Leitartikel

Die Sparkassen in der Eurokrise

Was waren das für schöne Zeiten für die Sparkassen, als draußen noch die Finanzkrise tobte. Damals, im Herbst 2008 gaben die Bundeskanzlerin und ihr damaliger Finanzminister unter den Eindrücken der Lehman-Pleite, dem Bank Run bei Northern Rock und den Liquiditätsschwierigkeiten der HRE eine öffentliche Garantieerklärung für die Sicherheit der privaten Spareinlagen ab. Die Bundesbürger glaubten dieser Botschaft und vertrauten insbesondere den hiesigen Sparkassen und Volksbanken massenhaft Einlagen an. Im Rückblick hielt diese Schwemme an Kundengeldern bei den Primären der Verbünde allerdings nur vorübergehend an. Die angestrebte Umwidmung der zugeflossenen Einlagen in andere Anlageformen ist nur begrenzt gelungen. Und die positiven Effekte auf die Ertragsrechnung waren zumindest nicht nachhaltig. Je mehr nämlich die europäischen Instanzen die Grundzüge einer europaweit gültigen Einlagensicherung formulierten und den Schutzmantel der abgedeckten Beträge auf 100 000 Euro hochschleusten, umso entspannter reagierten die Einlagenkunden und orientierten sich in ihren Anlageentscheidungen wieder mehr an den besten Konditionen.

Doch sind dies noch wirkliche Marktkonditionen? Speziell seitens der beiden großen Verbünde wird das immer wieder in Zweifel gezogen. Mit den geld-, wirtschafts- und notenbankpolitischen Diskussionen um eine Bankenunion, bestehend aus einer europäischen Bankenaufsicht, einem europäischen Restrukturierungs- und Abwicklungssystem für Kreditinstitute und einer einheitlichen europäischen Einlagensicherung sowie nicht zuletzt der Ankündigung unbeschränkter Anleihekäufe durch die EZB unter bestimmten Auflagen sehen zumindest die Sparkassen und Kreditgenossenschaften die Einlagenkonditionen massiv unter regulatorischem Druck. Dementsprechend werden die Primärbanken und deren Verbandsvertreter nicht müde, über einen wettbewerbsverzerrenden Mechanismus von Zinsarbitrage zu klagen. Ihr konkreter Vorwurf: Dank der politisch mehr oder weniger flankierten EZB Politik wird der Kreislauf aus Kampfkonditionen ausländischer Banken am hiesigen Einlagenmarkt, dem Transfer der eingesammelten Gelder in die europäischen Heimatländer und dem weitgehend risikolosen Ankauf von dortigen kurzlaufenden Staatspapieren befeuert. Es ist für ausländische Wettbewerber ein ziemlich gut kalkulierbares Geschäft, auf diese Art Zusatzerträge zu erzielen.

Dass dabei die Früchte der Kampfkonditionen der neuen Anbieter den Renditehunger der deutschen Sparer stillen, macht die ordnungspolitische Verträglichkeit nicht besser. Denn solche grob wettbewerbsverzerrenden Ausgleichsmechanismen der Staatsschuldenkrise können in der Tat eine gesunde Entwicklung der tragfähigen Geschäftsmodelle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken gefährden und der Primärstufe das (Über-)Leben schwer machen. Mittel- und langfristig kann sich eine (notenbank-)politisch beförderte Einengung der Ertragsmöglichkeiten sogar negativ auf das Kreditgeschäft und damit die Finanzierung der mittelständisch geprägten deutschen Wirtschaft auswirken. Mit der Verbesserung der Effektivität der Marktbearbeitung, beispielsweise der konzentrierten Arbeit an den vom neuen DSGV-Präsidenten identifizierten Herausforderungen der demografischen Veränderungen sowie der fortschreitenden Globalisierung und Digitalisierung lässt sich das nur bedingt ausgleichen (siehe auch Interview in diesem Heft). Viele hiesige Primärbanker stufen die Nebenwirkungen des Maßnahmenbündels zur Entschärfung der Eurokrise derzeit als bedrohlicher ein als noch so harten "normalen" Wettbewerb.

In diesem Sinne ist es nicht weiter überraschend, dass der neue DSGV-Präsident derzeit seine Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit in Brüssel und in Berlin als das wichtigste Arbeitsfeld seiner Amtsführung ansieht. Es geht letztlich um die Sicherung der Sparkassenidee deutscher Prägung. In der Sache positioniert er sich dabei in einem öffentlichen Klima, das zuletzt auch die Gefahr von mittelfristigem Inflationspotenzial wieder stärker in den Blickpunkt rückt, klar als Anwalt der Sparer und setzt sich vehement für den Erhalt beziehungsweise der Anerkennung der Institutssicherung der beiden deutschen Verbundgruppen ein. Ob es allerdings klug war, der Bundesregierung und der deutschen Öffentlichkeit im Schulterschluss mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeisenbanken kürzlich in einer öffentlichen Anzeigenkampagne das eingangs erwähnte Versprechen der Kanzlerin Merkel und des Finanzministers Steinbrück in Erinnerung zu rufen? Solche Signale mögen zwar im demokratischen Prozess politischen Druck auf die hiesige Politik ausüben, in Sachen Einlagensicherung ganz zentrale deutsche Positionen in Brüssel sehr hart zu verteidigen. Bei Überdosierung, sprich einer zu hohen Zahl an solchen Elementarpositionen, können solche Initiativen aber sehr leicht kontraproduktiv wirken.

Wie sehr die Stellschrauben und Wirkungszusammenhänge zwischen Strategie, Regulierung, Rechnungslegung und Marktbearbeitung derzeit auch verwoben sein mögen, darf Letztere keinesfalls vergessen werden. Bei einem auf absehbare Zeit niedrigen Zinsniveau geht es darum, den Sparkassen einen Ausgleich für mögliche Zwangslagen im Zinsgeschäft zu verschaffen und das Provisionsgeschäft möglichst zu stärken. Lassen sich Synergieeffekte der Landesbausparkassen heben, ohne die Provisionsbasis der Eigentümer zu gefährden? Wie ist das künftige Asset Management einschließlich des immerwährenden Zukunftsmarktes der Altersvorsorge in der S-Finanzgruppe aufgestellt? Wie ist das Zusammenspiel im Auslandsgeschäft organisiert? Mit welchen Produkt- und Dienstleistungsangeboten lassen sich die technikaffinen jungen Kunden an die Sparkassenorganisation binden? All das führt sehr schnell zu der Leistungsfähigkeit und der Arbeitsteilung mit den Verbundunternehmen, angefangen von den neu sortierten Landesbanken, über Deka-Bank und Deutsche Leasing bis hin zu den Öffentlichen Versicherern. Ein weiteres Zusammenrücken der Gruppe im Sinne einer Leistungs- und Ertragsgemeinschaft bringt freilich ein Dilemma. Je mehr das vom DSGV propagierte Best-Practice-Konzept, sprich das Lernen von den Besten, in den einzelnen Sparkassen umgesetzt wird, je mehr man kluge, fein koordinierte Arbeitsteilung praktiziert, umso mehr geht die Freiheit der dezentralen Entscheidungen verloren, und umso mehr muss sich die Verbundorganisation als Ganzes als Risikogemeinschaft behandeln lassen.

Zumindest auf Sparkassenseite sind existenzielle Ertragsprobleme derzeit noch nicht zu sehen. Blickt man auf die kürzlich von der Bundesbank veröffentlichte Ertragsrechnung der deutschen Kreditwirtschaft, scheinen gerade die Sparkassen glänzend dazustehen. Aber der üppige Sprung der Eigenkapitalrentabilität (siehe Tabelle) ist maßgeblich das Ergebnis der Umwidmung von stillen in offene Vorsorgereserven zur Vorbereitung auf Basel III. Auf mittlere Sicht ist noch längst nicht klar, mit welcher Wettbewerbsposition und welchen Strukturen die S-Gruppe aus der Eurokrise herauskommt.

Der DSGV-Präsident hat seinen Anspruch klar formuliert: Er will nicht ruhen, "bis eine europäische Finanzarchitektur geschaffen wird, bei der das deutsche Sparkassenwesen eine der Blaupausen für eine erfolgreiche, nachhaltige und auf Langfristigkeit ausgerichtete Kreditwirtschaft akzeptiert wird." Viel Glück!

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