Aufsätze

Risikoübernahme als Förderinstrument

Förderbanken sind Institute des Bundes und der Länder und unterstützen
wirtschaftspolitische Ziele mit finanzwirtschaftlichen Mitteln. Neben
der Vergabe von Investitionskrediten übernehmen Förderbanken im Rahmen
ihres öffentlichen Auftrags auch Risiken. Zielsetzung ist es,
volkswirtschaftlich gewünschte Finanzierungen in bestimmten Bereichen
zustande kommen zu lassen, die ohne das Eintreten der Förderbank nicht
realisiert würden. Allerdings ist ein derartiger Eingriff in das
Marktgeschehen nur dann zu rechtfertigen, wenn Marktineffizienzen
vorliegen.
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Handlungsfelder für Förderbanken
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Die Handlungsfelder für Förderbanken ergeben sich aus dem Vorliegen
von Marktineffizienzen, das heißt so genanntem Marktversagen, da es
hier zu volkswirtschaftlich unerwünschten Marktergebnissen kommt, die
durch wirtschaftspolitische Eingriffe in den Markt korrigiert werden
können. Solche Marktineffizienzen können aufgrund von asymmetrischer
Informationsverteilung, dem Auftreten externer Effekte sowie
unzureichend entwickelten Finanzmärkten bedingt sein.
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1. Auf Finanzmärkten hat das Problem der asymmetrischen
Informationsverteilung besondere Bedeutung: Kapitalnehmer haben in der
Regel präzisere Informationen über potenzielle Gewinne und Risiken der
Kapitalverwendung als Kapitalgeber. Der Informationsnachteil von
Finanziers kann zu einer Überschätzung der Risiken und damit zu einem
ineffizient geringen beziehungsweise objektiv zu teuren Kapitalangebot
führen, so dass weniger volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen
getätigt werden können, als es gesamtwirtschaftlich wünschenswert
wäre.
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Besonders kleine und mittlere Unternehmen sind von der asymmetrischen
Informationsverteilung und ihren negativen Folgen betroffen: Bei
kleinen Unternehmen besteht eine größere Intransparenz als bei
Großunternehmen, da es sich für potenzielle Kapitalgeber einerseits
meist nicht lohnt, Kosten für einen wesentlichen Abbau der
Informationsdifferenz aufzuwenden. Andererseits haben kleine
Unternehmen auch weniger Möglichkeiten, glaubhaft zu signalisieren,
dass sie ein geringes Risiko darstellen (zum Beispiel durch ein
externes Rating).
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Die Problematik ist bei Existenzgründungen besonders ausgeprägt, da
hier keine Unternehmenshistorie vorliegt und die Einschätzung nur auf
Basis der Planzahlen sowie der subjektiven Einschätzung der
Unternehmerpersönlichkeit möglich ist. Auch bei der Finanzierung von
mittelständischen Innovatoren existieren besondere
Informationsasymmetrien, da die Risiken der Projekte einerseits im
Vergleich zur normalen Unternehmensfinanzierung höher sind,
andererseits von den Kapitalgebern nur sehr eingeschränkt objektiv
eingeschätzt werden können.
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Aus der asymmetrischen Informationsverteilung resultieren also
Nachteile in der Finanzierung der Gründer, Innovatoren und der kleinen
und mittleren Unternehmen (KMU) gegenüber größeren Unternehmen.
Volkswirtschaftlich sinnvolle Investitionen von Mittelständlern fallen
in der Folge zu gering aus.
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Positive externe Effekte
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2. Positive externe Effekte haben zur Folge, dass die
gesamtwirtschaftliche Rentabilität von ökonomischen Handlungen höher
ist als die einzelwirtschaftliche. Unternehmen oder Individuen
optimieren ihre Erträge beziehungsweise ihren Nutzen jedoch aus ihrer
individuellen Sicht und berücksichtigen in ihren Entscheidungen nicht
den im Fall der positiven externen Effekte zusätzlich anfallenden
gesellschaftlichen Nutzen.
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Beispiele für positive externe Effekte finden sich beispielsweise bei
Innovationen und der Bildung. Hier investieren Unternehmen
beziehungsweise Privatpersonen aus volkswirtschaftlicher Perspektive
zu wenig, da sie nur ihren individuellen Vorteil und nicht den
zusätzlichen gesellschaftlichen berücksichtigen. Die zu geringen
Investitionen führen dann dazu, dass das Innovationspotenzial aus
gesamtwirtschaftlicher Sicht unzureichend ausgeschöpft wird und es
langfristig zu einem suboptimalem Wachstums- und Beschäftigungsniveau
kommt.
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3. Ein weiterer wichtiger Grund für eine Förderbank zu handeln, ist
das Vorliegen von unterentwickelten Finanzmärkten beziehungsweise eine
zu langsame Marktentwicklung. Denn die Förderbank kann als
wettbewerbsneutraler Akteur die Entwicklung und Stabilisierung von
Märkten fördern, wenn ein ausreichendes Angebot noch nicht vorhanden
ist oder bei den Marktteilnehmern noch keine ausreichenden Erfahrungen
über Risiken vorliegen und sie sich deshalb zurückhalten.
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Risikoübernahme im Rahmen der Förderung
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Eine Förderbank kann hier durch die Entwicklung von eigenen
Förderprodukten respektive Angeboten Standards setzen und diese am
Markt etablieren. Damit werden Strukturen geschaffen, die im weiteren
Verlauf sich selbsttragende Märkte entstehen lassen. Die Förderbank
kann auch als Ankerinvestor auftreten, der Risiken übernimmt
beziehungsweise für einen liquiden Markt sorgt, so dass der Markt im
Laufe der Zeit in die Lage versetzt wird, ohne den stabilisierenden
Impuls der Förderbank auszukommen.
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Nachdem die Handlungsfelder für Förderbanken identifiziert sind, bei
denen eine Risikoübernahme sinnvoll ist, schließt sich die Frage an,
wie und mit welchen Instrumenten dies erfolgen kann. Grundsätzlich
sollten hierbei zwei Anforderungen erfüllt sein: Effizienz und
Marktkonformität. Damit die Übernahme von Risiken effizient ist, muss
das Verhältnis des Nutzens zum entstehenden Aufwand optimal sein.
Weiterhin sollte durch die Risikoübernahme das Marktgeschehen so wenig
wie möglich gestört beziehungsweise beeinträchtigt werden.
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Im Rahmen der Durchleitung von Förderkrediten übernimmt die Hausbank
den Vertrieb und grundsätzlich auch das Kreditrisiko (Abbildung 1).
Die Förderbank die KfW Bankengruppe - refinanziert dabei die Hausbank
mit günstigen Mitteln. Ein Verfahren, das sich in das Banken- und
Finanzsystem einfügt und somit marktkonform ist. Die Hausbank gibt
dabei die günstigen Konditionen an die Endkreditnehmer weiter. Mit
Hilfe der Instrumente zur Risikoübernahme kann die Bereitschaft der
Kreditinstitute zur Vergabe von Förderkrediten gesteigert werden.
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Charakteristisch für das Verfahren ist, dass die KfW keinen direkten
Kundenkontakt und damit ein nur eingeschränktes Know-how über den
Kunden hat. Zwischen der Hausbank und der Förderbank liegt eine
asymmetrische Informationsverteilung vor.
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Einzelhaftungsfreistellungen
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Welche Optionen für die Risikoübernahme durch Förderbanken bestehen,
soll im Weiteren exemplarisch für deren Finanzierungsprodukte
dargestellt werden. Für die Risikoübernahme kommen grundsätzlich zwei
Instrumente in Betracht: Die Risikoentlastung mittels
Einzelhaftungsfreistellungen sowie die Übernahme ganzer Portfolios
beziehungsweise Teilen von diesen.
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Im Rahmen der Einzelhaftungsfreistellungen entlastet die Förderbank
die Hausbank auf Einzelförderkreditebene, indem sie einen Teil des
Risikos übernimmt. Dabei ist zu unterscheiden, ob eine Kreditprüfung
nur bei einem Partner, oder bei beiden, das heißt bei Hausbank und
Förderbank stattfindet. In dem Fall, dass nur ein Partner die Hausbank
- prüft (Abbildung 2), kommt es zu "Moral-Hazard"-Problemen: Die
Hausbank kann Informationsvorsprünge zulasten der Förderbank ausnutzen
und das Instrument zum Beispiel zur "Umschuldung" bei besonders
risikoreichen und sich negativ entwickelnden Engagements nutzen. Das
heißt, es bestehen hier Anreize, gezielt schlechte Risiken auf die
Förderbank abzuwälzen, die vom Kreditinstitut keine Mittel mehr
erhalten würden und gegebenenfalls gar nicht mehr als förderwürdig
einzustufen sind - dies beeinträchtigt die Effizienz des Instrumentes.
Andererseits hat das Verfahren aber einen Vorteil im Hinblick auf die
Effizienz: Es ist kostengünstig.
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Eine Lösung des "Moral-Hazard"-Problems kann ein gemeinsamer Standard
(Ratinginstrumente Kreditbearbeitungsverfahren) in der Risikoprüfung
sein, der beiden Partnern bekannt ist und die Prüfung nach
transparenten Abläufen regelt. Eine andere Lösung des
"Moral-Hazard"-Problems stellt die doppelte Kreditprüfung durch
Förderbank und Hausbank dar (Abbildung 3). Zwar wird die Problematik
der übermäßigen Verlagerung von Risiken auf die Förderbank dadurch
eingedämmt. Die damit verbundene Kostenintensität ist jedoch
problematisch. Außerdem verlängert sich die Prüfungsdauer tendenziell.
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Übernahme von Portfoliorisiken
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Zur Übernahme von Risiken existiert ein weiterer Weg, der
Möglichkeiten nutzt, die sich im Zuge des Wandels auf den
Finanzmärkten herausgebildet haben: Die Übernahme von Risiken auf
Portfolioebene. Auch bei der Übernahme von Portfoliorisiken erfolgt
eine doppelte Kreditprüfung, allerdings zeitlich versetzt und in
unterschiedlicher Intensität (Abbildung 4): In der Phase des
Portfolioaufbaus führt die Hausbank im Rahmen der Kreditvergabe wie
bisher die Kreditprüfung durch. Allerdings gibt die Förderbank
Kriterien vor, die erfüllt sein müssen, wenn sie zu einem späteren
Zeitpunkt Risiken aus Kreditportfolios übernehmen soll. Beispielsweise
sind hier die maximale Kredithöhe oder eine Mindestdiversifikation
nach Region oder Branchen zu nennen, aber auch zu erfüllende Standards
in der Kreditbearbeitung.
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Die Vorteile eines solchen Vorgehens sind die in einer Hand - der
Hausbank - liegende Kreditprüfung undbearbeitung. Erst bei Übernahme
des Portfolios erfolgt dann eine zweite Risikoanalyse, deren Aufwand
wesentlich geringer ist als bei einer Einzelprüfung. Die Übernahme von
Portfolios ermöglicht - wie bei Einzelhaftungsfreistellungen - ohne
Einschränkungen eine zielgenaue Förderung: Denn die Qualität der
übernommenen Portfolios kann beispielsweise gezielt auf bestimmte
Segmente im Mittelstand oder auf Regionen ausgerichtet werden.
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Durch die Abgabe der Portfoliorisiken an die Förderbank müssen Banken
weniger ökonomisches Kapital vorhalten, was ihnen Raum gibt für die
Vergabe von neuen Krediten. Kreditinstitute können bereits bei der
Kreditvergabe berücksichtigen, dass ein späterer Verkauf der Kredite
beziehungsweise eine Ausplatzierung der Risiken erfolgt. Somit nimmt
die Kreditvergabebereitschaft der Banken und Sparkassen aufgrund der
Risikoentlastung - analog zu den Einzelhaftungsfreistellungen - zu.
Dabei lassen sich Förderziele durch die definierten Portfoliokriterien
explizit berücksichtigen, so dass die Kreditvergabe in den Bereichen
zunimmt, die förderpolitisch erwünscht sind.
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Der Transfer der Portfoliorisiken an den Kapitalmarkt erlaubt es
zudem, neue Investoren - etwa Versicherungen, Pensionsfonds,
ausländische Banken - für die Kreditportfolios zu erschließen. Im Fall
der Übertragung von Portfolios, die Mittelstandsrisiken enthalten,
bewirkt die Tätigkeit der Förderbank, dass Mittelstandskredite
kapitalmarktfähig werden. Somit erhält der Mittelstand einen
indirekten Zugang zum Kapitalmarkt. Dies führt dazu, dass sich
einerseits das Kreditangebot erweitert und die Konditionen sich
tendenziell bessern.
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Über eine Neustrukturierung der Portfolios und den anschließenden
Risikotransfer an den Kapitalmarkt wird neben der Entlastung der
Banken und Sparkassen auch eine bessere Diversifizierung der Risiken
und damit eine Minderung des "unsystematischen" Risikos erreicht, was
zu einer optimierten Risikoverteilung in der Volkswirtschaft insgesamt
führt.
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Förderwirkung des Portfoliotransfers
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Die Förderbank kann über die Übernahme und den Transfer von
Portfoliorisiken an den Kapitalmarkt hinaus selbst als Investor in
bestimmte Teile von Portfolios auftreten - und so die Rolle einer
Portfoliobank übernehmen, die aktiv im Ankauf und Handel mit
Portfoliorisiken tätig ist. Damit kann sie eine "Hebelwirkung"
erzielen: Werden nicht wie in Abbildung 5 dargestellt ganze Portfolios
mit Referenzkrediten übernommen und an den Kapitalmarkt gebracht,
sondern investiert die Förderbank gezielt in riskantere Teile von
strukturierten Portfolios (zum Beispiel in Mezzanine-Tranchen), kann
mit einem im Vergleich zur Übernahme gesamter Portfolios - geringeren
Mitteleinsatz ein höheres Volumen an Krediten generiert werden. Denn
ein direkter Transfer von Portfoliorisiken an den Kapitalmarkt
scheitert oft an der mangelnden Liquidität auf dem Markt für die
risikoreicheren Tranchen.
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Die Förderbank kann daher durch dauerhafte Unterstützung solcher
"schwieriger" Assetklassen den indirekten Zugang zum Kapitalmarkt für
die Zielgruppen der Förderung verbessern und mit einem solchen
Auftreten als Ankerinvestor zur Etablierung eines sich selbst
tragenden liquiden Sekundärmarktes zumindest für Teilsegmente dieser
Risikoklassen beitragen.
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Voraussetzungen der Portfolioübernahme
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Damit eine Übernahme von Portfoliorisiken und eine Weitergabe an den
Kapitalmarkt erfolgen kann, müssen allerdings Kosten- und
Risikotransparenz gegeben sein. Dazu ist das Vorhandensein von
effizienten, standardisierten Produkten und Instrumenten nötig sowie
von Prozessen, die die Risikomessung, die Bearbeitung und das
Reporting betreffen. Dies sind die Voraussetzungen, dass die zweite
Kreditprüfung, das heißt die Risikoanalyse bei Übernahme des
Portfolios ohne großen Aufwand möglich ist und ebenfalls eine
Weiterplatzierung an den Kapitalmarkt erfolgen kann. Zudem müssen die
Portfolios eine gewisse Mindestgröße erreichen, damit eine Transaktion
wirtschaftlich dargestellt werden kann.
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Derzeit bilden sich die Strukturen und Standards heraus, so dass eine
volle Nutzung des Instruments zur Risikoübernahme noch nicht umfassend
möglich erscheint. Eine Förderbank kann hier aber die Entstehung der
Strukturen beschleunigen helfen und damit das Instrument schneller für
die Mittelstandsfinanzierung undförderung zugänglich machen, indem sie
zum Beispiel Standards im Rahmen der Förderung hinsichtlich Produkten,
Prozessen und Instrumenten schafft oder als Ankerinvestor auftritt.
Damit dies erfolgreich umgesetzt werden kann, muss die Förderbank
nachhaltig am Markt präsent sein, eine gewisse Größe aufweisen sowie
Erfahrung bei der Übernahme und Platzierung von Risiken haben -
Bedingungen, die die KfW Bankengruppe erfüllt.
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Wachsende Verbriefungsmärkte
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Betrachtet man die Marktentwicklung, so ist zunächst festzustellen,
dass der Markt für Verbriefungen in den letzten Jahren sehr stark
gewachsen ist. Mit Hilfe von Verbriefungen wurden allein in Europa
2004 Kreditrisiken in Höhe von rund 250 Milliarden Euro an den
Kapitalmarkt übertragen, davon rund 85 Prozent über
True-Sale-Transaktionen. Mittlerweile übertrifft das
ABS-Emissionsvolumen somit alle anderen Segmente des europäischen
Anleihemarktes und ist größer als die Märkte für Unternehmensanleihen
und Pfandbriefe zusammen.
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Die Verbriefungsmärkte werden in den nächsten Jahren noch weiter
wachsen. Denn die Kreditgeber agieren stärker risiko- und
eigenkapitalorientiert, und immer mehr Institute verbessern das
analytische Instrumentarium und ihre IT-Infrastruktur, um ein aktives
Risikomanagement betreiben zu können. Damit verbunden ist die Tendenz
von der klassischen Strategie im Kreditgeschäft "Buy and Hold to
Maturity" mehr und mehr zum "Buy and Trade" überzugehen, das heißt der
Vergabe von Krediten mit anschließendem Weiterverkauf.
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Für die KfW Bankengruppe bedeuten diese Entwicklungen, dass die
Möglichkeiten, Risiken über Portfolios zu übernehmen, sich zunehmend
verbessern und sich somit für die Breitenförderung - beispielsweise in
der Mittelstandsfinanzierung - die Gelegenheit ergibt, durch die
Übernahme von Portfoliorisiken ein die bisherigen
Haftungsfreistellungen ergänzendes Instrument zu nutzen. Schließlich
kann die KfW hier zur Marktentwicklung beitragen, indem sie als
Ankerinvestor auftritt.

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