 2011 im Internet abrufbar sind. Neben einer Beschreibung der Vergütungssystematik sind darin auch die Durchschnittsgehälter pro Geschäftsbereich und deren Aufteilung in fixe und variable Bestandteile ersichtlich. Ausdrückliches Ziel der InstitutsVergV ist die Förderung einer Vergütungsstruktur, die möglichst wenig Anreize setzt, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen und sich an der Unternehmensstrategie ausrichtet. Letztere umfasst insbesondere eine nachhaltige Geschäftsstrategie und die dazu passende Risikostrategie im Sinne der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk). Faktisch wird die Ausgestaltung der Vergütungssysteme damit als ein Instrument der Unternehmenssteuerung betrachtet.

In dem Bemühen, einen Beitrag zu Versachlichung des Themas Banker-Boni zu leisten, wurde die Situation in Deutschland bereits im Frühjahr 2012 aufgezeigt und beschrieben.** Ausgangspunkt war dabei die in Abbildung 1 vorgefundene Faktenlage einiger zufällig ausgesuchten Kreditinstitute. Gewiss sind die einzelnen Banken im Hinblick auf Größe, Geschäftsmodell oder Internationalität nur begrenzt vergleichbar. Die Zuordnung von relevanten Einheiten zu einem Geschäftsbereich werden auch bankindividuell geregelt sein und damit die durchschnittlichen Vergütungszahlen beeinflussen, etwa bei der Frage der Einbeziehung von Backoffice-Mitarbeitern. Und dennoch lassen sich aufschlussreiche Beobachtungen machen:

Eine starke Spreizung

Die Abbildung 1 zeigt sowohl eine starke Spreizung bei der Gesamtvergütung als auch beim Anteil der variablen Vergütung. Hierbei korrelieren beide Faktoren positiv miteinander, also je unternehmerischer die Vergütung ist desto höher fällt sie auch insgesamt aus. Selbst wenn man die höchste und die niedrigste Gesamtvergütung im untersuchten Bankensample nicht berücksichtigt, unterscheiden sich die Verdienstmöglichkeiten - hier am Beispiel des Privatkundengeschäfts - noch immer um den Faktor drei. Umgekehrt ist eine hohe Vergütungsstruktur nicht automatisch ein Garant für ein positives Geschäftsergebnis der Institute. Auf die entsprechende Darstellung der Jahresergebnisse wurde verzichtet, weil die Häuser, Geschäftsmodelle und Ressortzuschnitte auf der Ebene der Gesamtbetrachtung letztlich nicht voll vergleichbar sind. Unabhängig davon: Neben anderen Fragestellungen hatte sich aus der Analyse die Kernfrage abgeleitet, ob der Obersatz "Kongruenz zwischen Unternehmens- und Personalstrategie" (inklusive Vergütungsstrategie) Gültigkeit hat, vor allem, weil dies mit Blick auf das Gesamtergebnis einzelner Häuser zweifelhaft erschien.

Vor diesem Hintergrund liegt inzwischen die Analyse für das Jahr 2012 vor. Dabei sind bestimmte Grundaussagen und Entwicklungstendenzen ablesbar. Wie der Abbildung 2 zu entnehmen ist, gibt es in Höhe und Struktur im Vorjahresvergleich in Einzelfällen beträchtliche Änderungen. Jedoch verbleibt es bei großen Unterschieden bei den analysierten Banken des Privatbankensektors. Es ist jedoch festzustellen, dass die Spreizung der Vergütung abnimmt, die variablen Anteile sinken wie auch die Gesamtvergütung. Man sieht jedoch auch, dass dies nicht branchenweit gilt, sondern sich die Durchschnittsvergütung in Einzelfällen auch gegen den Branchentrend entwickeln kann. Hieran zeigt sich das Spannungsfeld aus Standardisierung und Individualisierung, ausgelöst aus einer stärkeren gesetzlichen Regelung, die immanent eine Harmonisierung der Entlohnung auslöst, und den betriebswirtschaftlichen Grundprinzipien der leistungsgerechten Entlohnung des Einzelnen.

Kompendien zur Vergütungsfindung

Der Vergleich der beiden Analysen lässt den Schluss zu, dass die regulatorischen Eingriffe der InstitutsVergV eine Wirkung erzielt haben oder zumindest ein Indiz auf die Wirkzusammenhänge gibt, ob es die gewollte Wirkung jedoch ist, wird erst die Betrachtung eines längeren Zeitrahmens erlauben. Zu befürchten ist, dass die Regulierung zulasten der Individualisierung der Geschäftsmodelle der Institute gehen könnte, was eine entsprechende Auswirkung auf die Individualität der Mitarbeiter haben könnte, die dann in nicht-regulierte Märkte abwandern könnten.

Neben der InstitutsVergV hat der Gesetzgeber weitere regulatorische Regelwerke installiert, die entlohnungsrelevante Bestandteile enthalten wie das Anlegerschutz und Funktionsverbesserungs-Gesetz (AnsFuG) oder das Gesetz zu den Mindestanforderungen für Compliance (MaComp). Damit wird das Spannungsverhältnis zwischen dem Vergütungselement "Anreiz system" und dem Kundenschutz weiter verstärkt. Ob die daraus für den Kunden resultierenden Effekte gewollt sind, ist an dieser Stelle nicht zu kommentieren. Bereits jetzt wird aber eine andere Auswirkung der Regulierungspraxis die Aufmerksamkeit der Unternehmensleitung erfordern. Denn die verschiedenen Kontrollinstanzen, wie die interne Revision aber auch der Wirtschaftsprüfer, sind aufgefordert, die Umsetzung und Einhaltung der vergütungsrelevanten Elemente der unterschiedlichsten (neuen Regulierungs-)Vorschriften zu kontrollieren und zu bewerten beziehungsweise zu testieren.

Wie eingangs erwähnt, wird nunmehr die deutsche Bankenaufsicht branchenweit Sonderprüfungen beauftragen. Dies stellt an die Banken besondere Herausforderungen: zum einen gibt es noch keine wirkliche Praxis der complianten Entlohnung, zum anderen werden beständig neue entlohnungsrelevante Regeln wie das AnsFuG oder die MaComp veröffentlicht. Der Personalchef wie die Unternehmensleitung suchen derzeit noch nach empirischen Erkenntnissen der Praxis wie theoretischen Sammelwerken wie zum Beispiel einem Leitfaden für die compliante Entlohnung.

Die besondere Herausforderung im Zusammenhang mit der complianten Komponente besteht darin, die aktuelle, zweidimensionale Vergütungsdimension, bestehend aus Besoldungsgruppe (Grundgehalt) und Wertbeitrag für das Unternehmen (Bonus) durch eine dritte Dimension, nämlich die compliante Komponente zu ergänzen und dabei anwendungstauglich wie attraktiv für Spitzenkräfte zu bleiben. Neben dieser strukturellen Frage wird ein für die Personalchefs und damit für die Praxis taugliches Kompendium nicht nur den Anwendungsbereich verlässlich definieren müssen, die einschlägigen Rechtsquellen aktualisiert aufführen, sondern vor allem auch die unterschiedlichen Konstellationen der drei betroffenen Personengruppe, den Angestellten, leitenden Angestellten und den Organen berücksichtigen müssen.

Nächste Eskalationsstufe: Regulatory Affairs

Nun mag es Konstellationen geben, bei denen ein Blick in ein Kompendium für einen Personalchef nicht ausreichend sein kann, weil eine weitere Dimension die Komplexität der Fragestellung erhöht: Für internationale Großbanken mit maßgeb lichem Geschäft in mindestens zwei bedeutenden Volkswirtschaften in Europa verschärft sich gerade ein Problem, das ebenfalls bei den CEOs und den Personalressorts aufschlagen wird. Es geht um das Spannungsverhältnis zwischen dem europäischen Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit und dem Erfordernis der Einhaltung von nationalen Mindestkapitalreserven, das zum Beispiel in Deutschland durch die BaFin überwacht wird.

Befeuert wird dieser Konflikt letztendlich auch durch die Bankenkrise, konkret die Lehman-Brothers-Pleite, denn sie führte in Deutschland unter anderem zu einer Überbeanspruchung des nationalen Einlagensicherungsfonds. Die Bundesregierung hat gehandelt und mit § 46 des Kreditwesengesetz (KWG) eine substanzielle Verschärfung eingeführt. Nach der neuen Regelung sind demnach Zahlungen an konzernzugehörige Einheiten untersagt, wenn diese für das deutsche Institut nachteilig sind. Umgekehrt sollen EU-Kommission und EU-Bankenaufsicht EBA prüfen lassen, inwieweit die deutsche Regelung eben mit dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit in Einklang steht.

Auswirkungen auf die Reputation

Das ist kein theoretisches Problem, denn ein italienisches Spitzeninstitut und seine deutsche Tochtergesellschaft zeigen gerade, wo und wie die Interessenlage liegt, befeuert aus möglicherweise divergierenden hoheitlichen Regelungen. Das Thema wird in den einschlägigen Medien hinlänglich beleuchtet, für die hier interessierende Konstellation geht es um die Frage, wie ein Institut, das dem gerade skizzierten quasiregulatorischen Spannungsfeld ausgesetzt ist, umgeht und zwar auf der internen, organisatorischen Ebene. Es beginnt mit der Frage, ob das skizzierte Spannungsverhältnis einen genügend großen Druck erzeugt, dass es einer organisatorischen Lösung zugeführt werden muss - also eine Verantwortlichkeit geschaffen wird, die genau dieses Spannungsfeld zu managen hat. Es geht um die Frage nach den regulatorischen Anforderungen, die unterschiedlichen nationalen und supranationalen Regelwerken entspringen und die mangels Regelungsrichtungsgleichheit für einen Interessenkonflikt vorprogrammiert sind.

Aus anderen Branchen ist eine vergleichbare Konstellation bekannt, die über die Funktion des Verantwortlichen für "Regulatory Affairs" gelöst wird. Eine solche Institution wird dann auch dem Personalchef die Fragen zur Vergütungsstruktur mit regulatorischem Bezug national wie international beantworten können, die weit über den Katalog eines complianten Kompendiums hinausgehen. So hat eine bedeutende Großbank in Deutschland vor einiger Zeit die Funktion "Goverment + Regulatory Affairs" geschaffen und im Verantwortungsbereich "Risk" angesiedelt (Quelle: Homepage), da sich rechtliche oder aufsichtsrechtliche Vorfälle auf das Kapital und/oder die Reputation des Bankhauses auswirken könne. Auch wenn Fragen der Vergütungsstruktur hier nur eine nachrangige Bedeutung spielen dürften, sollten diese von den Funktionsträgern beantwortet werden können.

Anmerkungen

* Die hier vertretenen Meinungen und Wertungen sind solche des Autors und nicht die seines Arbeitgebers.

** http://www.handelsblatt.com/meinung/gastbeitraege/gastbeitrag-dem-richtigen-mitarbeiter-dasrichtige-gehalt-zahlen/6319888.html

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